Sternentwicklung: Symbiotisches Doppelsystem in Einzelsterne aufgelöst
Das Doppelsternsystem SS Leporis im Sternbild Hase (Lepus) kennen Astronomen schon länger. Bilder von bisher unerreichter Schärfe erhielten sie nun, indem sie vier 1,8-Meter-Teleskope am Paranal-Observatorium zusammenschlossen. So ergab sich ein einziges virtuelles Teleskop mit 130 Metern Durchmesser und einer 50-fach größeren Bildschärfe im Vergleich zum Weltraumteleskop Hubble. Damit konnten Wissenschaftler um Nicolas Blind vom Institut für Planetenforschung und Astrophysik in Grenoble, Frankreich, feststellen, dass deutlich weniger Materie zwischen den beiden Sternen transferiert wird als bisher gedacht.
Die beiden Sterne von SS Leporis sind von der Erde 900 Lichtjahre entfernt und umkreisen sich innerhalb von 260 Tagen gegenseitig. Ihr Abstand beträgt mit rund 190 Millionen Kilometern wenig mehr als derjenige zwischen Erde und Sonne. Allerdings erreicht der kühlere und größere von beiden das 67-Fache des Sonnendurchmessers, er würde in der Erde-Sonne-Analogie über die Umlaufbahn des innersten Planeten Merkur hinausreichen. Durch die große Entfernung erscheint uns sein Durchmesser als nur 2,2 Millibogensekunden, das entspricht einem 800 000stel des Monddurchmessers. Der kleinere, heißere Begleitstern hat bisher etwa die Hälfte der Masse des ersten aufgenommen.
Die neuen Aufnahmen entstanden mit dem Very Large Telescope Interferometer (VLTI) am Paranal-Observatorium in der chilenischen Atacamawüste. Das dortige Projekt PIONIER (Precision Integrated-Optics Near-infrared Imaging ExpeRiment) ist der Zusammenschluss von vier Hilfsteleskopen. Das von ihnen aufgefangene Licht wird zusammengeführt und dabei zur Interferenz gebracht. Die einzelnen Lichtstrecken müssen die Forscher dabei nanometergenau justieren – das entspricht etwa einem Hundertstel Haardurchmesser. Doch die Mühen zahlen sich aus: “Wir haben Bilder gewonnen, die so hoch aufgelöst sind, dass wir nicht nur zuschauen können, wie die beiden Sterne einander umkreisen, sondern sogar den Durchmesser des größeren Sterns bestimmen können”, sagt Blind.
So konnten die Forscher feststellen, dass der Riesenstern nur etwa halb so groß ist wie bislang angenommen. Er reicht somit nicht über seine Rochegrenze hinaus – die Grenze, ab der seine Massenanziehung nicht mehr ausreicht, um das Gas an sich zu binden und er seine Materie an einen Begleitstern verliert. Ist der größere Stern jedoch kleiner als die Rochegrenze, so können die bisherigen Modelle nicht erklären, wie es zum bereits stattgefundenen Materietransfer kam. Darum gehen die Wissenschaftler um Blind nun davon aus, dass die Materie auf indirektem Weg zum Nachbarstern kommt: Sie wird zunächst als Sternenwind vom Riesen ausgestoßen und später vom kleineren Begleiter eingefangen.
Laura Hennemann
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