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Kosmischer Staub: Staubige Angelegenheit

Meteoriten stammen aus den Anfängen des Sonnensystems, und so erzählt ihr Inhalt viel über vergangene Zeiten. Wissenschaftler entdeckten nun allerdings etwas in ihnen, das sich sogar auf das Verständnis vom Universum auswirken könnte.
Staub und Gas trüben die Sicht
Eigentlich ist das Weltall so ziemlich das, was man ein Vakuum nennt – im Mittel treibt sich nur ein Atom in einem Kubikmeter herum. In Galaxien sieht es da schon ein bisschen anders aus: Mancherorts pfeifen Sternenwinde durch die Gegend, riesige Gasnebel treiben durch die interstellare Leere und zudem jede Menge Staub als Zeugnis längst vergangener Gestirne.

Auch unser Sonnensystem ging einst aus einer solchen riesigen Gas- und Staubwolke hervor. Während im Innern unsere Sonne entstand, bildeten sich in einer gigantischen Scheibe aus dem restlichen Baumaterial Planeten, zahlreiche Asteroiden und kleinere Gesteinsbrocken. Letztere haben sich seit rund 4,5 Milliarden Jahren und damit seit Anbeginn des Sonnensystems nicht groß verändert.

Und so freuen sich Wissenschaftler, wenn einer von ihnen auf die Erde stürzt und damit ein Stück Frühgeschichte aus dem All mitbringt. Andrew Steele und Marc Fries von der Carnegie Institution of Washington rückten genau solchen Gesteinsklumpen nun mit Elektronenmikroskop und Raman-Spektroskopie zu Leibe und entdeckten in drei von ihnen Mineralien, die eine ungewöhnliche Form von Kohlenstoff in sich tragen: Graphit-Nadelkristalle

Meteorit | Das Bild zeigt einen Einschluss im Meteoriten, der Graphit-Haarkristalle, Schwefelwasserstoff und Chromit enthält. Oben rechts ist eine Raman-Spektroskopie des Bereichs im roten Kästchen (Bildmitte) zu sehen, welche die Kristalle innerhalb des Einschlusses sichtbar macht. Der weiße Strich im größeren Bild ist zehn und im kleineren ein Mikrometer lang.
Die Forscher vermuten, dass diese länglichen Gebilde bei hohen Temperaturen – also in Sonnennähe – aus kohlenstoffreichem Gas hervorgingen und in Einschlüssen aus Kalzium und Aluminium eingelagert wurden. "Sie entstanden als die Sonne noch jung war und der von ihr ausgehende Wind sehr stark", berichtet Fries, und so könnten sie dann hinaus in den interstellaren Raum geblasen worden sein.

Dabei würde die Sonne natürlich keinen Einzelfall darstellen, mutmaßen die Forscher weiter – auch um andere junge Gestirne sollten die Kristalle zu finden sein. Weitere Lieferanten und effektive Verbreitungsapparate könnten ihrer Meinung nach Supernova-Explosionen gewesen sein. Und sollte der Raum tatsächlich voller Nadelkristalle sein, hätte das enorme Auswirkungen auf astronomische Beobachtungen, meinen Steele und Fries.

Die Kristalle würden beeinflussen, wie verschiedene Wellenlängen des Lichts durch den Raum dringen. Insbesondere Strahlung im nahen Infrarotbereich wäre davon betroffen. Als Folge würde das Glimmen weit entfernter Objekten abgeschwächt und bisherige Ergebnisse damit verfälscht. Dabei denken die beiden Astronomen vor allem an Supernovae vom Typ Ia. Diese Sternexplosionen zeigen stets dieselbe Leuchtkraft, und so lässt sich aus der auf der Erde gemessenen Helligkeit auf ihre Entfernung schließen.

In den 1990er Jahren führte dieser Umstand zu der Erkenntnis, dass das sich das Universum immer schneller ausdehnt – denn sehr weit entfernte Standardkerzen erschienen einfach zu dunkel, als dass konventionelle Modelle es hätten erklären können. Die Wissenschaft wusste keinen besseren Rat als eine beschleunigte Expansion des Weltalls anzunehmen und mysteriöse Dunkle Energie zu postulieren, die zu eben diesem Verhalten führt.

Nadelkristalle | Unter dem Rasterelektronenmikroskop ist die Spitze eines Graphit-Haarkristalls zu erkennen, der aus einem frischen Bruch eines Kalzium-Aluminium-Einschlusses im Allende-Meteoriten herausragt.
Bereits vor rund vierzig Jahren gab es allerdings Forscher, die lieber Nadelkristalle aus Graphit oder ähnliche Materialien für die ungewöhnlich starke Verdunklung der fernen Sternexplosionen verantwortlich machten. Doch bislang gelang deren Herstellung nur im Labor – in den Weiten des Universums ließen sich die Haarkristalle noch nicht nachweisen. "Wenn sie tatsächlich das Licht von Supernovae absorbieren", erklärt Steele, "könnte dies die Messungen der Expansionsrate des Universums sehr beeinflussen."

Da es sich womöglich um so genannten grauen Staub handelt – dieser streut rotes und blaues Licht in gleichem Maße –, würde er sich nicht so einfach wie gewöhnlicher interstellarer Schmutz in den Spektren der Supernovae verraten. Doch auch im nahen Infrarot konnten die Astronomen bislang keine Hinweise auf ihn finden. "Unsere Messungen machen es dem Staub schwer", sagt Bruno Leibundgut von der Eso in Garching.

Zudem zeigten Messungen extrem weit entfernter Supernovae, dass sich die Expansionsrate im zeitlichen Verlauf genau so verhält wie von kosmologischen Theorien vorhergesagt, berichtet er. Dass die Kristalle auch diesen Effekt vortäuschen, würde also schon einem kleinen Wunder gleich kommen. Und auch Matthias Bartelmann vom Institut für Theoretische Astrophysik an der Universität Heidelberg sieht die Sache eher skeptisch.

Denn neben der angeführten Supernova-Methode gäbe es auch andere glaubwürdige Beweise für eine beschleunigte Expansion. So kommen Forscher etwa mit Hilfe der kosmischen Hintergrundstrahlung – wenn auch auf indirektem Wege – zu demselben Schluss. Da Fries und Steele nun aber endlich original Haarkristalle "made in space“ gefunden haben, lassen sich deren physikalische Eigenschaften nun immerhin sorgfältig erforschen. Und dann wird sich vielleicht zeigen, ob es Wunder gibt oder nicht.

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