Direkt zum Inhalt

Vulkane: Der Stromboli - eine tickende Bombe

Der Stromboli in den Äolischen Inseln gehört zu den aktivsten Vulkanen Europas. Doch die eigentliche Gefahr lauert in seinen Hängen.
Stromboli

Im November 1343 verwüsteten hohe Wellen den Hafen von Neapel: Hunderte Menschen starben laut dem zeitgenössischen Schriftsteller Francesco Petrarca aus der süditalienischen Metropole. Was die Fluten auslöste, ist unklar. Doch legt eine neue Studie in »Scientific Reports« durch Mauro Rosi und sein Team nahe, dass die Ursache rund 200 Kilometer südlich der Stadt gelegen haben könnte: am Vulkan Stromboli. Der rund 950 Meter steil über dem Mittelmeer aufragende Feuerberg gehört zu den aktivsten Vulkanen weltweit. Er erlebt mehrmals täglich kleinere oder größere Eruptionen, bei denen Lavafetzen, Schlacken und Aschen ausgestoßen werden. Gewaltigere Ausbrüche sind dagegen selten, weil der Stromboli regelmäßig seinen Schlot »frei hustet« und sich keine größeren Magmamengen in seinem Inneren ansammeln können. Diese Aktivität ist so typisch, dass sie als strombolische Aktivität für ähnliche Feuerberge weltweit bezeichnet wird.

Abgesehen von den seltenen großen Eruptionen ist das Leben auf dem Vulkan und den Nachbarinseln aber noch von einer weiteren drohenden Gefahr überschattet, wie die Geowissenschaftler zeigen. Immer wieder rutschen Teile der steilen Flanken des Stromboli ins Meer – und lösen meterhohe Tsunamis aus. Ein Ereignis im 14. Jahrhundert könnte nicht nur Neapel getroffen haben, sondern führte wohl auch dazu, dass die Insel zeitweise völlig unbewohnt war. Rossi und Co stießen bei geologischen Ausgrabungen 170 bis 250 Meter von der heutigen Strandlinie entfernt schon einen Meter unter der Erdoberfläche auf Material, das dort eigentlich nicht hingehört: eine deutlich erkennbare Schicht aus Kieseln und schwarzem Sand. Das ist typisch für den Strand, sollte aber nicht so weit landeinwärts vorkommen.

Insgesamt drei solcher Lagen entdeckten die Forscher bislang. Sie vermuten, dass Tsunamis das Material hierhergespült haben. Eine Radiokarbondatierung deutet darauf hin, dass drei größere Tsunamis die Insel zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert getroffen haben. Historische Aufzeichnungen aus der Region gaben jedoch keine Hinweise auf Erdbeben; dagegen zeigen geologische Daten, dass um 1350 (im Rahmen der Messgenauigkeit) ein Hang des Stromboli kollabiert sein dürfte: die so genannte Sciara del Fuoco (Feuerrutsche). Sie befindet sich auf der Nordwestseite der Insel und wird so bezeichnet, weil größeres Auswurfmaterial des Stromboli hier ins Meer rollt und gleitet.

Archäologische Grabungen weisen ebenfalls darauf hin, dass das Ereignis 1343 (beziehungsweise um 1350) schwere Schäden auf der Insel hinterlassen hat. Als der Nordwesthang des Vulkans ins Meer rauschte, verursachte dies nicht nur Tsunamis, sondern ließ auch das Eiland selbst erzittern. Die Erschütterungen sorgten unter anderem dafür, dass das Dach einer Kirche im Ort Stromboli einstürzte. In diesem Schutt wurden nach der Katastrophe dann offensichtlich drei Menschen in hastig geschaufelten Gräbern beerdigt (Anordnung der Skelette und Schichtung im Umfeld der Gräber sprechen dafür, dass hier gezielt begraben wurde und es sich nicht einfach um verschüttete Opfer des Einsturzes handelte). Danach verließen die meisten oder alle Überlebenden Stromboli. Erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts kehrten Menschen wieder dauerhaft hierher zurück, so die Autoren.

Rosi möchte bald noch tiefer in den Ablagerungen graben, um womöglich weitere Spuren früherer Tsunamis zu finden. Daraus ließe sich dann eventuell ableiten, wie häufig derartige Ereignisse in früheren Zeiten waren. Für Süditalien – vor allem Neapel und die Amalfi-Küste – bedeuten die Funde allerdings, dass das Tsunamirisiko hier höher sein könnte als bislang gedacht. Neben dem Ereignis im Jahr 1343 verwüstete ein Tsunami am 5. Dezember 1456 weite Teile der süditalienischen Küsten. An jenem Tag erschütterte das vielleicht stärkste bekannte Erdbeben mit einer Stärke von 7 Italien. Dennoch nehmen die Geowissenschaftler an, dass nicht dieser Schlag die Tsunamis direkt auslöste, sondern ebenfalls ein Flankenkollaps am Stromboli. Nicht ausgeschlossen werden könne dabei, dass das Erdbeben auf dem Festland einen Vulkanausbruch am Stromboli ausgelöst hat – in dessen Folge dann der Hang abrutschte und auch noch Flutwellen durchs Mittelmeer jagten.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.