Problemlösen: Weshalb alles immer komplizierter wird
Wenn Menschen Dinge verbessern wollen, fügen sie bevorzugt Dinge hinzu – selbst wenn es effektiver wäre, Komponenten des Systems zu entfernen. Tatsächlich sähen viele Personen letztere Möglichkeit nicht einmal, berichtet eine Arbeitsgruppe um Leidy Klotz von der University of Virginia in der Zeitschrift »Nature«. Zu diesem Schluss kommt das Team anhand von acht Experimenten, in denen die Versuchspersonen einen Aufbau durch Hinzufügen oder Entfernen von Bestandteilen verbessern sollten. Dabei waren die Aufbauten so gestaltet, dass Entfernen in der einen oder anderen Weise günstiger war – entweder weil zusätzliche Teile Geld kosteten, das von der Belohnung für die erfüllte Aufgabe abgezogen wurde, oder weil Hinzufügen die deutlich aufwändigere Lösung war. Dennoch überwogen in allen Versuchsaufbauten die »additiven« Vorschläge.
Dahinter steckte allerdings keine bewusste Entscheidung, berichtet das Team um Klotz – anscheinend übersahen die Versuchspersonen die »subtraktiven« Vorschläge schlicht. Denn wenn die Arbeitsgruppe die Versuchsaufbauten so präsentierte, dass Dinge wegzunehmen explizit oder implizit als Option im Raum stand, nutzte in allen Versuchen ein deutlich größerer Anteil diese Variante. Warum das so ist, ist noch offen; ebenso, ob diese Tendenz global ist oder nur für die Herkunftsländer der untersuchten Personen – die USA, Japan und Deutschland – gilt.
Das Team geht jedenfalls davon aus, dass diese einseitige Art des Problemlösens sich einerseits zwar bewährt hat – andererseits aber viel dazu beiträgt, unseren Alltag immer komplexer zu machen. »Es ist gut möglich, dass mit der Strategie, auf eine additive Suche zurückzufallen, ihren Nutzern im Alltag gut geholfen ist«, schreibt das Team in der Veröffentlichung. Die Tendenz, subtraktive Lösungen zu übersehen, trage aber mutmaßlich zu einer Reihe negativer Trends bei. Dazu gehörten immer dichtere Terminpläne und wachsende Bürokratie in Unternehmen und Behörden.
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