News: Steine im Sand
Die Fundstelle von Nabta wurde vor einigen Jahren von einem Team entdeckt, das unter Leitung des Anthropologieprofessors Fred Wendorf von der Southern Methodist University stand. Eine 1997 angefertigte Satellitenstudie von Malville, Wendorf, Ali A Mazar von der Egyptian Geological Survey and Mining Authority sowie Romauld Schild von der Polish Academy of Sciences bestätigte, daß eine der Megalithenreihen in Ost-West-Richtung orientiert war. (Nature vom 2. April 1998)
"Es handelt sich um die älteste dokumentierte astronomische Megalithenanordnung weltweit", erläuterte Malville. "Die Konstruktion dieser rein symbolischen und rituellen Stätte muß sehr viel Mühe gekostet haben." Die steinernen Platten, von denen einige 2,70 m hoch sind, wurden aus Entfernungen von 2 Kilometern und mehr herangeschleppt, sagte er.
Die Ruinen liegen an der Uferlinie eines früheren Sees, der vor ungefähr 11 000 Jahren (als sich der afrikanische Sommermonsun nach Norden verlagerte) begann, sich mit Wasser zu füllen. Er wurde bis vor etwa 4 800 Jahren von Nomaden genutzt, als der Monsun schließlich nach Südwesten zog und das Gebiet wieder "völlig trocken und unbewohnbar" wurde.
Fünf Reihen von Megalithen stehen strahlenförmig nach außen zeigend um eine zentrale Ansammlung von Megalithenstrukturen. Unterhalb einer dieser Strukturen befand sich ein behauener Fels, der einer aufrecht stehenden Kuh ähnelt, erklärte Malville. Das Team grub auch verschiedene, in Nabta bestattete Rinder aus, darunter ein ordentlich angeordnetes Skelett, das in einer überdachten, mit Lehm ausgekleideten Kammer beerdigt war.
Neolithische Hirten, die wahrscheinlich aus Zentralafrika stammten und vor etwa 10 000 Jahren begannen, nach Nabta zu ziehen, nutzten für ihre Rituale Rinder, genauso wie heute die afrikanischen Massai, sagte Malville. Menschliche Überreste wurden bis jetzt noch nicht in Nabta gefunden.
Der Steinkreis mit einem Durchmesser von 3,65 m enthält vier Gruppen aufrecht stehender Tafeln. Zwei Gruppen wurden in Nord-Süd-Richtung angeordnet, während das zweite Plattenpaar eine Sichtlinie auf den Punkt der Sommersonnenwende bietet.
Wegen Nabtas Nähe zum Wendekreis des Krebses ist die Mittagssonne etwa drei Wochen vor und drei Wochen nach der Sommersonnenwende im Zenit, wodurch aufrecht stehende Objekte keinen Schatten werfen. "Diese vertikalen Sichtsteine im Zentrum stimmen mit der Sonne im Zenit während der Sommersonnenwende überein", sagte Archäoastronom Malville. "Für viele tropischen Kulturen ist die im Zenit stehende Sonne schon seit Jahrtausenden ein wichtiges Ereignis."
Die Ost-West-Ausrichtung ist auch zwischen einer Megalithenstruktur und zwei rund 1,6 Kilometern entfernten steinernen Megalithen festzustellen. Es gibt ferner zwei weitere geometrische Linien, zu denen ungefähr ein Dutzend zusätzlicher Steinmonumente zählen, die sowohl in nordöstlicher, als auch in südöstlicher Richtung vom gleichen Megalithen wegführen. "Wir verstehen noch immer nicht die Bedeutung dieser Linien", bemerkte Malville.
Im Sommer und Herbst müßten die einzelnen steinernen Monolithen teilweise im See versunken gewesen sein. Sie dienten vielleicht als rituelle Anzeichen für die einsetzende Regenzeit. "Die Organisation dieser Objekte legt eine symbolische Geometrie nahe, die den Tod, das Wasser und die Sonne mit einschloß", sagte Malville.
Obwohl einige glauben, daß die "Hochkultur" nachfolgender ägyptischer Dynastien aus Mesopotamien und Syrien entlehnt wurde, denken Malville und andere, daß die komplexe und symbolische Nabta-Kultur das Wachstum jener Gesellschaft gefördert hat, die schließlich vor ungefähr 4 500 Jahren entlang des Nils die ersten Pyramiden baute. "Die Nabta-Kultur war vielleicht der Auslöser für die Entwicklung jener sozialen Komplexität in Ägypten, die später zur Dynastie der Pharaonen führte", erläuterte der Wissenschaftler.
Der Fundort enthält auch reichhaltige kulturelle Artefakte. Dazu gehören kleine Steine, die im Feuer altertümlicher Herde, wie sie entlang des ehemaligen Seeufers gebaut wurden, geschwärzt wurden, sowie manos und metates (steinerne Reibschalen und Mörser) nebst verzierten und dekorierten Straußeneiern.
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