Besiedlung Amerikas: Stillende Mütter eroberten Amerika
Die frühen amerikanischen Ureinwohner konnten ihre Kinder vielleicht effizienter stillen, vermuten Forscher nach DNA-Untersuchungen von Zähnen, die in unterschiedlichen archäologischen Fundstellen in Nordamerika geborgen wurden. Sie stießen dabei überall auf eine besondere Variante des Gens EDAR, die offenkundig notwendig war, damit die ersten Siedler den Weg von Sibirien nach Amerika mit Kind und Kegel schaffen konnten – inklusive der notwendigen generationenlangen Zwischenstopps im unwirtlichen Beringia und Alaska in der zu Ende gehenden Eiszeit. Die ursprünglich asiatische EDAR-Variante der Uramerikaner könnte das Gedeihen von Babys trotz Kälte und Dunkelheit und die Versorgung mit Brustmilch und Vitamin D sichergestellt haben, vermutet Leslea Hlusko von der University of California in Berkeley in »PNAS«.
Die typischen Variante des Gens EDAR extrahierten die Forscher aus den charakteristisch schaufelblattförmigen Schneidezähnen, die bei weniger als der Hälfte aller Nordostasiaten und nahezu bei allen amerikanischen Ureinwohnern vorhanden ist. Genhistorikern zufolge ist die eigentümliche EDAR-Genvariante V370A vor rund 30 000 Jahren in Süd- oder Mittelostasien entstanden. Sie geht mit der typischen Zahnform und einer dicken, glatten Haarstruktur einher; man hatte bislang aber vermutet, dass sie unter anderem in heißem Klima Vorteile verschafft, weil sie für eine höheren Zahl von Schweißdrüsen sorgt.
Dies kann allerdings nicht erklären, warum die amerikanischen Ureinwanderer und später alle Amerikaner vor der Ankunft der Europäer mit Kolumbus nur diese Variante tragen, wunderten sich Hlusko und ihre Kolleginnen. Sie stießen auf frühere Untersuchungen an Mäusen, die gezeigt hatten, dass bei Nagern Menge und Durchmesser der Milchkanäle in der Brust deutlich erhöht ist. Hluskos Team spekuliert nun, dass die stillenden Mütter von Maus und Mensch mit EDAR-V370A größere Mengen von Milch in kürzerer Zeit für ihre Säuglinge produzieren können.
Das wäre für Kleinkinder besonders wichtig, die von Vitamin-D-Mangel bedroht sind – wie etwa jene Kinder, die vor 28 000 and 18 000 Jahren im dunklen nördlichen Beringia als Zwischenstation bei der Einwanderung des Menschen nach Amerika leben mussten. Unser Körper bildet Vitamin D unter dem Einfluss von UV-Strahlen bei Sonnenschein, was im dunklen Norden oft nicht ausreicht. Erwachsene decken ihren Bedarf durch vitaminreiches Fleisch und Fett, gestillte Kinder aber sind auf einen hohen Gehalt von Vitamin D in der Brustmilch angewiesen. Womöglich haben im hohen Norden Amerikas daher Kinder deutlich häufiger überlebt, die von effizient stillenden Müttern mit der Genvariante EDAR-V370A besser mit Muttermilch versorgt wurden.
Das auffällige Monopol der weltweit sonst kaum vertretenen Variante sei daher eine Kombination aus den besonderen Anforderungen und Umständen der Besiedlung Amerikas: Sie schufen einen langen Flaschenhals für die genetische Ausstattung der Pioniere, der sich dann im Genpool späterer Generationen deutlich niederschlug. Bisher bleibt die Interpretation der Forscher allerdings reine Spekulation – ein experimenteller Nachweis für einen Einfluss der Variante EDAR-V370A auf das Stillen von Menschen fehlt. Zudem ist unklar, warum auch spätere Einwanderer nach Amerika, die lange nach den ersten Pionieren unter weniger ungünstigen Bedingungen und schneller aus Asien nachkamen, offenbar den Genpool nicht wieder verändert haben.
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