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News: Stichlingsweibchen sehen rot

Gehüllt in ein leuchtend rotes Hochzeitskleid versucht das Stichlingsmännchen, eine Gemahlin anzulocken. Und durchaus mit Erfolg, denn die wählerischen Weibchen haben je nach den herrschenden Lichtverhältnissen im Gewässer sogar ein spezielles Sehvermögen entwickelt, um die herausgeputzten Männchen gebührend in Augenschein zu nehmen. Dieses komplexe Zusammenspiel zwischen den beiden Geschlechtern und den jeweiligen Umweltbedingungen trägt vermutlich auch zur Artbildung bei.
Bereits Charles Darwin zerbrach sich den Kopf darüber, wie die zahlreichen verschiedenen Arten auf unserem Globus entstanden sind. Als treibende Kraft des Evolutionsgeschehens betrachtete er die "natürliche Selektion", der zufolge einige Individuen innerhalb einer Population besser an die herrschenden Umweltbedingungen angepasst sind und damit erfolgreicher für Nachwuchs sorgen können.

Doch der englische Naturforscher grübelte auch, warum sich Merkmale wie farbenprächtige Federkleider oder eindrucksvolle Konzertgesänge bei Vögeln herausgebildet haben, mit denen die Tiere ja auch die Aufmerksamkeit von Feinden auf sich ziehen. Als "sexuelle Selektion" bezeichnete er den Mechanismus, bei dem die kritischen Weibchen die prächtigsten Männchen zur Fortpflanzung auswählen. Diese Auslese des Geschlechtspartners spielt neben der Artbildung eine zentrale Rolle im Evolutionsgeschehen.

Aber wie interagieren diese beiden Prozesse miteinander? Kann die sexuelle Selektion eventuell die Artbildung vorantreiben, indem sie männliche Paarungssignale und weibliche Präferenzen jeweils aufeinander abstimmt und so im Laufe der Zeit die "Kluft" zwischen nahe verwandten Organismen derartig vergrößert, dass sie keine lebensfähigen Nachkommen mehr zeugen können? Eine denkbare Möglichkeit wäre eine Veränderung im Wahrnehmungssystem der Weibchen, die zunächst unabhängig von der Partnerwahl entsteht, aber dennoch einen Einfluss auf sie ausübt. Werbungssignale der Männchen sind schließlich nur dann auffällig, wenn sie von den Weibchen unter gegebenen Umweltbedingungen entsprechend registriert werden.

Um hinsichtlich dieser Zusammenhänge nicht mehr völlig im Trüben zu fischen, wählte Janette Boughman von der University of British Columbia als Untersuchungsobjekt sechs Populationen des Dreistachligen Stichlings (Gasterosteus aculeatus) in vier Seen aus, wobei die Gewässer jeweils unterschiedliche Lichtverhältnisse aufwiesen. Diese Fischart eignet sich aufgrund der zur Paarungszeit kräftig rot gefärbten Kehle, Brust und Bauchseite der Männchen besonders gut für Untersuchungen zur sexuellen Auslese. Wie sich herausstellte, leuchtete das Hochzeitskleid der Männchen in Lebensräumen mit wenig rotem Licht viel intensiver.

Zusätzlich untersuchte die Forscherin die Empfindlichkeit von weiblichen Stichlingen auf Licht verschiedener Wellenlängen. Und siehe da, Weibchen, die in trübem Wasser mit wenig Rotlichtanteil leben, reagieren sensibler auf rotes Licht. Demnach sind die roten Signale der Männchen hervorragend auf das Wahrnehmungsvermögen der weiblichen Stichlinge abgestimmt. Genau diesen Zusammenhang zwischen Licht, Färbung und Sehvermögen hatte die Wissenschaftlerin auch vorhergesagt.

Unklar bleibt jedoch, was Ursache und was Wirkung war. Das auffällige Hochzeitskleid der Männchen könnte sich einerseits als Antwort auf die Wahrnehmungsfähigkeit der Weibchen herauskristallisiert haben. Oder umgekehrt könnten die Weibchen ihr Sehspektrum an die bereits ausgeprägte Färbung der Partner angepasst haben. Denkbar ist jedoch auch, dass sich Paarungssignal und Sehvermögen unabhängig voneinander aufgrund der herrschenden Lichtverhältnisse entwickelt haben.

Doch kann nun die Veränderung von männlichen Eigenschaften und weiblichen Vorlieben die Fortpflanzung eng verwandter Stichlinge verhindern und so zur Artbildung beitragen? Ja, lautet die Antwort der Forscherin, denn Stichlingsweibchen, die besonders empfindlich gegenüber rot sind, bevorzugen innerhalb der Population sogar Partner mit einem stärker leuchtenden Signal. Und auch bei Angehörigen verschiedener Lebensgemeinschaften entscheidet die Rotfärbung über gemeinsamen Nachwuchs: Je mehr das Hochzeitskleid des Männchens den Ansprüchen des Weibchens genügt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich paaren.

  • Quellen
Nature 411: 900–901 (2001)
Nature 411: 944–946 (2001)

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