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Südamerikanischer Lungenfisch: Größtes bekanntes Tiergenom entschlüsselt

Dass die Genome der Lungenfische riesig sind, war bereits bekannt, doch das Erbgut der in Südamerika beheimateten Art ist gigantisch. Mit 90 Milliarden Basenpaaren ist es 30-mal größer als das Genom des Menschen.
Der Südamerikanische Lungenfisch von vorne
Der Südamerikanische Lungenfisch (Lepidosiren paradoxa) hat einen aalartig langgestreckten Körper. Wegen seines amphibienähnlichen Äußeren wird er im Deutschen auch Schuppenmolch genannt.

Es ist 30-mal größer als das des Menschen und mehr als doppelt so groß wie das des bisherigen Rekordhalters: Ein internationales Team um den Konstanzer Evolutionsbiologen Axel Meyer und den Würzburger Biochemiker Manfred Schartl hat das Erbgut des Südamerikanischen Lungenfisches (Lepidosiren paradoxa) entschlüsselt. Es ist damit das größte bekannte Genom des Tierreichs. »Die Daten werden helfen zu ergründen, wie dem Vorfahren der heutigen Landwirbeltiere die Eroberung des Festlands gelang«, hieß es in einer Mitteilung zur Publikation. Die Studie ist in der Fachzeitschrift »Nature« erschienen.

Lungenfische gelten als nächste heute noch vorkommende Verwandte jener Tiere, die sich vor rund 400 Millionen Jahren mit kräftigen Flossen an Land zogen – und dank ihrer Lungen dort überleben konnten. Auf sie gehen alle so genannten Vierfüßer wie Menschen, andere Säugetiere, Amphibien, Reptilien und Vögel zurück. Von den Lungenfischen gibt es heute nur noch drei Linien: eine in Afrika, eine in Australien und eine in Südamerika, die unter anderem im Amazonasbecken vorkommt.

Von der Analyse des Erbguts erhoffen sich die Fachleute Erkenntnisse über die Ursprünge und die weitere Entwicklung dieser ungewöhnlichen Tiere. »Die Evolution scheint sie vergessen zu haben«, schreiben die Forscher. Denn diese uralten »lebenden Fossilien« sähen weitestgehend noch aus wie ihre Vorfahren im späten Devon. Indem man die Genomsequenzen vergleicht, lässt sich etwa die Verwandtschaft zwischen den Flossenstrahlen der Knochenfische und den Fingern von Landwirbeltieren belegen.

Dass die Genome der Lungenfische riesig sind, war bereits bekannt, doch die Studie zeigt nun, wie gigantisch sie tatsächlich sein können: Das Erbgut des Südamerikanischen Lungenfisches bestehe aus mehr als 90 Milliarden Basenpaaren, schreibt die Gruppe. Es sei damit sogar doppelt so groß wie das Genom des bisherigen Rekordhalters, des Australischen Lungenfisches (Neoceratodus forsteri). »18 der 19 Chromosomen des Südamerikanischen Lungenfisches sind allein jeweils größer als das gesamte menschliche Genom«, wird der Biochemiker Schartl zitiert.

Vergleichsstudien ermöglichen Aufschlüsse über Evolution

Das liege an so genannten autonomen Transposons. Diese DNA-Abschnitte »vermehren« sich und verändern dann ihre Position im Genom. Sie machten mehr als 90 Prozent des Lungenfischgenoms aus. Die Expansionsrate beim südamerikanischen Vertreter ist demnach mit Abstand die schnellste bekannte: Alle zehn Millionen Jahre ist sein Erbgut in der Vergangenheit um die Größe des gesamten menschlichen Genoms gewachsen.

Trotzdem ist das Lungenfischgenom überraschend stabil. Daher konnte das Forschungsteam nach eigenen Angaben aus den Sequenzen der heute noch lebenden Lungenfischarten die ursprüngliche Architektur des Chromosomensatzes des ersten Vierfüßers rekonstruieren.

Zudem lassen sich die Genome der verschiedenen Lungenfische vergleichen und so Rückschlüsse darauf ziehen, ob Unterschiede zwischen den noch heute lebenden Exemplaren auf genetische Ursachen zurückgehen. Der Australische Lungenfisch etwa hat demnach noch gliedmaßenähnliche Flossen, mit denen sich die Vorfahren einst an Land bewegen konnten. Bei den heutigen Lungenfischvertretern aus Afrika und Südamerika dagegen haben sich diese Flossen, die im Knochenbau den menschlichen Armen und Beinen ähnelten, im Lauf der letzten rund 100 Millionen Jahre zu fadenförmigen Flossen zurückentwickelt.

Anhand der Analyse des Erbguts des Australischen Lungenfisches hatte das Team um Meyer und Schartl schon vor einigen Jahren gezeigt, dass identische Gene im Menschen und im Lungenfisch die Entwicklung der Lunge steuern. Die Lunge von Lungenfischen habe entwicklungsgeschichtlich die gleiche Herkunft wie die der Landwirbeltiere, einschließlich des Menschen. Auch seien Finger, Elle und Speiche in der Flosse des Tiers angelegt, wofür die gleichen Gene wie beim Menschen verantwortlich seien. (dpa/kmh)

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  • Quellen
Nature 10.1038/s41586–024–07830–1, 2024

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