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Synästhesie: Süße Terz und sahnige Sext

Das "tatütata" von Feuerwehr und Rettungswagen klingt niemandem angenehm im Ohr. Soll es ja auch nicht, sonst wäre der Warneffekt sicherlich dahin. Was aber würden Sie sagen, wenn die Töne auch noch einen Ekel erregenden Geschmack hervorriefen?
Geschmack auf Tastendruck
Manche Menschen erleben die Welt ganz anders. Für sie ist eine Drei nicht einfach nur eine Zahl, sie ist immer auch in blau getaucht. Und ein C vom Klavier ist nicht einfach nur ein Ton, sondern hüllt die Nase in Rosenduft. Synästhesie nennen Psychologen diese Eigenschaft, wenn eine Sinneswahrnehmung unbewusst, aber reproduzierbar mit einem anderen Effekt verknüpft ist – wenn Schriftzeichen eben beispielsweise Farben oder Töne Geruchsempfindungen wecken.

Wenn auch die ausgelöste Farbempfindung dominiert, so gibt es doch auch noch ungewöhnlicher anmutende Varianten. Darunter eine Synästhetikerin, bei der Töne oder bestimmte Geräusche bestimmte Geschmackseindrücke ganzer Mahlzeiten auslösen. Oder aber den ausgeprägten musikalischen Geschmack einer jungen Profimusikerin, die Gian Beeli von der Universität Zürich und ihre Kollegen auf Salz und Zucker prüften.

Denn die 27-Jährige kann Tonintervalle schmecken – eine kleine Sekunde beispielsweise, zwei eng benachbarte Töne und damit kein wirklich angenehmer Abstand für die Ohren, kommt ihr auch geschmacklich sauer. Ganz anders dagegen die wohlklingenden Distanzen wie eine große Terz, die sie als süß empfindet. Kurios auch die kleine Sext, die für sie nach Sahne schmeckt, während ein Halbton mehr – die große Sext – dagegen abmagert: Die Sahne bleibt, aber in der fettreduzierten Variante. Der Signalton von Rettungswagen und Feuerwehr, bei uns eine Quart, weckt bei ihr den Eindruck von gemähtem Gras. Am schlimmsten aber wirkt sich der "Teufel der Musik", der Tritonus aus: Jene stärkste und am schwierigsten zu singende Dissonanz des Dur-Moll-Systems, ein Intervall von drei Ganztönen, löst bei der Musikerin größten Ekel – zumindest geschmacklich – aus. Eine Oktave dagegen bleibt schlicht geschmacklos.

Alles in allem eine sehr praktische Fähigkeit für eine Musikerin, die sie auch wirklich im Berufsleben einsetzt. Noch dazu lässt sie ihr Kombinationssinn auch unter erschwerten Bedingungen nicht im Stich: Ein Bonbon im Mund macht auch die bittere kleine Septime nicht süß und die Entscheidung damit klar. So kann sie trotz andersartig schmeckender Proben gehörte Tonintervalle immer noch korrekt identifizieren. Allerdings war sie deutlich schneller, wenn Tonabstand und Geschmack übereinstimmten. Sah sie den Geschmack hingegen nur als geschriebenes Wort, half ihr dies nicht auf die Sprünge.

Umgekehrt funktioniert das Ganze übrigens nicht: Zucker lässt innerlich keine Quinte erschallen, Sahne weckt keine Sext und gemähtes Gras kein "tatütata". Dafür aber leuchtet ihr die Tonwelt auch in Farbe – hört sie ein C, denkt sie an Rot, ein Fis taucht ihre Welt in Violett. Vielleicht ganz gut so: Ein Farbenfeuerwerk dürfte die angenehmere Variante gegenüber einem Geschmacksmarathon voller Höhen und Tiefen sein, in einem Leben voller Musik.

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