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Sprachwissenschaft: Starsinnig

Flöten, quietschen, schnalzen und pfeifen - das musikalische Repertoire der Stare erweist sich alle Jahre wieder als äußerst vielseitig. Doch die Singvögel haben noch mehr auf Lager: die Kunst der Grammatik.
Sturnus vulgaris
Vor genau vierzig Jahren wagte Washoe, die Einzigartigkeit des Menschen in Frage zu stellen. Die junge Schimpansendame erlernte 1966 von ihren Lehrern, Beatrix und Allen Gardner, die Gebärdensprache und war damit sogar in der Lage, neue Wortkombinationen zu kreieren. Damit war klar: Auch Tiere verfügen über ein zumindest einfaches Sprachverständnis.

Doch Sprache ist mehr als das Aneinanderreihen von Wörtern; sie zeichnet sich auch durch grammatikalische Regeln aus. Damit können – wie der amerikanische Linguist Noam Chomsky bereits 1957 erkannte – aus einer endlichen Anzahl von Wörtern unendlich viele Sätze gebildet werden.

Ein wichtiges grammatikalisches Prinzip stellt hierbei die Rekursivität dar: Sprachliche Elemente lassen sich beliebig oft in Satzstrukturen einbauen, ohne die Grammatik zu verletzen. So kann der Satz "Ödipus regierte Theben" ergänzt werden durch: "Ödipus, der seinen Vater tötete, regierte Theben." Das Spiel dieser Einschübe lässt sich beliebig fortsetzen: "Ödipus, der seinen Vater, den er auf der Straße traf, tötete, regierte Theben." Sprachlich zwar nicht schön, aber grammatikalisch durchaus korrekt.

Chomsky sah hierin eine typisch menschliche Eigenschaft, die angeboren ist und als Universalgrammatik jedem Kind das Erlernen der Muttersprache erst ermöglicht. Die Schimpansendame Washoe konnte zwar einfache Sätze gebärden, komplizierte Schachtelkonstruktionen beherrschte sie dagegen nicht.

Auch die ebenfalls sprachbegabten Lisztäffchen (Saguinus oedipus) zeigten wenig Verständnis für Grammatik: Die Tiere versagten 2004 kläglich, als die beiden Psychologen Tecumseh Fitch und Marc Hauser versuchten, ihnen rekursive Regeln beizubringen. Bleibt der Mensch in der hohen Kunst der Grammatik einzigartig?

Was Affen nicht können, schaffen vielleicht Singvögel, sagten sich Timothy Gentner und seine Kollegen von der Universität von Chicago. Als Sprachschüler wählten die Forscher den Europäischen Star (Sturnus vulgaris), dessen Lernfähigkeit allgemein bekannt ist. Schließlich versteht es der Singvogel, sein musikalisches Repertoire durch Imitation anderer Vogelstimmen oder Geräusche immer wieder zu erweitern, sodass ein abwechslungsreiches Knarren, Knirschen, Quietschen, Schmatzen, Schnalzen und Pfeifen ertönt.

Die Forscher kombinierten nun zwei typische Star-Elemente – ein eher rasselndes Geräusch sowie ein trillerndes Pfeifen – zu Satzstrukturen. Diese folgten entweder einer eher schlichten Grammatik nach der Regel (AB)n, bei der ein Satz AB nur am Anfang oder am Ende verlängert werden kann zu AB-AB. Oder die Grammatik funktionierte rekursiv nach der Regel AnBn; das heißt, Einschübe wie A-AB-B waren erlaubt.

Mit einem monatelangen Gesangstraining versuchten die Forscher, diese Grammatikregeln elf Staren beizubringen. Die Vögel sollten immer dann auf einen Knopf picken, wenn sie einen rekursiven Gesang hörten, beim Ertönen der schlichteren Version dagegen den Schnabel ruhig halten. Jede richtige Wahl wurde mit einer Leckerei belohnt.

"Stare sind pfiffiger, als wir glauben"
(Daniel Margoliash)
Neun der elf Stare bestanden den Grammatiktest. Sie erkannten die rekursive Struktur auch bei Kombinationen von bis zu vier verschiedenen Rassel- und Trillerlauten, die sie zuvor noch nicht vernommen hatten.

Damit verschwimmt die Grenze der Sprachbegabung zwischen Mensch und Tier. "Wie wir sehen, sitzt auch ein Star auf unserer Seite der Grenze", betont Mitautor Daniel Margoliash und ergänzt: "Stare sind pfiffiger, als wir glauben. Wir sollten sie nicht länger als 'Spatzenhirne' beleidigen."

Doch warum können Singvögel etwas, an dem unsere Primatenverwandten versagen? "Eine faszinierende Möglichkeit wäre", meint der Psychologe Gary Marcus von der Universität von New York, "dass nur Arten, die sich neue Vokalisierungsmuster aneignen können – wie Singvögel, Menschen und vielleicht auch einige Wale –, die Fähigkeit haben, Rekursivität zu erkennen." Schimpansen wie Washoe fehlt diese Fähigkeit. Während die Affengrammatik daher begrenzt bleibt, zeigen Singvögel wie Stare ein viel feinsinnigeres Sprachgefühl.

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