Arteriosklerose: Stress und Bakterien gleich Herzinfarkt?
Chronischer Stress gilt als einer der grundlegenden Faktoren, warum es zu Herzinfarkten kommt: Zumindest deuten erhöhte Werte des Stresshormons Cortisol in den Haaren von Herzinfarktpatienten darauf hin, dass diese in den Wochen vor der Attacke unter erhöhter Anspannung standen. Wie dies letztlich zum Verschluss der Herzkranzgefäße führt, war bislang jedoch ungeklärt. Nun legen Bakteriologen um David Davies von der Binghamton University in New York einen potenziellen Erklärungsansatz vor: Demnach besteht ein enger Zusammenhang zwischen Stresshormonen, einem bakteriellen Biofilm auf Gefäßablagerungen und dem Infarkt.
Vorläufer des Herzinfarkts ist meist eine chronische Entzündung der Arterien, in deren Verlauf sich so genannte Plaques entwickeln: Ablagerungen, die unter anderem aus Blutfetten, Blutzellen und Kalzium bestehen, weswegen man auch gerne von Arterienverkalkung spricht. Diese Plaques bilden einen optimalen Nährboden für Bakterien, die sich darauf ansiedeln und schließlich einen dichten Biofilm bilden. Insgesamt wiesen die Forscher in den Arterien von 15 Herzpatienten jeweils mindestens zehn unterschiedliche Bakterienarten nach – darunter auch den berüchtigten Biofilmproduzenten Pseudomonas aeruginosa, der zu den häufigsten Krankenhauskeimen zählt und bereits gegen verschiedene Antibiotika resistent ist.
Wenn die Plaques aufbrechen
Stresshormone wie Cortisol oder Noradrenalin können diese kompakten und normalerweise sehr stabilen Biofilme jedoch aufbrechen, wie ein Laborversuch gezeigt hat: Davies und Co setzten die Bakterienrasen im Labor den entsprechenden Stresshormonen aus und beobachteten, wie sie dadurch zerfielen. Im Körper könne dies dafür sorgen, dass die Plaques dadurch ebenfalls "zerbrechlich" werden, sich ablösen und den gefährlichen Gefäßverschluss herbeiführen, so Davies, der auch den potenziellen Ablauf im Körper beschreibt. Die Stresshormone veranlassen demnach den Organismus, vermehrt Eisen ins Blut abzugeben. Dieses regt wiederum in den Bakterien die Produktion bestimmter Enzyme an, die letztlich die Verbindungen zwischen den Bakterien im Biofilm sowie zwischen den Mikroben und den Plaques auftrennen: Die Enzyme verdauen zudem regelrecht das Gewebe, das den Inhalt der Plaques zusammenhält. Diese werden plötzlich dem Blutstrom ausgesetzt und reißen dadurch auseinander.
Die in der Petrischale eingesetzten Noradrenalinkonzentrationen lagen allerdings über jenen, die normalerweise selbst unter Stress durchschnittlich im menschlichen Körper auftreten. Es könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass im Umfeld der entzündeten Gefäßabschnitte prinzipiell höhere Stresshormonwerte aufträten, was den Ablauf plausibel mache, meinte dazu Primrose Freestone von der University of Leicester gegenüber "Scientific American". "Unsere Hypothese passt jedoch zur Beobachtung, dass Herzinfarkte oft auf Ereignisse folgen, in denen große Mengen an Stresshormonen ins Blut ausgeschüttet werden – etwa bei plötzlichen Gefühlsaufwallungen, starken Strapazen oder körperlicher Überlastung", so Davies. Zudem sei es nach seinem Kenntnisstand der erste direkte Nachweis eines Biofilms in einer Arterienplaque. Im nächsten Schritt will sein Team im Versuch mit Mäusen überprüfen, ob Stress dort ebenfalls Biofilme aufbricht.
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