Eltern-Kind-Interaktion: Stress zu verheimlichen ist kontraproduktiv
»Alles wird gut!« Mit Beschwichtigungen und demonstrativ guter Laune versuchen manche Eltern, ihren Kindern die Angst vor belastenden Situationen zu nehmen. Dass dies kontraproduktiv sein kann und bei den Kindern womöglich zu mehr Stress und emotionaler Distanz führt, geht nun aus einer aktuellen Studie von Psychologen der Washington State University in Vancouver hervor.
Sara Waters und ihr Team haben dazu 107 Eltern und ihre sieben bis zehn Jahre alten Kinder ins Labor gebeten. Zunächst klärten sie, welche Themen in jedem der Eltern-Kind-Duos gerade für Streit sorgten. Dann mussten Mutter oder Vater allein mit den Forschern mitgehen. In einem Versuchsraum wurden sie durch Standardverfahren – etwa ein fingiertes Vorstellungsgespräch – in Stress versetzt. Derart vorbelastet ging es anschließend wieder zurück zum Gespräch mit dem eigenen Kind, just über das zuvor als strittig identifizierte Thema. Die eine Hälfte der Eltern sollte dabei ihre negativen Gefühle verbergen, die andere sich normal verhalten.
Messungen des Hautwiderstands und Analysen des Verhaltens durch unabhängige Beobachter offenbarten, dass im Schnitt nur Mütter, die ihren Stress verheimlichten, diesen auf das Kind übertrugen. Das sei sowohl physiologisch messbar als auch im Verhalten erkennbar gewesen, schreiben die Forscher im Fachmagazin »Journal of Family Psychology«. Interagierten die Kinder mit ihrem Vater, blieb hingegen eine physiologisch messbare Stressreaktion unter beiden Bedingungen aus.
Verheimlichte der Elternteil seine Gefühle, litt darunter die Qualität der Interaktion. »Einfach nur ›Mir geht es gut‹ zu sagen, macht Sie weniger zugänglich für Ihr Kind«, sagt Waters in einer Pressemitteilung. »Wir haben herausgefunden, dass die Kinder das erspürten und wieder zurückgaben, was zu einer selbsterfüllenden Dynamik führt.«
In einer Ausnahmesituation wie der Coronakrise empfehlen die Psychologen, die Kinder und ihre Gefühle ernst zu nehmen. Man solle nicht versuchen, sofort für das Problem der Kinder eine Lösung anzubieten oder es kleinzureden, sagt Waters.
Umgekehrt sollten sich Eltern jedoch nicht durch Studien wie diese unter Druck gesetzt fühlen, sagt die Psychologin. Es gehe nicht darum, dass Eltern etwas verkehrt machen, »aber geben Sie sich die Erlaubnis zu fühlen, das öffnet den Geist und hilft, Probleme zu lösen«.
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