Verhaltensforschung: Synthetisches Parfüm macht unwiderstehlich
Bei der Partnerwahl ist vieles wichtig und eines entscheidend: Riechen müssen sich Suchende können, um sich zu beiderseitiger Zufriedenheit zu finden. Das gilt nicht nur für Mensch und Maus, sondern auch für Fische im Wasser. Deren Duftbotschaft ans andere Geschlecht kann nun sogar gefälscht werden.
"Den kann ich nicht riechen", ist eine wichtige Entscheidung bei der Partnerwahl von Menschen, Mäusen und Fischen. Am Geruch erkennt Frau, Maus- oder Stichlingsweibchen die Immungene eines möglichen Partners. Die richtige Mischung von Immungenen zu haben, ist für die Nachkommen überlebenswichtig: Ein Stichlingsweibchen bevorzugt geruchlich das Männchen, dessen Immungene zusammen mit ihren eigenen dem Nachwuchs die optimale Immunabwehr gegen ständig wechselnde Krankheitserreger bieten. Da sich zwei Menschen, Mäuse oder Stichlinge stark in ihren Immungenen unterscheiden, muss das natürliche Duftsignal Information über diese Individualität vermitteln können. Wie könnte dieses einzigartige Signal molekular kodiert sein?
Die ungeheure Anzahl von sich ständig verändernden Krankheitserregern scheint die meisten Tier- und Pflanzenarten zu zwingen, für jede Generation die Immungene immer wieder neu zu mischen. Wie bei den meisten Wirbeltieren können die T-Zellen unseres Immunsystems Krankheitserreger nur erkennen und bekämpfen, wenn die körpereigenen MHC-Moleküle ihnen fremde Eiweißbruchstücke (Peptide) zeigen. Die MHC-Moleküle unterscheiden sich in ihren Bindungsstellen, mit denen sie nur Peptide greifen können, die an speziellen Ankerregionen ganz bestimmte Aminosäuren tragen. Jedes MHC-Molekül kann also nur ganz bestimmte Peptide binden, und es braucht verschiedene MHC-Moleküle, damit das Immunsystem verschiedene Krankheitserreger erkennen und bekämpfen kann.
In jeder Wirbeltierpopulation gibt es Hunderte von MHC-Varianten, aber jeder Mensch oder Stichling hat nur wenige davon, und zwei Menschen oder Stichlinge haben meist unterschiedliche Varianten. Diese enorme Vielgestaltigkeit des MHC-Systems ist einzigartig und bietet Weibchen eine große Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Partner mit unterschiedlicher Ausstattung an Immungenen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie diese Gene von außen "erkennen" können.
Tatsächlich ist schon länger bekannt, dass Mäuse, Menschen und Stichlinge die genetische Struktur der MHC-Moleküle ihrer potenziellen Partner riechen können. Vor einigen Jahren konnten die Wissenschaftler bereits zeigen, dass Stichlinge in natürlichen Populationen meist über eine mittlere Anzahl von etwa fünf MHC-Varianten je Fisch verfügen und dass Weibchen diese Anzahl durch die geruchliche Auswahl des immungenetisch passenden Partners für ihre Nachkommen erreichen [1]. In weiteren Versuchen lieferte die Gruppe den experimentellen Nachweis, dass diese Anzahl von MHC-Varianten für das Individuum ein immungenetisches Optimum darstellt, das maximale Immunabwehr erlaubt [2].
Worin könnte das natürliche Duftbouquet bestehen, mit dem Männchen (wie auch Weibchen bei Mäusen und Menschen) Information über ihre MHC-Individualität signalisieren? Wenn es bestimmter MHC-Moleküle bedarf, um bestimmte Peptide aus der Zelle zu transportieren, dann sollte das Spektrum von Peptiden, das nach "außen" gelangt, das Spektrum von MHC-Molekülen eindeutig widerspiegeln – und damit das Spektrum der entsprechenden genetischen Varianten eines Individuums. Das Bouquet der ausgeschiedenen Peptide könnte das "natürliche Parfüm" sein, über das ein Weibchen den immungenetisch passenden Partner heraus riecht.
Dass Peptide mit den passenden Aminosäuren als Anker für MHC-Moleküle – und zwar nur solche Peptide – von speziellen Nervenzellen der Riechschleimhaut von Mäusen als Signalstoffe (Pheromone) erkannt werden, war gerade erst am Freiburger Max-Planck Institut nachgewiesen worden [3]. Wenn diese Peptide auch das "natürliche Parfüm" von Stichlingen darstellen, müsste man den Duft eines Stichlingsmännchens durch Hinzufügen von verschiedenen synthetischen Peptiden manipulieren können. Dabei sollte es nur von der MHC-Variantenzahl des Paares abhängen, ob die Zusatzparfümierung durch die gleiche Mischung synthetischer Peptide das Männchen für ein bestimmtes Weibchen anziehend oder abstoßend wirkt: So sollte ein Männchen, das für ein bestimmtes Weibchen zu wenige MHC-Varianten bietet, um das Optimum zu erreichen, durch Hinzufügen synthetischer Peptiden attraktiver werden. Auf der anderen Seite sollte der Duft eines von sich aus attraktiven Männchens, das schon die optimale Ergänzung bietet, durch Hinzufügen derselben Peptidmischung abstoßend wirken.
Im Rahmen einer Kooperation zwischen dem nördlichsten und dem südlichsten Max-Planck-Institut ist es den Evolutionsökologen aus Plön und den Immunbiologen aus Freiburg gelungen, diesen Nachweis zu erbringen [4]: Im Experiment konnte das laichbereite Weibchen das Männchen nicht sehen, sondern bekam lediglich das Wasser aus dem Aquarium des Männchens in einem Strömungskanal mit zwei parallel geführten Zuläufen kontinuierlich geboten. In dem einen Zulauf wurde das Aquariumswasser mit einer Peptidmischung, in dem anderen lediglich mit dem Lösemittel ohne Peptide versetzt. Unter Videokontrolle konnte das Weibchen zwischen den beiden Zuläufen zehn Minuten lang frei wählen – und entschied sich tatsächlich der Vorhersage entsprechend.
In einem weiteren Experiment konnten die Forscher zeigen, dass die gleiche Peptidmischung von Stichlingsweibchen ignoriert wird, wenn die Ankerregionen der Peptide Aminosäuren tragen, die nicht an MHC-Moleküle binden. Das muss man fordern, wenn Peptide nur die MHC-Individualität des Senders übermitteln sollen.
Da offenbar von Mäusen und Stichlingen dieselben immungenetischen Signalmoleküle verstanden werden, muss man annehmen, dass dieses Signalsystem, wie schon für das MHC-System gezeigt, bei Wirbeltieren, den Menschen eingeschlossen, ähnlich ist.
"Die neuen Ergebnisse werfen die Frage auf, ob auch Menschen anhand von Peptiden Informationen über MHC-Varianten ihres Gegenübers sammeln können", sagt Boehm. "Welche Rolle dabei Parfüms spielen, die von Menschen schon seit Tausenden von Jahren verwendet werden und deren individuelle Auswahl von den eigenen MHC-Genen beeinflusst wird", ergänzt sein Kollege Milinsk, "wird uns noch beschäftigen."
Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Limnologie sowie Immunbiologie um Manfred Milinski und Thomas Boehm glauben nun eine mögliche Antwort experimentell bestätigt zu haben. Im Mittelpunkt stehen dabei Bausteine, die schon seit längerem als Schlüssel zur Immun-Individualität verdächtigt wurden: die so genannten MHC-Moleküle (Major Histocompatibility Complex).
Die ungeheure Anzahl von sich ständig verändernden Krankheitserregern scheint die meisten Tier- und Pflanzenarten zu zwingen, für jede Generation die Immungene immer wieder neu zu mischen. Wie bei den meisten Wirbeltieren können die T-Zellen unseres Immunsystems Krankheitserreger nur erkennen und bekämpfen, wenn die körpereigenen MHC-Moleküle ihnen fremde Eiweißbruchstücke (Peptide) zeigen. Die MHC-Moleküle unterscheiden sich in ihren Bindungsstellen, mit denen sie nur Peptide greifen können, die an speziellen Ankerregionen ganz bestimmte Aminosäuren tragen. Jedes MHC-Molekül kann also nur ganz bestimmte Peptide binden, und es braucht verschiedene MHC-Moleküle, damit das Immunsystem verschiedene Krankheitserreger erkennen und bekämpfen kann.
In jeder Wirbeltierpopulation gibt es Hunderte von MHC-Varianten, aber jeder Mensch oder Stichling hat nur wenige davon, und zwei Menschen oder Stichlinge haben meist unterschiedliche Varianten. Diese enorme Vielgestaltigkeit des MHC-Systems ist einzigartig und bietet Weibchen eine große Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Partner mit unterschiedlicher Ausstattung an Immungenen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie diese Gene von außen "erkennen" können.
Tatsächlich ist schon länger bekannt, dass Mäuse, Menschen und Stichlinge die genetische Struktur der MHC-Moleküle ihrer potenziellen Partner riechen können. Vor einigen Jahren konnten die Wissenschaftler bereits zeigen, dass Stichlinge in natürlichen Populationen meist über eine mittlere Anzahl von etwa fünf MHC-Varianten je Fisch verfügen und dass Weibchen diese Anzahl durch die geruchliche Auswahl des immungenetisch passenden Partners für ihre Nachkommen erreichen [1]. In weiteren Versuchen lieferte die Gruppe den experimentellen Nachweis, dass diese Anzahl von MHC-Varianten für das Individuum ein immungenetisches Optimum darstellt, das maximale Immunabwehr erlaubt [2].
Worin könnte das natürliche Duftbouquet bestehen, mit dem Männchen (wie auch Weibchen bei Mäusen und Menschen) Information über ihre MHC-Individualität signalisieren? Wenn es bestimmter MHC-Moleküle bedarf, um bestimmte Peptide aus der Zelle zu transportieren, dann sollte das Spektrum von Peptiden, das nach "außen" gelangt, das Spektrum von MHC-Molekülen eindeutig widerspiegeln – und damit das Spektrum der entsprechenden genetischen Varianten eines Individuums. Das Bouquet der ausgeschiedenen Peptide könnte das "natürliche Parfüm" sein, über das ein Weibchen den immungenetisch passenden Partner heraus riecht.
Dass Peptide mit den passenden Aminosäuren als Anker für MHC-Moleküle – und zwar nur solche Peptide – von speziellen Nervenzellen der Riechschleimhaut von Mäusen als Signalstoffe (Pheromone) erkannt werden, war gerade erst am Freiburger Max-Planck Institut nachgewiesen worden [3]. Wenn diese Peptide auch das "natürliche Parfüm" von Stichlingen darstellen, müsste man den Duft eines Stichlingsmännchens durch Hinzufügen von verschiedenen synthetischen Peptiden manipulieren können. Dabei sollte es nur von der MHC-Variantenzahl des Paares abhängen, ob die Zusatzparfümierung durch die gleiche Mischung synthetischer Peptide das Männchen für ein bestimmtes Weibchen anziehend oder abstoßend wirkt: So sollte ein Männchen, das für ein bestimmtes Weibchen zu wenige MHC-Varianten bietet, um das Optimum zu erreichen, durch Hinzufügen synthetischer Peptiden attraktiver werden. Auf der anderen Seite sollte der Duft eines von sich aus attraktiven Männchens, das schon die optimale Ergänzung bietet, durch Hinzufügen derselben Peptidmischung abstoßend wirken.
Im Rahmen einer Kooperation zwischen dem nördlichsten und dem südlichsten Max-Planck-Institut ist es den Evolutionsökologen aus Plön und den Immunbiologen aus Freiburg gelungen, diesen Nachweis zu erbringen [4]: Im Experiment konnte das laichbereite Weibchen das Männchen nicht sehen, sondern bekam lediglich das Wasser aus dem Aquarium des Männchens in einem Strömungskanal mit zwei parallel geführten Zuläufen kontinuierlich geboten. In dem einen Zulauf wurde das Aquariumswasser mit einer Peptidmischung, in dem anderen lediglich mit dem Lösemittel ohne Peptide versetzt. Unter Videokontrolle konnte das Weibchen zwischen den beiden Zuläufen zehn Minuten lang frei wählen – und entschied sich tatsächlich der Vorhersage entsprechend.
In einem weiteren Experiment konnten die Forscher zeigen, dass die gleiche Peptidmischung von Stichlingsweibchen ignoriert wird, wenn die Ankerregionen der Peptide Aminosäuren tragen, die nicht an MHC-Moleküle binden. Das muss man fordern, wenn Peptide nur die MHC-Individualität des Senders übermitteln sollen.
Da offenbar von Mäusen und Stichlingen dieselben immungenetischen Signalmoleküle verstanden werden, muss man annehmen, dass dieses Signalsystem, wie schon für das MHC-System gezeigt, bei Wirbeltieren, den Menschen eingeschlossen, ähnlich ist.
"Die neuen Ergebnisse werfen die Frage auf, ob auch Menschen anhand von Peptiden Informationen über MHC-Varianten ihres Gegenübers sammeln können", sagt Boehm. "Welche Rolle dabei Parfüms spielen, die von Menschen schon seit Tausenden von Jahren verwendet werden und deren individuelle Auswahl von den eigenen MHC-Genen beeinflusst wird", ergänzt sein Kollege Milinsk, "wird uns noch beschäftigen."
© Max-Planck-Gesellschaft
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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