Sexualität: Stiefbrüder ändern nichts
Der Zeitgeist ist wie immer schon zwei Stationen weiter und etikettiert längst an der frisch entdeckten Metrosexualität herum - und dabei findet sich ernstes Faktenwissen selbst über die gute alte Homosexualität noch recht spärlich. Mehr und mehr aber schälen sich biologische Hintergründe des Schwulseins aus der Schmuddelecke.
Warum Schwule schwul und Lesbierinnen lesbisch sind, darauf haben Neugierige in Jahrhunderten schon fast alle Antworten gegeben – und meist haben die Neugierigen dabei mehr über sich und eigene Motive enthüllt als über die Sache an sich. Im 21. Jahrhundert sollten wir da endlich einen Schritt weiter sein: Wenn Wissenschaftler sich heutzutage dem homoerotischen Thema beruflich nähern, dann müssen sie höchstens mit fachlicher Skepsis an ihren Enthüllungen rechnen. Die allerdings ist auch heute noch nötig.
Viele Augenbrauen hoben sich bei der Fachwelt etwa angesichts der statistisch immer häufiger bestätigten Beobachtung, dass homosexuelle Männer häufiger ältere Brüder in der Familie haben. Der Zusammenhang selbst ist wohl mittlerweile kaum noch wegzudiskutieren – nur, was bedeutet er? Hier geraten sich antwortende Forscher in die Wolle. Ist, ein lange nahe liegender Gedanke, vielleicht das Verhältnis zwischen dominantem Ältereren und als traditionellen Frontmann chancenlosem Nesthäkchen Ursache für eine Umorientierung in einer die Sexualität prägenden Phase?
Oder sind nicht soziales, interfamiliäres Umfeld und Erziehung entscheidend, sondern, Standardantwort Zwei, "die Gene"? Und natürlich findet auch das Amalgam dieser Lösungsvorschläge Anhänger: Manifestiert sich eine erbliche Veranlagung, also eine pränatale Ursache, vielleicht nur unter bestimmten umfeldabhängigen Voraussetzungen – also mit Hilfe postnataler Ursachen? Anthony Bogaert von der kanadischen Brock-Universität stürzte sich auf Suche nach neuen Belegen für die eine oder andere Antwort ins Getümmel. Bogaert ist übrigens kein Neuling im Feld – er war es, der vor rund zehn Jahren mit seinem Kollegen Ray Blanchard erstmals Daten über den Zusammenhang zwischen älteren Brüdern und der Sexualität ihrer jüngeren Geschwister veröffentlicht hatte.
Nun gewann der Sexualforscher 994 homo- und heterosexuelle Männer aus Kanada für eine neue Studie. Die Teilnehmer lieferten Informationen über ihre sexuelle Orientierung sowie die Anzahl der männlichen Geschwister im Haushalt, in dem sie aufgewachsen waren – wobei, der Clou des Ganzen, die Teilnehmer auch angaben, ob es sich bei den Mitzöglingen um biologische Brüder oder um adoptierte beziehungsweise Stiefgeschwister gehandelt hatte. Auch die Dauer der gemeinsam verbrachten Kindheit der Geschwister ging in das Datenmaterial ein.
Aus den gesammelten Informationen destillierte Bogaert nun Resultate, die zu einem Gesamtbild vereint an Deutlichkeit nicht viel zu wünschen übrig lassen. Zum ersten korreliert statistisch nur die Anzahl der älteren biologischen Brüder mit einer erklärten Homosexualität von Studienteilnehmern – wie viele ältere Stief- oder per Adoption in die Familie gekommene Brüder sie hatten, war irrelevant. Auch die Zahl der gemeinsam in der Familie verbrachten Jahre mit den älteren Brüdern spielte keine Rolle – egal ob früh ausgezogen oder gemeinsamer ewiger Nesthocker mit dem Studienteilnehmer, ausschlaggebend war nur, ob die Geschwister von der selben Mutter geboren worden waren oder nicht: Waren sie es, so waren die jüngeren männlichen Nachzügler später häufiger schwul. Und je mehr ältere biologische Brüder sie hatten, desto höher war diese Wahrscheinlichkeit.
Fall abgeschlossen, meint Bogaert und könnte Recht haben – schließlich war er zwar einer der ersten, die ältere Bruder als Förderer der Homosexualität ausmachten, ist aber längst nicht mehr der einzige, der in pränatalen Effekten die zu Grunde liegende Ursache sieht. Die tatsächlichen Mechanismen bleiben allerdings auch weiter Spekulation. Eine der glaubhafteren ist die Hypothese des maternalen Geburtsgedächtnisses. Im Zentrum steht die Überlegung, der Körper der Mutter registriere jede Schwangerschaft mit einem männlichen Embryo und reagiere auf jede spätere immer stärker mit einem noch rätselhaften Eingriff – der sich dann irgendwie auf die spätere sexuelle Orientierung des Jungen im Mutterleib auswirkt.
Häufig wird dabei über eine mögliche Immunreaktion der Mutter auf männlichen Nachwuchs diskutiert – dann mit Antikörper-Attacken gegen Antigene des Y-Chromosoms, welches dem weiblichen Körper fremd erscheinen muss. Später Homosexuelle, so scheint es jedenfalls, müssen also nicht von Geburt an um ihre Sicht der Dinge kämpfen – sondern schon davor.
Viele Augenbrauen hoben sich bei der Fachwelt etwa angesichts der statistisch immer häufiger bestätigten Beobachtung, dass homosexuelle Männer häufiger ältere Brüder in der Familie haben. Der Zusammenhang selbst ist wohl mittlerweile kaum noch wegzudiskutieren – nur, was bedeutet er? Hier geraten sich antwortende Forscher in die Wolle. Ist, ein lange nahe liegender Gedanke, vielleicht das Verhältnis zwischen dominantem Ältereren und als traditionellen Frontmann chancenlosem Nesthäkchen Ursache für eine Umorientierung in einer die Sexualität prägenden Phase?
Oder sind nicht soziales, interfamiliäres Umfeld und Erziehung entscheidend, sondern, Standardantwort Zwei, "die Gene"? Und natürlich findet auch das Amalgam dieser Lösungsvorschläge Anhänger: Manifestiert sich eine erbliche Veranlagung, also eine pränatale Ursache, vielleicht nur unter bestimmten umfeldabhängigen Voraussetzungen – also mit Hilfe postnataler Ursachen? Anthony Bogaert von der kanadischen Brock-Universität stürzte sich auf Suche nach neuen Belegen für die eine oder andere Antwort ins Getümmel. Bogaert ist übrigens kein Neuling im Feld – er war es, der vor rund zehn Jahren mit seinem Kollegen Ray Blanchard erstmals Daten über den Zusammenhang zwischen älteren Brüdern und der Sexualität ihrer jüngeren Geschwister veröffentlicht hatte.
Nun gewann der Sexualforscher 994 homo- und heterosexuelle Männer aus Kanada für eine neue Studie. Die Teilnehmer lieferten Informationen über ihre sexuelle Orientierung sowie die Anzahl der männlichen Geschwister im Haushalt, in dem sie aufgewachsen waren – wobei, der Clou des Ganzen, die Teilnehmer auch angaben, ob es sich bei den Mitzöglingen um biologische Brüder oder um adoptierte beziehungsweise Stiefgeschwister gehandelt hatte. Auch die Dauer der gemeinsam verbrachten Kindheit der Geschwister ging in das Datenmaterial ein.
Aus den gesammelten Informationen destillierte Bogaert nun Resultate, die zu einem Gesamtbild vereint an Deutlichkeit nicht viel zu wünschen übrig lassen. Zum ersten korreliert statistisch nur die Anzahl der älteren biologischen Brüder mit einer erklärten Homosexualität von Studienteilnehmern – wie viele ältere Stief- oder per Adoption in die Familie gekommene Brüder sie hatten, war irrelevant. Auch die Zahl der gemeinsam in der Familie verbrachten Jahre mit den älteren Brüdern spielte keine Rolle – egal ob früh ausgezogen oder gemeinsamer ewiger Nesthocker mit dem Studienteilnehmer, ausschlaggebend war nur, ob die Geschwister von der selben Mutter geboren worden waren oder nicht: Waren sie es, so waren die jüngeren männlichen Nachzügler später häufiger schwul. Und je mehr ältere biologische Brüder sie hatten, desto höher war diese Wahrscheinlichkeit.
Fall abgeschlossen, meint Bogaert und könnte Recht haben – schließlich war er zwar einer der ersten, die ältere Bruder als Förderer der Homosexualität ausmachten, ist aber längst nicht mehr der einzige, der in pränatalen Effekten die zu Grunde liegende Ursache sieht. Die tatsächlichen Mechanismen bleiben allerdings auch weiter Spekulation. Eine der glaubhafteren ist die Hypothese des maternalen Geburtsgedächtnisses. Im Zentrum steht die Überlegung, der Körper der Mutter registriere jede Schwangerschaft mit einem männlichen Embryo und reagiere auf jede spätere immer stärker mit einem noch rätselhaften Eingriff – der sich dann irgendwie auf die spätere sexuelle Orientierung des Jungen im Mutterleib auswirkt.
Häufig wird dabei über eine mögliche Immunreaktion der Mutter auf männlichen Nachwuchs diskutiert – dann mit Antikörper-Attacken gegen Antigene des Y-Chromosoms, welches dem weiblichen Körper fremd erscheinen muss. Später Homosexuelle, so scheint es jedenfalls, müssen also nicht von Geburt an um ihre Sicht der Dinge kämpfen – sondern schon davor.
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