Kosmischer Staub: Staubpartikel von fernen Sternen direkt untersucht
Der Weltraum zwischen den Sternen unserer Milchstraße ist nicht völlig leer, denn er enthält immerhin einige Prozent der gesamten Masse. Diese so genannte interstellare Materie ist aber extrem wichtig, da aus ihr neue Sterne und Planetensysteme entstehen. Der größte Teil von ihr sind die Gase Wasserstoff und Helium, nur ein Hundertstel davon ist Staub, der auch alle schweren Elemente enthält. Diese schweren Elemente im interstellaren Staub sind letztlich der Baustoff für die terrestrischen oder erdähnlichen Planeten, die als Grundlage für Leben gelten, wie wir es kennen. Der interstellare Staub gibt sich recht geheimnisvoll, denn noch nie wurden Staubproben des interstellaren Mediums von einer Raumsonde zur Erde zurückgebracht.
Von astronomischen Beobachtungen ist bekannt, dass der interstellare Staub im Wesentlichen amorph und nicht kristallin ist. Zudem lässt sich aus rechnergestützten Modellen eine Durchschnittszusammensetzung ableiten. Es gibt allerdings keine Informationen über einzelne Staubteilchen, es ist also völlig unbekannt, ob einzelne Teilchen dieser durchschnittlichen Zusammensetzung entsprechen oder stark davon abweichen. Zwar kennt man aus Meteoriten so genannten Sternenstaub, das heißt interstellare Teilchen, die in spezifischen Sternatmosphären kondensierten. Dabei entwickelten sie höchst ungewöhnliche Isotopen- und Elementsignaturen, aber ob diese repräsentativ sind, bleibt unklar.
Proben der Sonde Stardust
Im Jahr 2006 brachte die Raumsonde Stardust die ersten Staubproben eines Kometen zur Erde zurück. Auf einer Teilstrecke mit niedrigem Eintrag des Staubs aus unserem eigenen Sonnensystem wurden spezielle Kollektoren geöffnet, um interstellaren Staub einzufangen, der unser Sonnensystem durchquert. Diese Staubteilchen waren sowohl kleiner als auch seltener als der Kometenstaub, der vom Kometen Wild 2 gesammelt wurde. Entgegen den ursprünglichen Erwartungen ergab die Analyse der kometaren Staubteilchen, dass diese keine weitgehend primitive, unveränderte Urmaterie repräsentierten, sondern signifikant im frühen Sonnensystem thermisch prozessiert wurden. Somit ruhten die verbliebenen Hoffnungen auf Urmaterie auf den als noch primitiver vermuteten interstellaren Teilchen.
Langwierige Untersuchungen
Ein Wissenschaftlerkonsortium unter Führung der Universität Berkeley hat acht Jahre intensiv diese Kollektoren untersucht. Diese bestanden aus einem extrem leichten Aerogel, um die Teilchen möglichst schonend abzubremsen und intakt zu sammeln, denn die erwarteten Aufschlaggeschwindigkeiten betrugen bis zu 50 Kilometer pro Sekunde (180 000 Kilometer pro Stunde). Zunächst mussten die Kollektoren nach Einschlagspuren untersucht werden, dazu wurden mikroskopische Scans erstellt und nachfolgend optisch inspiziert von weltweit 34 000 Amateuren, die dafür in einem speziellen online-Trainingsprogramm eingelernt wurden.
In diesem internationalen Konsortium arbeiteten deutsche Wissenschaftler im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms "The first 10 million years of the solar system". Um vielversprechende Einschlagspuren überhaupt zu erkennen und von ihnen auf die Einschlagsgeschwindigkeit und andere Eigenschaften der einschlagenden Teilchen wie beispielsweise Masse, Porosität, chemische Zusammensetzung rückschließen zu können, wurden die Kollektoren in Heidelberg in Kooperation mit der Universität Stuttgart mittels eines weltweit einzigartigen Staubbeschleunigers beschossen, um den Einschlagprozess zu simulieren und zu kalibrieren.
Vielversprechende Einschlagspuren des Auffangbehälters der Raumsonde Stardust, an deren Ende sich die winzigen Teilchen befanden, wurden von der Arbeitsgruppe um Frank Brenker an der Goethe Universität Frankfurt mittels hochempfindlicher nano-Synchrotron-Röntgenfluoreszenz am ESRF in Grenoble untersucht. Die Messungen führten schließlich zur Identifizierung der ersten Kandidaten für Körner mit interstellaren Ursprung. Weitere Einschlagspuren wurden am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz mittels hochauflösender Rasterelektronenmikroskopie von der Arbeitsgruppe um Peter Hoppe studiert.
Bislang konnten wenige große Teilchen untersucht werden. Zwei Teilchen mit den Namen Orion und Hylabrook wurden in Aerogel eingefangen, eines hinterließ nur eine Einschlagspur in Aerogel, vier Teilchen erzeugten Einschläge auf Folien zwischen den Aerogel-Waben. Diese Teilchen sind entgegen den gängigen Vorstellungen und Modellen nicht vollständig amorph, sondern eine Mischung aus verschiedenen Mineralen und unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung, teilweise kristallin und teilweise amorph. Zum ersten Mal wurden definitiv Silikatminerale wie Olivin und Oxide wie Spinell nachgewiesen. Diese entsprechen nicht dem aus Meteoriten bekannten kohlenstoffreichen Sternenstaub. Zudem handelt es sich auch nicht um silikatische Hochtemperaturkondensate.
Die Elementzusammensetzung entspricht in Teilen dem kosmischen Durchschnitt, es gibt aber wichtige Abweichungen, etwa Defizite des Elements Kalzium oder Überschüsse des Elements Aluminium. Das beigestellte Bild oben zeigt eine Falschfarbenaufnahme eines eingefangenen interstellaren Staubkorns beziehungsweise die Elementverteilung darin. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Teilchen heterogen bezüglich in ihrer Elementzusammensetzung, Kristallstruktur und Größe sind. Der Anteil kristalliner Komponenten ist höher als bislang vermutet, es gibt unterschiedliche eisenhaltige Phasen, darunter Sulfide. Somit weichen diese Teilchen deutlich von Durchschnittseigenschaften ab, die von astronomischen Beobachtungen und Modellierungen abgeleitet wurden.
Ausblick
Zum ersten Mal stehen im Labor Staubproben aus dem zeitgenössischen interstellaren Medium zur Verfügung. Sie sind so kostbar, dass mit Erlaubnis der NASA bislang nur zerstörungsfreie Messungen durchgeführt werden durften. Diese haben allerdings nur eine begrenzte Genauigkeit, die weiterführende Analytik für solche kleinen Teilchen muss in den nächsten Jahren erst noch entwickelt werden. Spätere Untersuchungen werden vermutlich noch überraschende Ergebnisse zutage bringen. Darüber hinaus befinden sich in den Kollektoren wahrscheinlich noch viele weitere Teilchen, es stehen also wohl noch weitere wissenschaftliche Entdeckungen bevor.
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