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News: Stetes Nagen höhlt den Stein

Es sind nicht immer die Katastrophen, die den Anblick der Welt verändern. Das ständige Schmirgeln feiner Partikel in den Flüssen raubt Gebirgen viel mehr Substanz als eine gewaltige Hochwasserflut.
Gebirge – so mächtig und unantastbar sie erscheinen mögen – leben nicht ewig. Zwar wachsen manche von ihnen noch heute, die Alpen beispielsweise um eineinhalb bis zwei Millimeter pro Jahr, doch nagt der Zahn der Zeit in Form von Erosion heftig an ihnen. So heftig, dass irgendwann, wenn der Höhenschub aufhört, das ganze Gebilde wieder in Grund und Boden abgetragen wird.

Das geschieht natürlich nicht von heute auf morgen, viele Millionen Jahre vergehen darüber schon. Genau wie die Aufwärtsbewegung lässt sich der Niedergang aber trotzdem beobachten. Bisher schrieben Wissenschaftlern extremen Hochwasserereignissen, die mit kaum vorstellbarer Kraft riesige Brocken im Flussbett in Bewegung setzen, die Hauptarbeit beim Eingraben in den Untergrund zu. Doch sie haben sich wohl geirrt: Es ist die feine Partikelfracht, die den Gebirgen an die Substanz geht.

Karen Hartshorn von der University of Cambridge und ihre Kollegen verfolgten das einschneidende Geschehen im LiWu River im östlichen Zentralgebirge Taiwans. Im Sommer 2000 wütete Taifun Bilis im Einzugsgebiet des Flusses, das etwa so groß ist wie der Bodensee. Der Abfluss während des Sturms betrug das 65fache des normalen täglichen Durchschnitts, und aus anderen Daten errechneten die Forscher, dass wahrscheinlich 90 Prozent der jährlichen Sedimentabfuhr in diesen wenigen Tagen flussabwärts strömten. Der darauf folgende Winter – Trockenzeit in dieser Region – und anschließende Sommer und damit Regenzeit liefen hingegen ohne größere Stürme ab.

Millimetergenau vermaßen die Forscher, um wieviel sich der Fluss in dieser Zeit weiter eintiefte. Auf den ersten Blick scheint besonders der Hochwasserabfluss die Felsen – im oberen Abschnitt Quarzit, im weiteren Verlauf Schiefer – abzutragen: Während im ersten Zeitraum von Februar bis Dezember 2000 bis zu 82 Millimeter im Quarzit und 36 Millimeter im Schiefer an einzelnen Messstellen "den Bach runter gingen", waren es in den beiden folgenden Perioden zusammengenommen nur sechs beziehungsweise zwei Millimeter.

Ein Taifun wie Bilis tritt jedoch nicht jährlich auf, sondern etwa im Abstand von 20 Jahren. Rechnet man diese Wahrscheinlichkeit in die jährliche Abtragungsrate ein, dann können solche Hochwasserereignisse gerade noch mit der durchschnittlichen alltäglichen Erosion mithalten: Sie schmirgeln dann 5,5 Millimeter im Quarzit und 2,3 Millimeter pro Jahr im Schiefer ab.

Und dabei muss noch ein weiterer Punkt berücksichtigt werden. Hartshorn und ihre Kollegen stellten fest, dass die Erosionskraft der stürmischen Fluten im Gewässerbett oberhalb der normalen Wasserstandslinie angreift – in Regionen also, in denen normalerweise gar keine Abtragung stattfindet. Am Boden jedoch bleibt die Erosionskraft deutlich geringer – und trägt damit auch kaum zur Eintiefung bei.

Extreme Hochwasserabflüsse legen also nicht die Gewässersohle tiefer, sondern weiten eher das Bett zur Seite auf. Den ständig nagenden Zahn der Zeit bilden hingegen offensichtlich die winzigen Schwebstoffe und Sedimentkörnchen, die einem Sandstrahlgebläse gleich den Untergrund unermüdlich abschmirgeln.

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