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Ernährung: Streit um die Bohne

Ob Soja im Essen gesund oder gefährlich ist, daran scheiden sich die Geister in der Bevölkerung. Wohl zu recht: Wissenschaftler sagen klar, dass die Datenlage nicht eindeutig ist.
Hellgrüne Sojabohnen vor weißem Hintergrund
Glaubt man den Botschaften der Werbeindustrie und ihren reißerischen Überschriften, ist "Soja – die tolle Bohne!", die uns "länger gesund mit pflanzlichen Hormonen!" hält. Dank der wunderbaren, gesunderhaltenden Wirkung der "Zauberbohne" können wir Knochenschwund, Brustkrebs und Wechseljahresbeschwerden ade sagen! Die Werbebranche scheint das jedoch nicht frei erfunden zu haben, profitiert doch die ostasiatische Bevölkerung von den günstigen Eigenschaften der Hülsenfrucht: Sie lebt im Durchschnitt länger als die westliche Zivilisation und leidet seltener an Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Was aber sagt die Wissenschaft zum gesundheitsfördernden Einfluss der Bohne?

Die Antwort: Kommt drauf an. Denn Sojaprodukt ist nicht gleich Sojaprodukt. Die Inhaltsstoffe sind entscheidend. Die Bohne an sich enthält beispielsweise überdurchschnittlich große Mengen an Kalium, Eisen, an hochwertigen Eiweißen und Fetten – obendrein ist sie noch cholesterinfrei. Wie alle Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte ist auch Soja reich an Ballaststoffen und Oligosacchariden. Außerdem ist sie eine gute Quelle für Folsäure und B-Vitamine sowie für die Mineralstoffe Phosphor, Mangan und Magnesium. Unterschiedliche Herstellungsverfahren und Verarbeitungsmethoden beeinflussen jedoch den Nährstoffgehalt der Sojalebensmittel, so dass dieser in den einzelnen Erzeugnissen stark variiert.

Soja ist nicht gleich Soja

Ein Blick auf das Warenregal zeigt wie vielseitig die Produktpalette und dementsprechend auch die Inhaltstoffe sind: Es gibt Sojalebensmittel und Sojapräparate, Sojakapseln oder Sojaeiweiß, Sojanahrungsmittel und schließlich die ganze Sojabohne. Neben Sojanahrungs- und -genussmitteln zum Essen, darunter Tofu, Sojamilch und Sojaschokolade, gibt es auch Nahrungsergänzungsmittel. Diese enthalten nur bestimmte Nährstoffe oder pharmakologisch wirksame Pflanzenstoffe der Hülsenfrucht in konzentrierter Form und werden häufig zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden und zur Unterstützung des Stoffwechsels angeboten. So unterschiedlich die Produkte und ihre Inhaltstoffe sind, so verschieden wirken sie sich auch auf den Organismus aus. Wie ist in der Regel noch fraglich.

Produktpalette der Sojalebensmittel | Die Inhaltsstoffe der zahlreichen Sojaerzeugnisse variieren zum Teil sehr stark, weshalb sich allgemein gültige Aussagen nur sehr schwer treffen lassen.
In der Vergangenheit hat es bereits zahlreiche Studien zu einzelnen Inhaltsstoffen von Soja gegeben. Eine besondere Rolle nahmen dabei die so genannten Isoflavone ein. Sie kommen reichlich in der Bohne vor und können unter anderem ähnlich wie die körpereigenen Östrogene – die wichtigsten weiblichen Sexualhormone – wirken. Darum werden sie auch als Phytoöstrogene bezeichnet. Der gesundheitsfördernde Einfluss der Hülsenfrucht wurde häufig diesen Pflanzenstoffen zugeschrieben. Konnte die Wissenschaft diese Hoffnung bestätigen?

Unklare Beweislage

Studien, die die Wirkung von Soja-Isoflavonen am Menschen untersucht haben, lassen sich nur schwer vergleichen. Häufig unterschieden sich die verabreichten Isoflavonmengen, ihre Einnahmedauer und die
"Es gibt bislang keine Beweise dafür, dass eingenommene Phytoöstrogene das Brustkrebsrisiko reduzieren"
(Saffron Whitehead)
Hormonquelle – die Bandbreite reichte von isolierten Isoflavonen und Sojaproteinen über Sojaextrakte bis hin zu Sojanahrungsmitteln. Hinzu kommt die oft übersehene Weisheit: Jeder Mensch hat einen individuellen Stoffwechsel.

Der Beweis, dass Soja in Nahrungsmitteln vor Brustkrebs schützt und Wechseljahresbeschwerden lindert, wurde nicht erbracht. Saffron Whitehead, Professorin für endokrine Physiologie an der St. George's University of London, betont, dass es bislang keine Beweise dafür gebe, dass große Mengen an eingenommenen Phytoöstrogenen das Brustkrebsrisiko reduzierten. "Die Pflanzenstoffe könnten auch lediglich eine gesunde Ernährung und Lebensstil anzeigen", erklärt die Physiologin mit Blick auf viele Studien. Zusätzlich scheinen Sojaprodukte auch nicht effektiv gegen Osteoporose, Diabetes oder Krebs im Allgemeinen zu wirken.

Wissenschaftlich erwiesen ist der gesundheitsfördernde Effekt von Soja nur in einem Fall: Sojaprotein kann den Cholesterinspiegel im Blut senken. Welche Pflanzenstoffe im Eiweiß die cholesterinsenkende Wirkung hervorrufen und auf welche Weise dies geschieht, ist noch unbekannt. "Zusammengenommen sind die Forschungsergebnisse widersprüchlich oder reichen nicht aus, um mögliche Nutzen der Sojainhaltsstoffe zu bewerten", folgert Chao Wu Xiao von der kanadischen Gesundheitsbehörde.

Soja – "Feind" der Spermien

Aus aktueller Sicht der Wissenschaft vollbringt die "Zauberbohne" also keine medizinischen Wunder. Aber wie sieht es denn umgekehrt mit möglichen nachteiligen Effekten der Hülsenfrucht aus? Gibt es Umstände, wie eine Krebserkrankung oder Schwangerschaft, unter denen sich Soja im Essen nachteilig auswirken kann?

In Internetforen und Blogs häufen sich beängstigende Geschichten über die gesundheitlichen Folgen von sojareicher Ernährung. Die Hülsenfrucht wird beispielsweise als "Feind der Spermien" bezeichnet und für zahlreiche Erkrankungen verantwortlich gemacht: Für Wachstumsstörungen bei Kindern, für Schilddrüsenprobleme und Schilddrüsenkrebs, Sprach- und Gedächtnisstörungen oder Zysten in der Gebärmutter sowie für einen gestörten Menstruationszyklus und Mineralhaushalt, um nur einige der vermeintlichen Risiken zu nennen. Soja bringe den Hormonhaushalt aus dem Gleichgewicht und vor allem Vegetarier und Veganer, die sich sojareich ernährten, drohe die Gefahr, unfruchtbar zu werden oder unfruchtbare Kinder zu zeugen. Brustkrebspatientinnen dürften keinesfalls Sojanahrungsmittel zu sich nehmen, sonst verschlimmere sich der Krebs. Sind diese Sorgen überhaupt begründet?


Soja als Gesundheitsrisiko? | Über mögliche schädliche Wirkungen von Soja im Essen ist sich die Forschung bislang uneinig.
Welchen Einfluss Sojanahrungsmittel auf den Hormonhaushalt des Menschen haben und ob sie sich schädlich auf die Gesundheit auswirken können, ist zurzeit noch ungewiss, denn auch hier sind die Forschungsergebnisse unzureichend oder widersprüchlich. Nach Ansicht des Ernährungswissenschaftlers Mark Messina von der Loma Linda University beeinflusse Soja im Essen den Hormonhaushalt nicht. "Diese Sorgen sind übertrieben" winkt Messina ab, denn die meisten Befürchtungen beruhten auf Ergebnissen aus Tierversuchen, bei denen die Wirkung von isolierten Isoflavonen und nicht von Sojanahrungsmitteln untersucht wurde. Es sei weiterhin noch unklar, ob sich diese Forschungsergebnisse beim Menschen bestätigten und pauschal auf den Menschen übertragbar seien.

"Die Sorgen sind übertrieben"
(Mark Messina)
Zudem ist es durchaus fraglich, ob die Menge an Isoflavonen, die wir durch Sojanahrungsmittel zu uns nehmen, überhaupt ausreicht, um in den Stoffwechsel einzugreifen. Die meisten Studien hätten gezeigt, dass relativ große Mengen im Blut notwendig sind, um eine Wirkung im Körper hervorzurufen, sagt auch Whitehead: "Jedenfalls höhere Konzentrationen als durch Sojaernährung erreicht werden dürften".

Keine amtlichen Empfehlungen

Letztendlich fehlen also aussagekräftige Daten, um mögliche Risiken einer sojareichen Ernährung fundiert zu beurteilen. Folglich gibt es für Sojanahrungsmittel auch keine amtlichen Empfehlungen. Anders sieht es bei den Nahrungsergänzungsmitteln aus, die hoch konzentrierte Phytoöstrogene aus Soja enthalten. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wies im Jahr 2007 darauf hin, dass die längerfristige Einnahme solcher Nahrungsergänzungsmittel gegen Wechseljahresbeschwerden nicht ohne Risiko sei. "Wichtig ist es, zwischen isolierten Isoflavonen in Nahrungsergänzungsmitteln und Isoflavonen in ihrer natürlichen Form in Sojanahrungsmitteln zu unterscheiden", sagt Miriam Ewald vom BfR.

Abgesehen von Pillen bereitet aber manchmal auch Soja im Essen den Medizinern Sorgen: Das Protein der Hülsenfrucht kann bei Neugeborenen allergische Reaktionen auslösen.
"Wichtig ist es, zwischen isolierten Isoflavonen und solchen in Sojanahrungsmitteln zu unterscheiden"
(Miriam Ewald)
Deshalb sollten Säuglinge nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen und nach ärztlicher Empfehlung regelmäßig Nahrung aus Sojaeiweiß bekommen, empfiehlt die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Auch Sojagetränke sind laut BfR nicht für Neugeborene geeignet, da sie nicht speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind.

Da Soja ebenfalls ein Kreuzallergen für Birkenpollenallergiker enthält, sollten Betroffene dem BfR zufolge auf bestimmte Sojanahrungsmittel verzichten. Gewisse Herstellungsverfahren, wie das Fermentieren oder Erhitzen des Sojas zerstören das Allergen. Birkenpollenallergiker können also getrost Sojasoße, Miso und geröstete Sojabohnen verzehren – nicht aber Tofu, Sojadrinks, Riegel und Sojaflocken, wo das Allergen noch intakt sein könnte.

Auch wenn sich über den Nutzen kaum eine deutliche Aussage treffen lässt, sollte die Bohne keine Gefahr darstellen – sofern man nicht Säugling oder Allergiker ist und auf Pillen sowie auf übermäßig viele Sojanahrungsmittel verzichtet. Und wer ganz auf Nummer sicher gehen will, dem kann geholfen werden: Seit November 2005 müssen alle Lebensmittel, denen Soja zugesetzt wurde, gekennzeichnet werden. Auf diese Weise entgehen Allergiker auch dem versteckten Sojaeiweiß, das als Zusatz in verschiedenen Produkten, etwa in Brot und Backwaren, in Suppen, Soßen und Getränken oder in Diabetikernahrung zu finden ist.

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