Jahresrückblick: Stetig voran
Verheerende Naturkatastrophen, wenig Fortschritt beim Klima- und Artenschutz: Die Geowissenschaften machten im letzten Jahr vor allem wieder negative Schlagzeilen. Vielleicht helfen die Erkenntnisgewinne bei Erdbeben, Wirbelstürmen oder Vulkanen aber bald, zumindest den einen oder anderen Schicksalsschlag abzumildern.
2008 hat die Erwartungen der Klimatologen genau getroffen: Mit im Schnitt 14,3 Grad Celsius lagen die Temperaturen weltweit über dem langjährigen Mittel und bestätigten damit den nun schon seit einigen Jahren beobachteten Erwärmungstrend des Planeten. Sollte es bis Silvester nicht mehr zu einem gravierenden Temperatursturz kommen, dürfte 2008 das zehntwärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn werden. Dabei waren die letzten Monate im Gesamten die kühlsten seit der Jahrtausendwende – was die Wissenschaft allerdings prognostiziert hatte: Statt dem einheizenden El Niño regierte die kühle La Niña den Pazifik und senkte damit im globalen Maßstab die Temperaturen.
Kleine Atempause?
Ob dies aber auch eine Erholungsphase für das arktische Meereis einläutet, bleibt fraglich: Nach 2007 erreichte es dieses Jahr mit 4,5 Millionen Quadratkilometern den zweitniedrigsten Bedeckungsgrad seit Beginn der modernen Aufzeichnung durch Satelliten. Letztes Jahr waren es zwar nochmals 400 000 Quadratkilometer weniger, doch trotz der leichten Zunahme dürfe man nicht von einer Trendwende sprechen, da die Werte von Jahr zu Jahr schwankten, so Mark Serreze und sein Team vom National Snow and Ice Data Center der USA in Boulder. Sie machen ebenfalls La Niña dafür verantwortlich, doch dieser Kühleffekt soll 2009 nicht mehr wirken. Noch in den 1990er Jahren betrug die mittlere sommerliche Eisbedeckung rund um den Nordpol acht Millionen Quadratkilometer. Rekordverdächtig war die diesjährige Tauperiode dennoch, denn wohl zum ersten Mal seit Beginn der modernen Schifffahrt waren sowohl die Nordost- als auch die Nordwestpassage kurzzeitig eisfrei und damit durchgängig ohne Eisbrecher befahrbar.
Zudem könnte die Antarktis erst am Anfang ihres eigenen Klimawandels stehen, wie Rignot zu bedenken gibt. So wirken die ausgedehnten Schelfeisgebiete rund um den Kontinent noch wie ein Schutzschirm, der verhindert, dass relativ warme Luft vom Ozean auf das Festland strömt und dort die Gletscherschmelze antreibt. Diese Schilde zerfallen jedoch gegenwärtig stetig, weshalb sich bald wie in der Arktis positive Rückkopplungen auf dem Eis einstellen könnten. Gerade das Ausdünnen von Schelfeis in der Ostantarktis lässt die Glaziologen die Stirn runzeln: Aus dem bislang unauffälligen Gebiet könnte eine Quelle für den steigenden Meeresspiegel werden.
Stürmische Monate
Glimpflicher kamen diese Sturmsaison dagegen der Atlantik und die Karibik davon – auch wenn einige historische Rekorde fielen: Mit "Dolly", "Edouard", "Fay", "Gustav", "Hanna" und "Ike" tobten sich sechs Hurrikane hintereinander auf dem Festland aus, Kuba trafen gleich drei schwere Wirbelstürme, und mit "Fay" machte erstmals ein- und derselbe Zyklon gleich viermal Landfall in Florida, bevor er sich auflöste. Insgesamt 16 Stürme notierte die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) der USA, womit sich die Prognosen vor der Saison nahezu exakt bestätigten.
Eine Ansicht, der sich auch James Elsner von der Florida State University in Tallahassee anschließt: Weltweit traten in den letzten rund 25 Jahren zwischen 66 und 95 Wirbelstürme weltweit pro Saison auf, ohne dass die Wissenschaftler dabei einen signifikanten Trend nach oben notieren konnten. Auch der Median der Windgeschwindigkeiten blieb nahezu gleich und zeigte allenfalls einen leicht ansteigenden Zug: zwei Ergebnisse, die gegen einen Einfluss des globalen Klimawandels auf die Hurrikangenese sprechen, obwohl sich der Atlantik seit 1981 um etwa 0,7 und der Nordostpazifik um immerhin 0,33 Grad Celsius erwärmt haben.
Konzentration auf Gegenmaßnahmen
Generell verlagerte sich der Schwerpunkt der Klimawandelforschung letztes Jahr noch mehr weg von den Ursachen, die von der weit überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler am menschlichen Handeln festgemacht werden, hin zu den Folgen und vor allem auch möglichen Gegenmaßnahmen. Neben Energieeinsparungen und alternativen Methoden der Energiegewinnung richtet sich der Blick auch auf das Versenken von Kohlendioxid an sicheren Plätzen, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt – etwa in der Tiefsee, in vulkanischen Gesteinen oder in ausgedienten Erdöllagerstätten. In Deutschland startete unter anderem ein Projekt im brandenburgischen Ketzin, wo versuchsweise CO2 in mit Salzwasser gefüllten porösen Gesteinsschichten gepumpt wird. Bislang erfüllt CO2SINK die Erwartungen der beteiligten Wissenschaftler vom Potsdamer Geoforschungszentrum.
Eine der größten Veranstaltungen dieser Art beheimatete im Mai die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn, in der die Weltnaturschutzkonferenz tagte. Mehrere tausend Delegierte aus aller Herren Länder kamen allerdings zu eher bescheidenen Ergebnissen: Die Meere sollen besser geschützt und dabei soll vermehrt auf Wissenschaftler gehört werden. Biopiraterie – also die illegale Ausbeutung genetischer Ressourcen – wird schärfer geahndet, und Länder wie Deutschland und Norwegen wollen mehr Geld für den Waldschutz zur Verfügung stellen. Wenig tut sich dagegen im Kampf gegen illegalen Holzhandel oder bei der Aufstellung ökologisch korrekter Leitlinien, wenn es um Agrarkraftstoffe geht, die in vielen Fällen Natur und Klima mehr schaden als nutzen: Wird Agrardiesel etwa aus brasilianischem Soja von ehemaligem Regenwaldland gefertigt, fallen die entstehenden CO2-Emissionen sogar höher aus als bei herkömmlichem Diesel oder Benzin.
Dunkelrote Liste
Angesichts dieser Versäumnisse und Trends verwundert es nicht, dass die neue Rote Liste der bedrohten Tier- und Pflanzenarten weiterwuchs: Rund 17 000 Tier- und Pflanzenarten drängen sich mittlerweile auf ihr – von A wie Afrikanischer Elefant bis Z wie Zackenbarsch. Schwerpunktmäßig untersuchten die beteiligten Wissenschaftler dieses Jahr den Status der Säugetiere, von denen ein bedrückendes Viertel in den nächsten Jahren aussterben könnte.
Dennoch wuchs die Zahl der Berggorillas in den letzten Jahren – auch weil die Ranger sich massiv und unter Einsatz ihres Lebens für den Schutz einsetzen: ein kleiner Lichtblick in den Kriegswirren des Kongos. Gute Nachrichten gelangten auch aus dem Norden des Landes in die Öffentlichkeit: Vom Westlichen Flachlandgorilla scheint es jedenfalls noch deutlich mehr Tiere zu geben, als bislang bekannt war. Nach Zählungen und Hochrechnungen der New Yorker Wildlife Conservation Society leben allein im nördlichen Kongo rund 125 000 der Primaten – bisherige Schätzungen gingen von weit weniger Individuen im gesamten Verbreitungsgebiet der Art aus.
Schwere Beben und feurige Ausbrüche
Während die Menschheit auf Klimawandel und Artensterben zumindest bei Interesse einwirken könnte, stehen wir Erdbeben und Vulkanausbrüchen noch weit gehend machtlos gegenüber. Weiterhin existiert kein akkurates Warnsystem, das beispielsweise vor den schweren Erschütterungen in Sichuan im Mai hätte alarmieren können: Knapp 90 000 Menschen starben, als der Boden mit der Stärke 7,9 bebte und sich die tektonischen Spannungen lösten, die die Kollision der Indischen mit der Eurasischen Platte hier aufgebaut hatte. Zahlreiche Erdrutsche blockierten Flüsse, und Risse durchzogen schwer geschädigte Staudämme, so dass zahlreiche Orte evakuiert werden mussten, weil Fluten drohten.
Deutlich sanfter, aber spürbar wackelten im Oktober wiederum hier zu Lande einige Wände: Am 6. Oktober begann ein Erdbebenschwarm im Gebiet Vogtland/Böhmen, der einige Zeit andauerte, berichtete das GFZ. Die Beben waren auch in Bayern, Sachsen und Thüringen spürbar. Im Zeitraum einiger Tage bis mehrerer Wochen kam es zu Tausenden von schwachen Erdstößen, weil sich die Spannungen nicht in einem großen Einzelbeben, sondern in vielen kleinen Minibeben abbauten. Als Grund gaben die Geologen aufsteigende Gase an, die aus einem Magmenreservoir emporklettern, das in etwa 25 bis 35 Kilometer Tiefe unter dem Egerbecken vermutet wird.
Ein Ventil steuert wiederum die Aktivität des Soufrière Hills auf der karibischen Insel Montserrat – ein Mechanismus, den Derek Elsworths Team von der Penn State University in University Park 2008 erstmals bei einem Vulkan nachwiesen. Das Erwachen des Feuerbergs sorgte dafür, dass 1997 die alte Inselhauptstadt Plymouth aufgegeben werden musste. Der Vulkan besitzt zwei Magmenkammern und bricht immer aus, wenn die untere überläuft und ihren Überschuss in die obere exportiert. Hat sie sich entleert, geht die Klappe zwischen beiden wieder zu – und der Soufrière Hills pausiert. Wie dieses "Ventil" aussieht und funktioniert, entzieht sich noch der Kenntnis der Forscher, doch sie hoffen, dass das Pulsieren des Vulkans auch andere explosive Feuerberge wie den Pinatubo oder den Mount St. Helens steuert und sie vorhersagbarer macht.
Alte Klunker, ewig junge Dynamik
Die weitere Entwicklung des Lebens hing wohl auch stark von den Plattenbewegungen ab, denn diese ermöglichte vielleicht erst, dass sich vor etwa 2,6 Milliarden Jahren Sauerstoff in der Atmosphäre anreicherte. Ian Campbell und Charlotte Allen von der Australian National University in Canberra stießen auf zwei sehr auffällige Parallelen: Jedes Mal, wenn zwei oder mehrere Platten zusammenstießen, um einen neuen Kontinent zu bilden, entstanden stets überdurchschnittlich viele Zirkone. Und: Jede Kollision wurde von einem Sprung der Sauerstoffkonzentration in der Erdatmosphäre begleitet. Insgesamt sechs, vielleicht sieben derartige Ereignisse ließen demnach das O2 schrittweise von vernachlässigbar auf die heutigen 21 Prozent ansteigen.
Schlossen sich aber zu viele Bruchstücke zu einem Superkontinent zusammen, kam die Tektonik zum Stillstand, so Paul Silver vom Carnegie-Institut in Washington und Mark Behn von der Woods Hole Oceanographic Institution: Vereinigen sich große Platten zu einem Ganzen, verschwinden viele Subduktionszonen, die jedoch der Motor der Bewegung sind, weil sie die Krustenteile nach unten ziehen. Gondwana oder Pangäa blieben dadurch über Jahrmillionen ortstreu, und Gleiches könnte in 350 Millionen Jahren wieder eintreten: Dann prallt Nordamerika auf Eurasien.
Überhaupt soll die Erderwärmung bis 2015 eine gewisse Pause einlegen, meinten im letzten Mai Noel Keenlyside und seine Kollegen vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel. Der Grund: Die thermohaline Zirkulation im Nordatlantik dürfte sich aus natürlichen Gründen in den nächsten Jahren abschwächen, so dass weniger warmes Wasser aus den Tropen gen Nordeuropa und Nordpolarmeer transportiert wird. Dadurch kühlen sich Teile Europas, aber auch Nordamerikas und Asiens leicht ab, weil die Energiezufuhr aus Süden schwächelt. Ein ähnliches Phänomen hat sich auch während des letzten Jahrhunderts beobachten lassen, als die Temperaturen nach einem Anstieg vor dem Zweiten Weltkrieg ab den 1940er Jahren zwischenzeitlich wieder sanken. Nach dieser Unterbrechung setzt sich der Klimawandel jedoch wieder verstärkt fort. "Den generell nach oben weisenden Trend überlagert nur eine Art Schwingung, die in langen Zeitabständen wiederkehrt. In den nächsten Jahren führt sie zu einem geringeren Temperaturanstieg", meint Mojib Latif, der Leiter der Forschungsgruppe.
Kleine Atempause?
Ob dies aber auch eine Erholungsphase für das arktische Meereis einläutet, bleibt fraglich: Nach 2007 erreichte es dieses Jahr mit 4,5 Millionen Quadratkilometern den zweitniedrigsten Bedeckungsgrad seit Beginn der modernen Aufzeichnung durch Satelliten. Letztes Jahr waren es zwar nochmals 400 000 Quadratkilometer weniger, doch trotz der leichten Zunahme dürfe man nicht von einer Trendwende sprechen, da die Werte von Jahr zu Jahr schwankten, so Mark Serreze und sein Team vom National Snow and Ice Data Center der USA in Boulder. Sie machen ebenfalls La Niña dafür verantwortlich, doch dieser Kühleffekt soll 2009 nicht mehr wirken. Noch in den 1990er Jahren betrug die mittlere sommerliche Eisbedeckung rund um den Nordpol acht Millionen Quadratkilometer. Rekordverdächtig war die diesjährige Tauperiode dennoch, denn wohl zum ersten Mal seit Beginn der modernen Schifffahrt waren sowohl die Nordost- als auch die Nordwestpassage kurzzeitig eisfrei und damit durchgängig ohne Eisbrecher befahrbar.
Vielleicht ist das Klima in der Arktis auch schon irreversibel gekippt, wie James Hansen vom Goddard-Institut der NASA und seine Kollegen befürchten. Ihren Daten zufolge hat sich die atmosphärische Zirkulation über der Arktis zur Jahrtausendwende völlig verändert: Demnach verlagern sich nun die Luftdruckzentren im Winter systematisch nach Nordosten und führen dabei warme Luft Richtung Pol. Zugleich treibt diese Strömung auch warmes Wasser ins Nordpolarmeer, was das Eis schmelzen lässt und beispielsweise im letzten November das für die Jahreszeit eigentlich typische Gefrieren des Meeres behinderte. Es entsteht ein positiver Rückkopplungseffekt, denn das dunkle Wasser nimmt mehr Wärmeenergie auf, während das helle Eis viel Sonnenstrahlung reflektiert und damit kühlt. Je mehr Eis schwindet und je weniger davon im Winter nachgebildet wird, desto stärker fällt die Aufheizung aus.
Während in der Arktis der Klimawandel schon unübersehbare Spuren hinterlässt, sind die Signale aus der Antarktis weniger eindeutig. So belegte eine Studie von Eric Rignot von der University of California in Irvine und seinen Kollegen erstmals, dass auch in der Ostantarktis die Eismasse schwindet – hier sollten die Gletscher eigentlich noch an Masse zulegen, weil es mehr schneit. Insgesamt verlor das Gebiet um den Südpol allein 2006 (neuere Zahlen gibt es noch nicht) netto knapp 200 Milliarden Tonnen Eis – eine Steigerung um 75 Prozent während der letzten 14 Jahre.
Zudem könnte die Antarktis erst am Anfang ihres eigenen Klimawandels stehen, wie Rignot zu bedenken gibt. So wirken die ausgedehnten Schelfeisgebiete rund um den Kontinent noch wie ein Schutzschirm, der verhindert, dass relativ warme Luft vom Ozean auf das Festland strömt und dort die Gletscherschmelze antreibt. Diese Schilde zerfallen jedoch gegenwärtig stetig, weshalb sich bald wie in der Arktis positive Rückkopplungen auf dem Eis einstellen könnten. Gerade das Ausdünnen von Schelfeis in der Ostantarktis lässt die Glaziologen die Stirn runzeln: Aus dem bislang unauffälligen Gebiet könnte eine Quelle für den steigenden Meeresspiegel werden.
Stürmische Monate
Hauptursache für das Anwachsen der Ozeane bleibt allerdings vorerst noch die thermische Ausdehnung des Wassers, die in den letzten 40 Jahren um 50 Prozent stärker ausfiel als bislang geschätzt: Die seit 1961 aufgenommene Wärmeenergie sorgt dafür, dass die Ozeane um 22 Millimeter angestiegen sind statt – wie bislang gedacht – nur um rund 15 Millimeter. Dazu kommen weitere rund 20 Millimeter durch die Gletscherschmelze. Schon dieser geringe Anstieg bedeutet für tiefer liegende Küstenabschnitte vor allem während heftiger Stürme zusätzliche Gefahr, wie die Bewohner des Irrawaddy-Deltas in Myanmar Anfang Mai leidvoll erfahren mussten: Der Zyklon "Nargis" forderte damals rund 130 000 Opfer und verursachte Schäden in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro, als heftige Winde, sintflutartige Regenfälle und Sturmfluten den Landstrich verwüsteten.
Glimpflicher kamen diese Sturmsaison dagegen der Atlantik und die Karibik davon – auch wenn einige historische Rekorde fielen: Mit "Dolly", "Edouard", "Fay", "Gustav", "Hanna" und "Ike" tobten sich sechs Hurrikane hintereinander auf dem Festland aus, Kuba trafen gleich drei schwere Wirbelstürme, und mit "Fay" machte erstmals ein- und derselbe Zyklon gleich viermal Landfall in Florida, bevor er sich auflöste. Insgesamt 16 Stürme notierte die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) der USA, womit sich die Prognosen vor der Saison nahezu exakt bestätigten.
Heiß debattiert wurde allerdings auch dieses Jahr, ob und wie die Erderwärmung die Entstehung der Stürme beeinflusst. Thomas Knutson von der NOAA etwa simulierte mit einem Klimamodell, wie viele Zyklone denn zukünftig zu erwarten wären im aufgeheizten Treibhaus – mit überraschendem Ergebnis: Die Zahl tropischer Stürme sollte um 27 Prozent, die von Hurrikanen um 18 Prozent und die von schweren Hurrikanen immerhin noch um acht Prozent zurückgehen. Das widerspricht der verbreiteten Ansicht, mit der globalen Erwärmung mehre sich auch die Zahl der Wirbelstürme. Allerdings, so der Forscher, könnte deren Stärke weiter steigen.
Eine Ansicht, der sich auch James Elsner von der Florida State University in Tallahassee anschließt: Weltweit traten in den letzten rund 25 Jahren zwischen 66 und 95 Wirbelstürme weltweit pro Saison auf, ohne dass die Wissenschaftler dabei einen signifikanten Trend nach oben notieren konnten. Auch der Median der Windgeschwindigkeiten blieb nahezu gleich und zeigte allenfalls einen leicht ansteigenden Zug: zwei Ergebnisse, die gegen einen Einfluss des globalen Klimawandels auf die Hurrikangenese sprechen, obwohl sich der Atlantik seit 1981 um etwa 0,7 und der Nordostpazifik um immerhin 0,33 Grad Celsius erwärmt haben.
Die stärksten Winde, die in Wirbelstürmen der Kategorie 5 durchaus 300 Kilometer pro Stunde überschreiten können, bliesen jedoch während der beobachteten Periode immer kräftiger. Pro Jahr legten sie um etwa einen Kilometer pro Stunde zu – was nach wenig klingt, sich aber potenziert. Denn je höher die Windgeschwindigkeit ist, desto größer werden seine Kraft, die Windlast wie der Staudruck und damit das zerstörerische Potenzial des Orkans: Die Energie des Sturms beispielsweise steigt mit dritter Potenz. Ein Temperaturanstieg um ein Grad Celsius bewirkt demnach ein jährliches Plus von vier sehr starken Hurrikanen und Taifunen. Eine Entwicklung, die die Forscher in allen Wirbelsturmzentren bis auf den südlichen Pazifik beobachten konnten.
Konzentration auf Gegenmaßnahmen
Generell verlagerte sich der Schwerpunkt der Klimawandelforschung letztes Jahr noch mehr weg von den Ursachen, die von der weit überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler am menschlichen Handeln festgemacht werden, hin zu den Folgen und vor allem auch möglichen Gegenmaßnahmen. Neben Energieeinsparungen und alternativen Methoden der Energiegewinnung richtet sich der Blick auch auf das Versenken von Kohlendioxid an sicheren Plätzen, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt – etwa in der Tiefsee, in vulkanischen Gesteinen oder in ausgedienten Erdöllagerstätten. In Deutschland startete unter anderem ein Projekt im brandenburgischen Ketzin, wo versuchsweise CO2 in mit Salzwasser gefüllten porösen Gesteinsschichten gepumpt wird. Bislang erfüllt CO2SINK die Erwartungen der beteiligten Wissenschaftler vom Potsdamer Geoforschungszentrum.
Ebenfalls im Fokus steht der Schutz der Wälder – aus zweierlei Gründen: Boreale Nadelwälder und tropische Regenwälder gelten als Kohlenstoffsenken, die zumindest einen Teil unserer Emissionen aufnehmen und so unschädlich machen. Auf der anderen Seite verschwinden jährlich Tropenbäume auf einer Fläche der Größe Griechenlands, und die Brandrodung katapultiert Indonesien und Brasilien auf die Plätze 3 und 4 der Weltklimasünder – allein im brasilianischen Amazonasgebiet wandelten Farmer in der letzten Rodungsperiode knapp 12 000 Quadratkilometer Wald in Ackerland um. Ein Viertel bis ein Drittel des gesamten freigesetzten Kohlendioxids stammt aus diesem Raubbau. Auf verschiedenen Konferenzen zum Klima- und Naturschutz stritten die Nationen daher, in welchem Umfang waldreiche Länder dafür belohnt werden sollten, solche Ökosysteme nicht anzutasten.
Eine der größten Veranstaltungen dieser Art beheimatete im Mai die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn, in der die Weltnaturschutzkonferenz tagte. Mehrere tausend Delegierte aus aller Herren Länder kamen allerdings zu eher bescheidenen Ergebnissen: Die Meere sollen besser geschützt und dabei soll vermehrt auf Wissenschaftler gehört werden. Biopiraterie – also die illegale Ausbeutung genetischer Ressourcen – wird schärfer geahndet, und Länder wie Deutschland und Norwegen wollen mehr Geld für den Waldschutz zur Verfügung stellen. Wenig tut sich dagegen im Kampf gegen illegalen Holzhandel oder bei der Aufstellung ökologisch korrekter Leitlinien, wenn es um Agrarkraftstoffe geht, die in vielen Fällen Natur und Klima mehr schaden als nutzen: Wird Agrardiesel etwa aus brasilianischem Soja von ehemaligem Regenwaldland gefertigt, fallen die entstehenden CO2-Emissionen sogar höher aus als bei herkömmlichem Diesel oder Benzin.
In den Ozeanen weiten sich laut einer Studie von Robert Diaz vom Virginia Institute of Marine Science und Rutger Rosenberg von der Universität Göteborg die Todeszonen aus: Gebiete, die fast völlig frei von Sauerstoff sind und kaum mehr Leben beheimaten. Seit 1995 hat sich ihre Zahl um ein Drittel erhöht; an mindestens 405 Küstenabschnitten fiel der Sauerstoffgehalt unter einen kritischen Schwellenwert. Vor allem der massive Eintrag von Düngemitteln aus der Landwirtschaft verursacht dieses weltweit zu beobachtende Phänomen, und nur wenige Regionen können als Lichtblick gelten, weil sich dort die negative Entwicklung wieder umkehrte wie im Schwarzen Meer.
Dunkelrote Liste
Angesichts dieser Versäumnisse und Trends verwundert es nicht, dass die neue Rote Liste der bedrohten Tier- und Pflanzenarten weiterwuchs: Rund 17 000 Tier- und Pflanzenarten drängen sich mittlerweile auf ihr – von A wie Afrikanischer Elefant bis Z wie Zackenbarsch. Schwerpunktmäßig untersuchten die beteiligten Wissenschaftler dieses Jahr den Status der Säugetiere, von denen ein bedrückendes Viertel in den nächsten Jahren aussterben könnte.
Unter den Säugern scheinen die Primaten mit am stärksten betroffen zu sein – etwa die Schimpansen Westafrikas, die durch ihre "kulturellen" Leistungen wie Werkzeuggebrauch auf sich aufmerksam machten, aber wegen ihres Fleisches gejagt werden. Oder die Berggorillas, deren Heimat an den Virungavulkanen immer wieder vom Krieg im Ostkongo und dessen Folgen erschüttert wird: Rebellengruppen und kongolesische Armee nutzen die Bergwälder als Aufmarsch- und Kampfgebiet, eine Holzkohlemafia plündert den Park und schlägt aus der humanitären Katastrophe in den angrenzenden Flüchtlingslagern Kapital. Die Affen, aber auch die Wildhüter stören diese Geschäfte und geraten deshalb zwischen die mörderischen Fronten.
Dennoch wuchs die Zahl der Berggorillas in den letzten Jahren – auch weil die Ranger sich massiv und unter Einsatz ihres Lebens für den Schutz einsetzen: ein kleiner Lichtblick in den Kriegswirren des Kongos. Gute Nachrichten gelangten auch aus dem Norden des Landes in die Öffentlichkeit: Vom Westlichen Flachlandgorilla scheint es jedenfalls noch deutlich mehr Tiere zu geben, als bislang bekannt war. Nach Zählungen und Hochrechnungen der New Yorker Wildlife Conservation Society leben allein im nördlichen Kongo rund 125 000 der Primaten – bisherige Schätzungen gingen von weit weniger Individuen im gesamten Verbreitungsgebiet der Art aus.
Ein deutliches Zeichen, dass sich auch in der globalisierten Welt noch Unbekanntes in den Regenwäldern oder Tiefen des Meeres verbirgt. Forscher beschrieben letztes Jahr unter anderem zum ersten Mal das Graugesichtige Rüsselhündchen (Rhynchocyon udzungwensis), einen Affen aus der Gattung der Uakaris namens Cacajo ayresii, dutzende Frösche, Echsen und einige Vögel sowie eine riesige Palme auf Madagaskar (Tahina spectabilis), deren Erstexemplar sogar auf Google Earth zu sehen sein soll. Tradition besitzt zudem mittlerweile der jährliche Fortschrittsbericht des Marinezensus, der auch 2008 wieder reiche Beute einfuhr: Die Meeresforscher entdeckten im Dutzend neue Kraken, Fische, Garnelen, Algen, Seesterne und so weiter – und überraschten mit der Inventur der subantarktischen Orkneyinseln, die mehr Arten nachwies als auf den berühmten Galapagosinseln.
Schwere Beben und feurige Ausbrüche
Während die Menschheit auf Klimawandel und Artensterben zumindest bei Interesse einwirken könnte, stehen wir Erdbeben und Vulkanausbrüchen noch weit gehend machtlos gegenüber. Weiterhin existiert kein akkurates Warnsystem, das beispielsweise vor den schweren Erschütterungen in Sichuan im Mai hätte alarmieren können: Knapp 90 000 Menschen starben, als der Boden mit der Stärke 7,9 bebte und sich die tektonischen Spannungen lösten, die die Kollision der Indischen mit der Eurasischen Platte hier aufgebaut hatte. Zahlreiche Erdrutsche blockierten Flüsse, und Risse durchzogen schwer geschädigte Staudämme, so dass zahlreiche Orte evakuiert werden mussten, weil Fluten drohten.
Immerhin ging vor den Küsten Indonesiens im Indischen Ozean das erste Tsunami-Warnsystem der Region in den Probebetrieb – federführend entwickelt vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam: Eine Vielzahl neuer Mess- und Auswertungsverfahren sollen in Minutenschnelle die Lage und Stärke eines Bebens ermitteln und erkennen, ob mörderische Flutwellen drohen. Mehrere starke Erdbeben in der Region hat das System bereits innerhalb von gut zwei Minuten erfasst und deren Dimensionen bestimmt. In den nächsten zwei Jahren wollen die Techniker es nun optimieren – in der Hoffnung, dass sich die Katastrophe von Weihnachten 2004 nicht mehr wiederholt, als mehr als 230 000 Menschen in Südostasien durch von einem schweren Seebeben ausgelöste Tsunamis starben.
Deutlich sanfter, aber spürbar wackelten im Oktober wiederum hier zu Lande einige Wände: Am 6. Oktober begann ein Erdbebenschwarm im Gebiet Vogtland/Böhmen, der einige Zeit andauerte, berichtete das GFZ. Die Beben waren auch in Bayern, Sachsen und Thüringen spürbar. Im Zeitraum einiger Tage bis mehrerer Wochen kam es zu Tausenden von schwachen Erdstößen, weil sich die Spannungen nicht in einem großen Einzelbeben, sondern in vielen kleinen Minibeben abbauten. Als Grund gaben die Geologen aufsteigende Gase an, die aus einem Magmenreservoir emporklettern, das in etwa 25 bis 35 Kilometer Tiefe unter dem Egerbecken vermutet wird.
Etwas weiter als bei Erdbeben sind die Wissenschaftler mit der Vorhersage von Vulkanausbrüchen, die sich meist durch regelmäßige Beben, erhöhte Magmenaktivität oder Ascheausstoß ankündigen. Nichts davon trifft momentan auf den Vesuv zu, und das sorgt die Geologen, denn im Untergrund staut sich womöglich sehr viel Energie an, die explosionsartig freigesetzt werden könnte – so wie einst beim Untergang Pompejis. Der Feuerberg steht deshalb unter Dauerbeobachtung – unter anderem auch durch Bruno Scaillet vom französischen CNRS in Orléans. Bis zu vier Kilometer könnte sich laut seinen Analysen die Magmakammer in den knapp 400 Jahren zwischen den beiden letzten großen Eruptionen durch die Erdkruste nach oben bewegt haben – statt in 7 bis 8 Kilometern Tiefe liegt sie heute nur 3 bis 4 Kilometer unterhalb der Erdoberfläche.
Ein Ventil steuert wiederum die Aktivität des Soufrière Hills auf der karibischen Insel Montserrat – ein Mechanismus, den Derek Elsworths Team von der Penn State University in University Park 2008 erstmals bei einem Vulkan nachwiesen. Das Erwachen des Feuerbergs sorgte dafür, dass 1997 die alte Inselhauptstadt Plymouth aufgegeben werden musste. Der Vulkan besitzt zwei Magmenkammern und bricht immer aus, wenn die untere überläuft und ihren Überschuss in die obere exportiert. Hat sie sich entleert, geht die Klappe zwischen beiden wieder zu – und der Soufrière Hills pausiert. Wie dieses "Ventil" aussieht und funktioniert, entzieht sich noch der Kenntnis der Forscher, doch sie hoffen, dass das Pulsieren des Vulkans auch andere explosive Feuerberge wie den Pinatubo oder den Mount St. Helens steuert und sie vorhersagbarer macht.
Alte Klunker, ewig junge Dynamik
Beben und Vulkane hängen eng mit der Plattentektonik zusammen, die stetig das Antlitz der Erde verändert – und das womöglich schon deutlich länger als bislang vermutet: Schon im Hadaikum vor 4,2 Milliarden Jahren könnte sich feste Erdkruste angetrieben durch Kräfte des Erdinneren über unseren Planeten bewegt haben, meinen Michelle Hopkins und ihre Kollegen von der University of California in Los Angeles. Uralte Zirkone – ein sehr stabiles Mineral – dienten ihnen wie auch Alexander Nemchin von der Curtin University of Technology in Bentley als Tippgeber. Der Australier entdeckte in ihnen Diamanteinschlüsse und wertete deren Kohlenstoffsignatur als Zeichen ersten Lebens. Bestätigten sich beide Ergebnisse, müssten einige Erdkapitel um mehrere hundert Millionen Jahre nach vorne datiert werden.
Die weitere Entwicklung des Lebens hing wohl auch stark von den Plattenbewegungen ab, denn diese ermöglichte vielleicht erst, dass sich vor etwa 2,6 Milliarden Jahren Sauerstoff in der Atmosphäre anreicherte. Ian Campbell und Charlotte Allen von der Australian National University in Canberra stießen auf zwei sehr auffällige Parallelen: Jedes Mal, wenn zwei oder mehrere Platten zusammenstießen, um einen neuen Kontinent zu bilden, entstanden stets überdurchschnittlich viele Zirkone. Und: Jede Kollision wurde von einem Sprung der Sauerstoffkonzentration in der Erdatmosphäre begleitet. Insgesamt sechs, vielleicht sieben derartige Ereignisse ließen demnach das O2 schrittweise von vernachlässigbar auf die heutigen 21 Prozent ansteigen.
Schlossen sich aber zu viele Bruchstücke zu einem Superkontinent zusammen, kam die Tektonik zum Stillstand, so Paul Silver vom Carnegie-Institut in Washington und Mark Behn von der Woods Hole Oceanographic Institution: Vereinigen sich große Platten zu einem Ganzen, verschwinden viele Subduktionszonen, die jedoch der Motor der Bewegung sind, weil sie die Krustenteile nach unten ziehen. Gondwana oder Pangäa blieben dadurch über Jahrmillionen ortstreu, und Gleiches könnte in 350 Millionen Jahren wieder eintreten: Dann prallt Nordamerika auf Eurasien.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben