Direkt zum Inhalt

Klimawandel und Extremwetter: Steigt die Hochwassergefahr in Deutschland?

Der Klimawandel sorgt in manchen Regionen der Erde für mehr Regen und erhöht das Risiko von Überschwemmungen. Forscher warnen, dass auch in Deutschland die Flüsse zukünftig häufiger über die Ufer treten könnten.
Überschwemmte Straße mit im Wasser stehenden Autos und vermutlich vollgelaufenen Kellern.

Gesperrte Straßen und Flussabschnitte, geschlossene Fluttore, gefüllte Sandsäcke – daran werden wir uns in Deutschland gewöhnen müssen. Das zumindest vermuten Fachleute auf der Basis aktueller Klimamodelle. Demnach boten die Hochwasser der letzten Woche einen Ausblick auf das Wetter der Zukunft: Nach einem überdurchschnittlich regen- und schneereichen Dezember waren zahlreiche Flüsse zum Jahresanfang prall gefüllt. Heftige Niederschläge in der ersten Januarwoche ließen die Pegel an Rhein, Weser und Donau weiter ansteigen. Im Süden der Republik war die Feuerwehr vielerorts im Dauereinsatz und pumpte vollgelaufene Keller leer. Zwar blieb die große Flutkatastrophe aus, und die Wasserstände fallen inzwischen wieder. Doch der Deutsche Wetterdienst erwartet, dass uns die Erderwärmung nassere Winter und kräftigere Regenfälle auf sehr kleinem Raum bringt.

Ist die Hochwasserlage der vergangenen Tage also möglicherweise bloß ein Vorgeschmack auf Extremereignisse, die uns bald immer öfter drohen? Rund um den Globus verändern sich die Niederschlagsmuster und in manchen Gegenden wächst das Flutrisiko erheblich. Hier zu Lande, so das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), steige die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen vor allem in Baden-Württemberg, Brandenburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. In diesen Bundesländern könnten zukünftig 6- bis 13-mal mehr Menschen von schweren Hochwassern betroffen sein als in der Vergangenheit. Für die übrigen Regionen gebe es hingegen nur einen schwach positiven oder keinen signifikanten Trend.

Großer Anpassungsbedarf

Grundlage der Prognose sind Computersimulationen, die Wissenschaftler um Sven Willner vom PIK durchgeführt haben. Sie gingen der Frage nach, welche Länder in den kommenden zwei Jahrzehnten besonders dringend in Schutzmaßnahmen wie Deichbau, ein verbessertes Flussmanagement oder die Verlagerung von Siedlungen investieren sollten. Die Ergebnisse ihrer Studie haben die Forscher nun im Fachmagazin "Science Advances" veröffentlicht. Demnach sei der Anpassungsbedarf in den USA, Nordeuropa, Teilen Indiens und Afrikas sowie Indonesien besonders groß, wenn man das heutige Schutzniveau gegen extreme Wasserstände auch in Zukunft gewährleisten will.

Um die Frage nach dem Flutrisiko zu beantworten, fütterten die Forscher ein Computermodell mit Klima- und Gewässerdaten. In Deutschland, so ihre Prognose, könnten extreme Pegelstände von Elbe und anderen Flüssen ohne entsprechende Investitionen zusätzliche 600 000 Menschen bedrohen. Ein deutlich größeres Plus an Überschwemmungsopfern gäbe es in den nächsten 25 Jahren jedoch in Südamerika, Afrika und Asien. Hier könnte ihre Zahl um mehr als 100 Millionen anwachsen. Laut der Wissenschaftler eine vorsichtige Schätzung, da die Computersimulationen weder Bevölkerungswachstum noch zunehmende Urbanisierung in diesen Regionen berücksichtigen. Dennoch betonen sie, dass die absoluten Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind. Zwar liefere die Studie eine zehnmal höhere räumliche Auflösung als gängige Klimamodelle, aber extreme Hochwasser seien naturgemäß selten und die Datenmenge deshalb begrenzt, auf der die statistische Auswertung beruht.

Wirklich mehr Extremwetter?

So herrscht unter Experten auch kein Konsens über die Zunahme dieser Phänomene in Deutschland, insbesondere für die kommenden Jahrzehnte. Enno Nilson, Klimaforscher an der Bundesanstalt für Gewässerkunde, etwa ist skeptisch, inwiefern kurzfristige und robuste Vorhersagen von Pegelhöchstständen für diesen Zeitraum derzeit schon möglich sind: "Extreme Hochwasser sind das Ergebnis mehrerer überlagerter, teilweise rein zufälliger Prozesse. Folglich sind derartige Prognosen mit einer großen Unsicherheit behaftet." Unabhängig davon, ob uns schwere Überschwemmungen in Zukunft öfter in Haus stehen werden oder nicht, habe man in Deutschland aber aus vergangenen Flutkatastrophen gelernt und investiere bereits in die Hochwasservorsorge, so Nilson. Tatsächlich kamen die zuständigen Institutionen des Bundes sowie der Länder nach den verheerenden Fluten im Elbe- und Donaugebiet im Jahr 2013 zusammen und erarbeiteten ein national koordiniertes Schutzprogramm.

Am Ende ist es eine Kosten-Nutzen-Rechnung: Wie viel Geld sind wir bereit für Deiche, Flutwände und andere Maßnahmen auszugeben, und welche selten auftretenden Extremwasserstände nehmen wir in Kauf? Andreas Schmidt, Leiter der Abteilung Wasserbau im Binnenbereich an der Bundesanstalt für Wasserbau, merkt dazu an, dass nicht nur die Behörden eine Rolle spielen beim Hochwasserrisikomanagement. Oft gebe es Widerstände in der Bevölkerung, wenn es darum geht, Flüssen Raum zu verschaffen, etwa indem man Deiche rückversetzt oder Überschwemmungsflächen schafft.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.