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Atemwegsinfekte: STIKO empfiehlt RSV-Immunisierung für alle Säuglinge

Unabhängig vom Risikoprofil sollen alle Kinder im ersten Lebensjahr den Antikörper Nirsevimab erhalten. Die Kommission begründet das mit der Schwere der Erkrankung.
Ein Säugling wird geimpft
In den ersten Lebensmonaten ist die Gefahr einer schweren Infektion mit dem respiratorischen Synzytialvirus (RSV) am größten. Daher empfiehlt die STIKO, alle Säuglinge zu immunisieren.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt, alle Kinder in den ersten Lebensmonaten mit dem Wirkstoff Nirsevimab gegen das respiratorische Synzytialvirus (RSV) zu immunisieren. Die Kommission begründet ihre Empfehlung damit, dass das Virus sehr viele Kinder ernsthaft krank macht und es so immer wieder zu Engpässen in der medizinischen Versorgung komme. Kinder sollten die Immunisierung bestenfalls erhalten, bevor sie ihre erste RSV-Welle erleben, die etwa von Oktober bis März dauert, schreiben die Fachleute in einer heute veröffentlichten Mitteilung zu dem Beschluss. Kinder, die in der RSV-Saison geboren werden, sollten demnach den Wirkstoff so schnell wie möglich erhalten. Nirsevimab, im Handel unter dem Namen Beyfortus, ist ein monoklonaler Antikörper, der eine etwa sechs Monate andauernde passive Immunisierung gegen RSV vermittelt.

Das respiratorische Synzytialvirus ist eine sehr ansteckende Atemwegsinfektion, die in den meisten Fällen problemlos wieder verschwindet. Bei Kindern unter zwei Jahren verursacht das Virus jedoch häufiger ernste Infekte der unteren Atemwege, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Laut STIKO landen jährlich 10 000 bis 20 000 Kinder unter einem Jahr wegen RSV im Krankenhaus. Bisher empfahl die STIKO lediglich Kindern mit bekannten Risikofaktoren eine Immunisierung mit dem Antikörper Palivizumab, die allerdings monatlich wiederholt werden muss. Die neue Empfehlung umfasst nun ausnahmslos alle Kinder, unabhängig von Risikofaktoren. Der Grund dafür sei, erklärt Julia Tabatabai, Ärztin am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikum Heidelberg und Mitglied der STIKO, dass zwar Kinder mit Risikofaktoren überproportional oft im Krankenhaus landeten; sonst gesunde Kinder aber dennoch 80 Prozent der stationären Behandlungen ausmachten. »Und damit sind sie mengenmäßig einfach der größere Anteil der Kinder, die wir in den Kinderkliniken sehen und behandeln.«

»Bei den meisten Kindern verläuft RSV unkompliziert«, erklärt auch Johannes Liese, Leiter der pädiatrischen Infektiologie und Immunologie an der Kinderklinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg. »Aber dann gibt es eben zehn Prozent aller Kinder, die eine Infektion der unteren Atemwege entwickeln, und von denen werden etwa zwei Prozent hospitalisiert.« Da sich nahezu jedes Kind in den ersten zwei Lebensjahren mit RSV infiziere, sei das Virus die häufigste Ursache für Bronchitis und Lungenentzündung bei Kleinkindern. Daten aus Frankreich, Spanien und den USA zeigten, dass die Immunisierung die Krankenhauseinweisungen um etwa drei Viertel verringert habe. »Dort hat sich auch das gute Sicherheitsprofil aus den Zulassungsstudien bestätigt«, sagt Liese. Das sei ein ganz wichtiger Punkt.

Vorgesehen ist die Immunisierung nur im ersten Jahr, weil in den ersten Lebensmonaten die Gefahr einer schweren Infektion am höchsten ist. Für ältere Kinder dagegen ist RSV sehr viel weniger gefährlich. »Wir schieben die Erkrankung praktisch aus der vulnerablem Phase hinaus in einen Zeitraum, in dem das Kind besser mit der Erkrankung zurechtkommt«, erklärt Liese. Dagegen, einen der 2023 in der EU zugelassenen Impfstoffe zu empfehlen, sprechen aus Sicht der Fachleute derzeit zwei Gründe. Eine solche Impfung brauche eine Weile, um voll zu wirken, erklärt Liese. »Wir wollen den Schutz aber gleich nach der Geburt, weil das Risiko in den ersten zwei Lebensmonaten noch mal höher ist als in Lebensmonat drei bis sechs.« Außerdem hatte die STIKO geprüft, die Impfung von Schwangeren zu empfehlen, weil die Antikörper auf das ungeborene Kind übergehen und einen Nestschutz bieten. Die Evidenz reiche dafür aber nicht aus, erklärt Tabatabai von der STIKO. Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft gegen RSV geimpft wurden, brauchen jedoch keine Immunisierung mehr – sie sind ausreichend geschützt.

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