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Physiologie: Starr im Dunkel verschlanken

Januar und Eisregen, Heizöl-Preisentwicklung und Bundesligapause, dazu ein Blick nach draußen - und die Alternative "Winterschlaf" gewinnt schlagartig an Reiz. Zumindest stoffwechseltechnisch wären übrigens wohl auch Menschen und Mäuse darauf vorbereitet - wenn es denn nur lange genug dunkel bliebe.
Die gemeine Maus an sich ist kein Tier, das üblicherweise den Winter verschläft. Schon aus schierem Zeitmangel: Schließlich würde ein typischer Nager ein ganzes Viertel des Drei-Jahre-Durchschnittslebens tatenlos im Energiesparmodus verpassen, und da ist die ohnehin schon ganz normal nachts verschlummerte Lebenszeit in Sommer, Herbst und Frühling noch gar nicht mitgezählt. Dennoch: Wenn es hart auf hart kommt mit Kälte, Hunger und Dunkelheit, dann können auch Mäuse einfach mal den Stoffwechsel auf ein Minimum zurückfahren. Im "Torpor" – so der winterstarre Notfallzustand auf Wissenschaftlerlatein – harren die Tiere dann auf bessere Zeiten. Oder den Tod.

Ein Notfallplan eben. Aber auch der muss gesteuert, reguliert und – angesichts der möglichen Folgen – besonders penibel kontrolliert werden, meinten Jianfa Zhang und seine Kollegen von der Universität von Texas. Auslöser der Schockstarre, so viel war bereits bekannt, ist wohl ein Temperatursturz, vielleicht auch Nahrungsmangel. Zhangs Team stellte nun eine dritte Alternative in den Raum: Dunkelheit.

Warum eigentlich nicht. Bären etwa könnten sich so dann selbst auf den für sie typischen Winterschlaf einfach dadurch umprogrammieren, dass sie ihre dunkle Höhle schlicht nicht mehr verlassen. Der plötzlich fehlende Tag-Nacht-Helligkeitswechsel mag dann durchaus die zyklisch-lichtabhängige innere Uhr des Tieres zu einer biochemischen Reaktion veranlassen. Aber bei Mäusen? Immerhin sind sie etwas leichter zu untersuchen, und so machten die Forscher die Probe aufs Exempel und verglichen allerlei Stoffwechselparameter von in Dunkelheit gehaltenen Versuchsnagern mit denen in normaler Tag-Nacht-Rhythmik lebenden Tieren.

Tatsächlich: Auffällige Unterschiede fanden sich etwa in den Leberzellen der Lichtwechsel-entwöhnten Tiere. Hier war die Produktion des Proteins Procolipase deutlich angekurbelt, und dies zyklisch im 12-Stunden-Wechsel, trotz 24-stündiger Lichtlosigkeit. Lange Dunkelheit – mindestens 48 Stunden lang – knipst also tatsächlich ein Gen an.

Und welche Folgen hat die erhöhte Procolipase-Menge? Das Enzym gibt, zusammen mit seinem Partner Pankreas Lipase-related protein PLrP, den Starschuss für eine erhöhte Fettverbrennung des Körpers. Von der Prolipase-Erkenntnis ausgehend, hangelten sich die Wissenschaftler nun wie am roten Faden mitten hinein ins verworrene Knäuel biochemischer Prozesse. Als erstes enthedderten sie dabei die Ursache für die Enzymaktivität: Im Blut der Dunkelmäuse fanden sich zyklisch passend erhöhte Werte des Signalmoleküls 5'-AMP.

Injizierten die Wissenschaftler diesen Stoff in vergleichbarer Dosis Mäusen mit normalem Tag-Nacht-Ablauf, dann stiegen auch bei diesen Tiere die Procolipase-Mengen und der Fettabbau – zudem aber sackte plötzlich ihre Körper-Kerntemperatur ab, und wie ihre bei Dunkelheit gehaltenen Kollegen hatten sie kaum noch Appetit und verloren Gewicht – fielen also in einen Torpor-Winterschlaf-Zustand.

Der Auslöser 5'-AMP dreht, außer an der Procolipase, eben noch an vielen weiteren Stellschrauben des Energiestoffwechsels, so Zhang: Er bremst etwa die Aktivität des Enzyms Fructose-1,6-Bisphosphatase, wodurch weniger Zucker im Körper neu aufgebaut wird. Zugleich aktiviert AMP den enzymatischen Gegenspieler Phosphofructokinase. Insgesamt senkt 5'-AMP damit den Blutzuckerspiegel deutlich, der nur kurzfristig durch den angekurbelten Abbau von Glykogen-Speicherzuckern aufgefangen werden kann. Dieser Abbau wird im Übrigen – passenderweise – ebenfalls durch AMP verstärkt.

Dies alles aber findet mit gutem Grund nur in den peripheren Regionen und Organen statt, während ein zentrales Organ von den Auswirkungen verschont bleibt: das Gehirn, das als einziges weiter durch die restlichen zirkulierenden Zuckervorräte versorgt werden muss. Alle anderen Organe verbrennen also Fett, um für eben diese lebensnotwendige Grundversorgung eisern zu sparen.

5'-AMP, so Zhang, sei damit der grundlegende Weichensteller: Die Konzentration des Moleküls balanciert aus, wo welcher der körpereigenen Energieträger verbrannt wird. Vielleicht kann mit AMP einmal bei Fettleibigkeit und Diabetes Typ 2 des Menschen gegengesteuert werden, meinen die Forscher – konkrete Anwendungsbezüge dürften aber noch auf sich warten lassen. Allerdings wird wohl bis zur Serienreife der Winterschlafpille für Saisonmüde noch mehr Zeit ins Land gehen. Warten wir stattdessen lieber auf den Frühling.

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