Gravitationskonstante: Streit um die dritte Nachkommastelle
Auf den ersten Blick sieht es nicht wie eine spannende Debatte aus: Ist die Gravitationskonstante G gleich 6,674215 mal 10-11 Newtonquadratmeter pro Quadratsekunde oder doch eher gleich 6,67559 mal 10-11? Für Physiker geht es bei der Frage allerdings um eines ihrer Heiligtümer: Die Gravitationskonstante legt fest, wie groß die Schwerkraft zwischen zwei Körpern ist. Sie benötigt man, um etwa die Masse der Erde oder der Sonne genau zu berechnen. Das Problem: Nur im Experiment kann man G bestimmen. Bei den Messungen kommen die Physiker jedoch seit Längerem zu unterschiedlichen Ergebnissen – kein befriedigender Befund für eine vermeintliche Naturkonstante, die der Engländer Henry Cavendish erstmals 1798 grob bestimmen konnte.
Nun hat ein Forscherteam des Internationalen Büros für Maß und Gewicht (IBMG) in Sèvres bei Paris eine neue Messung durchgeführt. Die Wissenschaftler hatten bereits den zweiten der eingangs erwähnten Werte festgelegt – im Jahr 2001. Nun kommen die Forscher auf den Wert 6,67545 mal 10-11, schreibt das Team um Terry Quinn. Damit liegt man allerdings noch immer 0,0013 über einer 2010 veröffentlichten Referenzmessung zweier amerikanischer Physiker.
Dabei hatten sich die IBMG-Forscher viel Mühe gegeben, jegliche Fehlerquellen auszuschließen. Zum einen haben sie große Teile ihres alten Versuchsaufbaus erneuert: Vier 1,2 Kilogramm schwere Zylinder aus kupferhaltigem Tellurium paltzierten sie um eine Vakuumkammer. Darin hängt eine knapp 30 Zentimeter messende Drehscheibe an einem 16 Zentimeter langen, hauchdünnen Faden. Auf der Drehscheibe stehen symmetrisch verteilt vier 1,2 Kilogramm schwere Testmassen. Werden die vier Testmassen auf der Drehscheibe relativ zu den vier Zylindern außerhalb des Vakuums verschoben, rotiert die Scheibe im Schwerefeld der Zylinder hin und her – zwei Minuten dauert dabei eine Schwingungsperiode.
G konnten die Forscher mit diesem Aufbau auf zwei Arten bestimmen: Wie schon Cavendish vor über 200 Jahren nutzten sie Spiegel, die senkrecht auf der Drehscheibe montiert werden – mit dem Licht eines sogenannten Autokollimator konnten die Forscher so sehr präzise die Drehbewegung der Scheibe verfolgen und daraus G berechnen. Für die andere Methode montierten sie Elektroden an jeder der Massen. Von außen erzeugten sie genau jene elektrostatische Kraft, bei der das Wippen der Scheibe ausbleibt. So konnten die Forscher das Drehmoment der Scheibe und darüber die Gravitationskonstante bestimmen.
Die Schwierigkeit bei der genauen Messung von G ist, dass die Schwerkraft mit Abstand die schwächste der vier bekannten Grundkräfte ist. Gleichzeitig reicht sie aber unendlich weit – weshalb man Präzisionsexperimente wie das von Quinn mit großer Sorgfalt planen muss. Die Schwerkraft jeder Masse in der Nähe müsse berücksichtigt werden, schreiben die Autoren – und selbst dann könne es noch zu Abweichungen kommen.
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