Sternentstehung: Ein junger Doppelstern mit parallelen Gasstrahlen
Mit dem Teleskopverbund ALMA der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile und dem James Webb Space Telescope (JWST) wurde im Sternbild Schlangenträger ein ungewöhnliches, junges Doppelsternsystem beobachtet: Die beiden Sterne von WL20 sind von dichten Scheiben aus Gas und Staub umgeben und stoßen beide über die Pole jeweils zwei Gasstrahlen, so genannte Jets aus. Die Jets der Sterne breiten sich dabei parallel zueinander aus. WL20 befindet sich rund 400 Lichtjahre von uns entfernt, und die Entdeckung erfolgte rein zufällig. Zwar war WL20 als Objekt schon lange bekannt, aber der Stern schien deutlich jünger zu sein als der restliche Sternhaufen um Rho Ophiuchi, was nicht ins Bild passte. Um dem nachzugehen, untersuchte eine Gruppe um Mary Bersony vom kalifornischen Space Science Institute WL20 genauer. Eigentlich war eine Beobachtung gar nicht geplant, aber da noch Beobachtungszeit mit dem JWST zur Verfügung stand, wurde WL20 einmal auf Verdacht anvisiert.
Bei der nachfolgenden Analyse setzte das Team Archivdaten von ALMA ein und nutzte die neuen Messungen vom JWST. Die aus verschiedenen Spektralbereichen kombinierten Daten zeigten dann klar, dass der vermeintlich jüngere Stern in Wirklichkeit ein Doppelstern ist. Die Daten von ALMA enthüllten zudem, dass beide Komponenten von einer Akkretionsscheibe mit einem Durchmesser von jeweils etwa 100 Astronomischen Einheiten (100 AE, also dem 100-fachen Abstand von der Erde zur Sonne) umgeben sind. In den Daten vom JWST, die mit dessen Instrument MIRI aufgenommen worden waren, fanden sich dann klare Belege für Jets, die von beiden Sternen parallel zueinander ausgestoßen werden. Ein solches Verhalten wurde bislang noch nie beobachtet.
Das System von WL20 wirft ein Schlaglicht darauf, wie sich Doppelsterne entwickeln. Es ist gut vorstellbar, dass sich in den beiden Akkretionsscheiben einmal Planeten bilden können. Die hier gewonnenen Erkenntnisse können sich dann auch auf weitere Doppelsterne übertragen lassen.
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