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News: Suchen und zerstören

Mit dem Aufspüren und Vernichten bösartig veränderten Gewebes ist unser Immunsystem offenbar zuweilen überfordert. Vielleicht springen in Zukunft molekulare Biocomputer in die Bresche. Im Reagenzglas zumindest zeigt sich, was bereits möglich ist.
DNA-Computer
Die kleinsten Computer der Welt sind so winzig, dass Billionen davon in einen Tropfen Wasser passen. Bereits vor zweieinhalb Jahren stellte Ehud Shapiro vom Weizmann-Institut im israelischen Rehovot die molekularen Winzlinge vor, die mit mehr oder weniger gewöhnlichen biologischen Prozessen eine einfache Rechenmaschine abbilden und so verschiedene mathematische Aufgaben lösen konnten. Doch wozu das Ganze? Was soll der Rechner im Reagenzglas, wenn herkömmliche Computer dieselben Aufgaben binnen eines Lidschlags gelöst haben und das Ergebnis nicht kompliziert mittels Gelelektrophorese sichtbar gemacht werden muss, sondern schnell auf dem Bildschirm erscheint?

Sicherlich ist die bloße Machbarkeit eines Rechners, dessen Ein- und Ausgabe sowie Software komplett in der Erbsubstanz DNA kodiert ist, faszinierend genug, doch schien die Leistung der Forscher bislang eher von akademischem Interesse zu sein. Das jedoch mag sich ändern, denn was den Wissenschaftler um Yaakow Benenson nun gelang, könnte in Zukunft Dinge ermöglichen, von denen wir heute kaum zu träumen wagen. So hat sich das Team, dem auch Shapiro angehört, mit seiner neusten Arbeit wieder mehr auf die biologischen Aspekte des DNA-Computings besonnen und zumindest im Reagenzglas eine Art künstliches Immunsystem geschaffen, das selbstständig nach Hinweisen auf Krebs fahndet und im Falle eines positiven Befunds gleich entsprechende Gegenmaßnahmen einleitet.

Kernstück der möglichen Wunderwaffe gegen Krebs sind eben jene winzigen Biorechner, welche die Forscher vor einigen Jahren ersonnen hatten. Auch hier sind das Programm und die zu verarbeitenden Daten vollständig in den vier Basen der DNA kodiert, wobei sich die Information vor allem auf einen einsträngigen überstehenden Rest des DNA-Moleküls beschränkt: das so genannte Sticky End oder klebrige Ende. An diesen Stellen können zueinander passende DNA-Fragmente aneinander koppeln und praktisch Rechenschritte vollziehen. Damit die Informationsverarbeitung nicht in einer Sackgasse endet und die Daten entsprechend weiterverarbeitet werden, trennt ein Enzym (FokI) die zusammengeklebten Moleküle an anderer Stelle wieder auf und führt sie dem nächsten Rechenschritt zu. Das Ganze läuft so lange, bis irgendwann das gewünschte Ergebnis erreicht ist – sprich kein passendes DNA-Fragment zum Andocken mehr bereit steht – und schließlich nur noch das Resultat ausgelesen werden muss.

Ausgelesen wird bei den neuen DNA-Rechnern jedoch nicht viel. Im Gegenteil, die Forscher überließen die winzigen Rechenknechte im Prinzip völlig sich selbst. Mit Erfolg offensichtlich: Denn die DNA-Rechner wurden so programmiert, dass sie in einer Testlösung nach bestimmten Krebsmarkern Ausschau halten – denen für Prostata- und Lungenkrebs, um genau zu sein. Der mehrstufige Diagnoseprozess stützte sich dabei komplett auf die Existenz bestimmter Boten-RNA (mRNA), den Vermittlern zwischen Genen und deren Produkten. Krankhafte Veränderungen wurden nun entweder an mutierter mRNA beziehungsweise einem Zuviel oder Zuwenig dieser Botenstoffe festgemacht. Dabei stützten die DNA-Rechner ihre Diagnose durchaus auf mehrere Faktoren und nicht allein auf einen Marker. Erst wenn alle Hinweis für eine krankhafte Veränderung sprachen, sollte der Biocomputer handeln und gegen etwaige Krebszellen vorgehen.

Dazu stand neben der mRNA-Detektoreinheit und dem Diagnosemodul ein dritter Softwarebaustein DNA-kodiert zur Verfügung, der für die Produktion einsträngiger kurzer DNA-Fragmente sorgte. Diese kurzen Nukleinsäuren taugen prinzipiell dazu, bestimmte Ablesevorgänge in Zielzellen gehörig durcheinander zu bringen, um so beispielsweise die Synthese von Boten-RNA oder Proteinen zu verhindern – ein Mechanismus, der im besten Fall gezielt krankhafte Zellen ausschaltet. All diese Bausteine – die Suche nach charakteristischen Krebsmarkern, die Diagnose und die Behandlung mit DNA- oder RNA-Fragmenten – sind im Labor schon bestens erprobt oder zumindest prinzipiell machbar. Das Neue ist nun jedoch, dass alle Schritte nacheinander autonom von einer winzigen biologischen Rechenmaschine abgearbeitet werden – und zwar ohne irgendeine zusätzliche Kontrolle oder Steuerung. Sind hinreichend Spuren auf eine krankhafte Veränderung gefunden, wird direkt an Ort und Stelle das entsprechende Gegenmittel freigesetzt.

Die Ergebnisse von Benenson scheinen in der Tat viel versprechend zu sein, doch dämpfen die Forscher zu Recht die vorschnelle Hoffnung auf ein intelligentes Mittel gegen Krebs. Schließlich seien die Experimente bislang lediglich unter kontrollierten Bedingungen im Reagenzglas durchgeführt worden. Wie sich die Prozesse in der Zelle abspielen, und ob die Methode dort überhaupt funktioniert, sei nicht klar, weil hier eine Vielzahl von anderen Substanzen den Prozess stören könnte. Doch Shapiro blickt optimistisch in die Zukunft: "Es ist klar, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, um unsere Visionen zu verwirklichen. Es kann Jahrzehnte dauern, bis wir so ein System im menschlichen Körper einsetzen können. Nichtsdestotrotz, vor nur zwei Jahren hatten wir noch geglaubt, dass es zehn Jahre dauern würde, bis wir an dem Punkt sind, an dem wir uns heute befinden."

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