Suizidalität: Nicht mehr Selbsttötungen in der Pandemie
In den ersten Monaten der Covid-19-Pandemie ist die Zahl der Selbsttötungen in Deutschland und einigen anderen Industrieländern nicht gestiegen. Dies zeigt eine Auswertung von Forschern der University of Melbourne, in die offizielle Suizidfälle aus 21 Industrie- und Schwellenländern eingeflossen sind. Für Deutschland haben die Forscher dabei Zahlen aus drei Großstädten analysiert: In Leipzig, wie auch in der Hälfte aller untersuchten Länder, ist die Suizidrate zwischen April und Juli 2020 im Vergleich zu den Vorjahren sogar gesunken, in Frankfurt am Main und im Großraum Köln veränderten sich die Zahlen statistisch nicht gegenüber den Vorjahren. In der Hälfte aller ausgewerteten Länder sank die Zahl der Suizide in den ersten Pandemiemonaten unter den aus früheren Jahren zu erwartenden Wert, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Veröffentlichung im Fachmagazin »Lancet Psychiatry«.
Die Studie bestätigt im Wesentlichen Ergebnisse aus vorherigen Untersuchungen zur Suizidalität in der Pandemie. Psychologen hatten befürchtet, dass die mit Corona einhergehenden Belastungen – etwa die Angst vor Erkrankung, der Blick auf die Zahl der Verstorbenen, der Zwang zu Einschränkungen im Homeschooling und Homeoffice – die Suizidalität erhöhen. Dies scheint zumindest in den nun analysierten ersten Monaten nicht eingetreten zu sein. Allerdings sind in die Auswertung nur Zahlen aus reicheren Staaten und solchen mit global betrachtet »höherem mittlerem« Durchschnittseinkommen eingeflossen.
Somit fehlen in der Studie alle ärmeren Staaten, aus denen verlässliche, laufend aktuelle Zahlen aber nur schwer zu bekommen sind. Provisorische Analysen etwa aus Tunesien und Malawi deuteten darauf hin, dass die Suizidrate dort im ersten Halbjahr 2020 zum Teil deutlich anstieg. Es ist bekannt, dass eine sich verschlechternde wirtschaftliche Situation die Suizidraten in die Höhe treibt. Womöglich werde dies in ärmeren Regionen schneller sichtbar, warnen die Autoren: In bessergestellten Ländern könnte daher ein Effekt eintreten, wenn die Pandemie erst nach einiger Zeit negative ökonomische Spätfolgen nach sich zieht.
Insgesamt zeigt die Studie aber, dass während der Pandemie die Zahl der Selbsttötungen mancherorts sogar gesunken ist. Dies könnte eine Reihe von Gründen gehabt haben, spekulieren die Forscher: So seien in den ersten Monaten der Ausnahmesituation die Solidarität innerhalb von Gruppen und das Gemeinschaftsgefühl gestiegen, zudem könnten bei manchen Menschen problematische Arbeitssituationen und andere Belastungen weggefallen sein. Solche Anpassungsprozesse hatten bereits frühere Studien diskutiert.
Wege aus der Not
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