Pflanzen-Tier-Hybrid: Stehlen schützt vor Hunger nicht
Schlundsackschnecken haben eine besondere Beziehung zu ihrem Futter: Sie fressen Algen nicht nur, sondern sie werden sogar selbst ein bisschen zur Alge. Das Objekt der Begierde sind deren Chloroplasten; diejenigen Zellbestandteile, mit denen Pflanzen Fotosynthese betreiben. Statt sie direkt zu verdauen, bauen sie die Schnecken in ihren eigenen Körper ein. Die "Kleptoplasten" führen danach sogar weiterhin ihre Fotosynthese fort – was Schlundsackschnecken zu den einzigen bekannten Tieren macht, die Fotosynthese betreiben können; zumindest einige Arten von ihnen.
Wie genau den Schnecken aber die Kleptoplasten und deren Fotosynthese nützen – außer dass sie dadurch eine schöne blattgrüne Tarnung erlangen –, ist bis heute unklar. Denn auch im Dunkeln und damit ganz ohne Fotosynthese konnten die Schnecken in Experimenten überleben. Daher vermutete die Forschergruppe um Sven Gould von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf einen weiteren Zweck der Kleptoplasten: Sie könnten zusätzlich als Futter dienen, welches die Schnecken in schlechten Zeiten verdauen.
Dieser Vermutung widersprechen sie nun in ihrer jüngsten Studie allerdings wieder. Dazu haben sie zwei Arten von Schlundsackschnecken – die Elysia cornigera und die Elysia timida – mit den gleichen Algen gemästet, bevor sie sie hungern ließen. Während Elysia cornigera jedoch schon nach zehn Tagen starb, überlebte Elysia timida einen Monat lang. Dabei hatten beide Schnecken immer noch funktionsfähige Kleptoplasten in sich. Würden die Kleptoplasten selbst als Nahrung dienen, hätte Elysia cornigera also nicht vor Hunger sterben dürfen.
Die Schnecken können demnach unterschiedlich gut mit Hungerzeiten umgehen – wobei die Kleptoplasten, die sie in sich tragen, in dieser Hinsicht keinen Unterschied machen. Tatsächlich können die Forscher nur vermuten, warum die einen Schnecken länger durchhalten als die anderen. Bestimmte chemische Prozesse, die bei Hunger angestoßen werden, könnten dafür verantwortlich sein, genauso wie die Fähigkeit, beschädigte – und damit schädigende – Zellbestandteile (also auch die Kleptoplasten) zu entfernen. Somit bleibt es weiterhin ein Rätsel, was genau die Schlundsackschnecken nun davon haben, sich Kleptoplasten einzuverleiben und Algen zu bestehlen. Hunger allein reicht als Erklärung auf jeden Fall nicht aus.
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