Ethnologie: Superaggressivität mindert Fortpflanzungserfolg
Zumindest unter Kriegern des ecuadorianischen Ureinwohnervolkes der Waorani zahlt sich höchste Aggressivität nicht unbedingt aus: Besonders kriegerische Männer hatten weniger Kinder, von denen zudem eine geringere Anzahl das Erwachsenenalter erreichte, als friedfertigere Stammesgenossen. Damit steht diese Studie von Stephen Beckerman von der Pennsylvania State University und seinen Kollegen im Widerspruch zu einer Untersuchung von Napoleon Chagnon, der 1988 beim brasilianischen Volk der Yanomami genau das Gegenteil beobachtet hatte.
Etwa die Hälfte aller Waorani stirbt laut einer früheren Untersuchung durch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Gruppen des Stammes oder durch Konflikte mit anderen Völkern beziehungsweise ins Stammesgebiet eindringende Holzfäller und Erdölprospektoren. Weitere 14 Prozent flohen vor der Gewalt oder wurden von verfeindeten Gruppen entführt, wobei viele dieser Opfer rasch an Krankheiten starben. Betroffen waren von der hohen Mortalität vor allem die Männer, aber auch Frauen und Kinder starben deutlich häufiger durch blutige Auseinandersetzungen als bei den Yanomami, von denen "nur" ein Drittel der Männer vorzeitig durch Gewaltakte ablebte – Frauen und Kinder wurden bei ihnen zudem meist verschont.
Im Gegensatz zu den Yanomami, bei denen die aggressivsten Krieger mehr Frauen und Kinder hatten als friedlichere Männer, nutze Waorani-Männern ihre gesteigerten Aggressivität kaum, wie die Ethnologen anhand von Interviews mit über 120 Dorfältesten herausfanden: Friedfertigere Stammesmitglieder waren über die beobachteten fünf Generationen hinweg erfolgreicher – und ihre Ehegattinnen und Sprösslinge überlebten ebenfalls länger. Mehrere Gründe könnten diese Unterschiede erklären, meint Beckermans Team: So gibt es nach kriegerischen Phasen bei den Yanomami immer wieder längere, rituell bedingte Perioden, in denen beispielsweise Blutrache untersagt ist. In dieser Zeit widmen sich die überlebenden Krieger ihren Frauen und Kindern. Diese zeitlichen Einschränkungen existierten bei den Waorani bis zum Beginn ihrer Missionierung Anfang der 1960er Jahre wiederum nicht: Blutige Händel konnten auf lange zurückliegenden Ereignissen beruhen und jederzeit ausgetragen werden.
Erst die christliche Missionierung ab 1958 schien dieses Verhalten zu ändern und die blutigen Stammeshändel zu unterbinden. Womöglich wurden die Waorani damit auch vor sich selbst gerettet, denn die hohen Verluste konnten sie offenkundig nicht mehr ausgleichen. Die Yanomami dagegen nahmen an Zahl während der letzten zwei Jahrhunderte zu, obwohl sie ebenfalls sehr kriegerisch eingestellt sind. Beide Völker werden heute vor allem durch das Vordringen von Goldgräbern, Ölgesellschaften, Farmern und Holzfällern bedroht. Obwohl die Waorani im streng geschützten Yasuní-Nationalpark am Río Napo in Ecuador leben, hat die Regierung große Bereiche ihrer Heimat zur Förderung von Öl freigegeben, und immer wieder erschießen auch illegale Holzfäller Indianer. (dl)
Etwa die Hälfte aller Waorani stirbt laut einer früheren Untersuchung durch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Gruppen des Stammes oder durch Konflikte mit anderen Völkern beziehungsweise ins Stammesgebiet eindringende Holzfäller und Erdölprospektoren. Weitere 14 Prozent flohen vor der Gewalt oder wurden von verfeindeten Gruppen entführt, wobei viele dieser Opfer rasch an Krankheiten starben. Betroffen waren von der hohen Mortalität vor allem die Männer, aber auch Frauen und Kinder starben deutlich häufiger durch blutige Auseinandersetzungen als bei den Yanomami, von denen "nur" ein Drittel der Männer vorzeitig durch Gewaltakte ablebte – Frauen und Kinder wurden bei ihnen zudem meist verschont.
Im Gegensatz zu den Yanomami, bei denen die aggressivsten Krieger mehr Frauen und Kinder hatten als friedlichere Männer, nutze Waorani-Männern ihre gesteigerten Aggressivität kaum, wie die Ethnologen anhand von Interviews mit über 120 Dorfältesten herausfanden: Friedfertigere Stammesmitglieder waren über die beobachteten fünf Generationen hinweg erfolgreicher – und ihre Ehegattinnen und Sprösslinge überlebten ebenfalls länger. Mehrere Gründe könnten diese Unterschiede erklären, meint Beckermans Team: So gibt es nach kriegerischen Phasen bei den Yanomami immer wieder längere, rituell bedingte Perioden, in denen beispielsweise Blutrache untersagt ist. In dieser Zeit widmen sich die überlebenden Krieger ihren Frauen und Kindern. Diese zeitlichen Einschränkungen existierten bei den Waorani bis zum Beginn ihrer Missionierung Anfang der 1960er Jahre wiederum nicht: Blutige Händel konnten auf lange zurückliegenden Ereignissen beruhen und jederzeit ausgetragen werden.
Zum zweiten mussten Waorani sich offensichtlich bereits in jungen Jahren einen Ruf als besonders wilde Krieger erarbeiten, wodurch sie sich auch entsprechend viele Todfeinde schufen. Dies senkte wiederum ihre Lebenserwartung und damit die Chancen auf eigene Kinder. Und schließlich betrachteten viele Waorani ausbleibende Rachefeldzüge nach einer Gewalttat nicht als Angebot zum Frieden, sondern nur als Taktik. Durch weiteres, präventives Töten versuchten sie zu verhindern, dass der Feind sich in Pausen einen Vorteil verschaffen konnte.
Erst die christliche Missionierung ab 1958 schien dieses Verhalten zu ändern und die blutigen Stammeshändel zu unterbinden. Womöglich wurden die Waorani damit auch vor sich selbst gerettet, denn die hohen Verluste konnten sie offenkundig nicht mehr ausgleichen. Die Yanomami dagegen nahmen an Zahl während der letzten zwei Jahrhunderte zu, obwohl sie ebenfalls sehr kriegerisch eingestellt sind. Beide Völker werden heute vor allem durch das Vordringen von Goldgräbern, Ölgesellschaften, Farmern und Holzfällern bedroht. Obwohl die Waorani im streng geschützten Yasuní-Nationalpark am Río Napo in Ecuador leben, hat die Regierung große Bereiche ihrer Heimat zur Förderung von Öl freigegeben, und immer wieder erschießen auch illegale Holzfäller Indianer. (dl)
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