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Tschernobyl: Strahlung trifft bunte Vögel härter

Rauchschwalbe
Vögel mit einem erhöhten Anteil an gelben, roten oder orangen Federn im Gefieder sowie Fernzieher und Arten, die große Eier legen, werden durch radioaktive Strahlung offensichtlich stärker gesundheitlich gefährdet als andere Vogelspezies. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Anders Møller von der Universität Pierre et Marie Curie in Paris und Timothy Mousseau von der Universität von South Carolina in Columbia.

Rauchschwalben aus Tschernobyl | Rauchschwalben, die rund um den havarierten Kernreaktor von Tschernobyl leben, leiden überdurchschnittlich oft an Missbildungen wie verkümmerten Schwanzfedern (Bilder h und i) oder deformierten Schnäbeln (e,f) als Artgenossen aus unbelasteten Gebieten (a). Gleichzeitig treten bei ihnen häufiger weiße Flecken im Gefieder auf, wo schiefergraue oder rote Töne vorherrschen sollten.
Die beiden Ornithologen hatten knapp 1600 Vögel aus 57 Arten untersucht, die in den Wäldern rund um den havarierten Kernreaktor von Tschernobyl lebten. Farbenprächtige Arten wie Pirol oder Blaumeise mit hohem Gelbanteil im Federkleid litten dabei stärker unter der freigesetzten Strahlung als eher unscheinbar gefärbte Baumpiper, Tannenmeisen oder Buchfinken, in deren Gefieder Braun- oder Grautöne dominieren.

Ähnliche Unterschiede entdeckten die Forscher zudem bei Fernziehern – darunter Wachteln, Wiedehopfen und Rotkehlchen – verglichen mit verschiedenen Meisenarten oder der Singdrossel, die ganzjährig vor Ort bleiben und deren Bruterfolg wie jener der unscheinbaren Vögel in verstrahlten Arealen besser ausfiel. In unbelasteten Vergleichszonen konnten die Forscher diesen Effekt nicht feststellen.

Verwilderte Städte | Nach der Evakuierung rund um den Reaktor verwilderten die Städte und Dörfer der Region wieder.
Verantwortlich für diese Schwierigkeiten ist womöglich die unterschiedliche Versorgung der Tiere mit Karotinoiden: Diese Farbpigmente verantworten zum einen gelbe, orange und rote Feder- oder Schnabelpartien und wirken gleichzeitig als Antioxidantien im Immunsystem der Vögel. Einen erhöhten Verbrauch an Karotinoiden haben auch Zugvögel, die weite Strecken zurücklegen müssen, sowie Spezies, die relativ große Eier legen – sie konzentrieren die Pigmente im Dotter. Dadurch schwächen diese Gruppen aber ihre eigene Gesundheit, denn ihnen bleiben weniger antioxidativ wirkende Substanzen im Blut, um so genannte freie Radikale zu neutralisieren. Diese können durch radioaktive Strahlung entstehen und sind besonders reaktionsfreudig. Dadurch schädigen sie Zellen oder das Erbgut, was letztlich Krebs auslösen kann und allgemein den Körper stresst.

Wildpferde | In dem von Menschen verlassenen Gebiet entwickelte sich eine artenreiche Wildnis, in der heute wieder Wölfe, Luchse und Adler trotz der radioaktiven Belastung leben. Auch verwilderte Pferde sind dort anzutreffen. Zumindest bei Vögeln zeigt sich aber eine gesundheitliche Belastung durch die immer noch radioaktive Strahlung.
Gestützt wird diese These durch eine frühere Studie der beiden Wissenschaftler, die bei Rauchschwalben rund um den Unglücksreaktor eine gehäufte Zahl an körperlichen Missbildungen und Gefiederverfärbungen feststellte. Gleichzeitig lebten diese Tiere deutlich kürzer als Artgenossen aus nicht kontaminierten Regionen.

Allerdings scheinen zumindest manche Vogelspezies besonders verstrahlte Zonen Tschernobyls als Nistplätze zu meiden: Kohlmeisen und Trauerschnäpper bevorzugten laut einer dritten Arbeit überwiegend Nistkästen in weniger belasteten Arealen, in denen sie zudem erfolgreicher im Brutgeschäft waren. (dl)

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