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Atomstruktur: Tanzende Atome im Glas

Tanzende Atome im Glas

Für Forscher haben Gläser etwas Mystisches: Ab welcher Belastung eine Fensterscheibe bricht, lässt sich nicht genau vorhersagen. Schuld ist die Anordnung der Atome in einem Glas. Anders als in Metallen richten sie sich nicht in einem periodischen Gitter aus, sondern verteilen sich ohne klar erkennbare Struktur – ein so genannter amorpher Festkörper. Wie sich Silizium- und Sauerstoffatome in einem Glas verhalten, wenn es verformt oder erhitzt wird, können Wissenschaftler daher bislang nur mit Hilfe von Computersimulationen grob abschätzen. Nun haben Forscher eine Möglichkeit gefunden, die Bewegung einzelner Atome in Gläsern direkt zu beobachten: Sie hoffen, so den durchsichtigen Fensterstoff besser modellierbar zu machen.

Eine Gruppe unter Beteiligung von Simon Kurasch von der Universität Ulm und Jonathan Alden von der Cornell University nutzten Elektronen, die von den Atomen des Glases reflektiert oder umgelenkt werden, um die atomare Struktur eines hauchdünnen Silikatglases zu studieren. Forscher sprechen von Elektronen-Transmissions-Mikroskopie (TEM) und der Elektronen-Tunnel-Mikroskopie (STM). Erstere litt lange unter den Effekten der Abberation, die man in den vergangenen Jahren aber habe korrigieren können, schreibt Markus Heyde vom Fritz-Haber-Institut in Berlin in einem Begleitkommentar. Möglich habe die Aufnahme der Atombewegungen in einem Glas aber erst das Fertigen hauchdünner Glasfilme gemacht, wie sie die Forscher für ihre Studie verwendeten.

Tanzende Atome im Glas | Mit dem Elektronenmikroskop konnten Physiker die Bewegungen einzelner Atome im Glas nachvollziehen, wenn dieses unter Spannung steht.

Pro Sekunde strahlten die Forscher 1,6 Million Elektronen auf jeden Quadratnanometer ihres Glasfilms – damit konnte die Gruppe um Gruppe um Kurasch und Alden die Struktur der Oberfläche mit einer Framerate von 1 bis 2 Sekunden beobachten. So lassen sich die Position einzelner Sauerstoff- und Siliziumatome in dem Glasfilm bestimmen und darin unter anderem Ringstrukturen und ihre Bewegung ausmachen. Der Elektronenbeschuss löste auch vereinzelt Atome aus dem Glas, was die beobachteten Bewegungen erst anstieß. Auf diese Weise konnten die Forscher eine kurze Videoaufnahme produzieren, welche den Tanz der Glasatome in Echtzeit zeigen. Für Heyde geht es indes um mehr als Unterhaltung. Mit Hilfe der Glasfilme und der Technik der Forscher könne man noch viel über die Dynamik amorpher Festkörper lernen: "Die Ergebnisse bereiten den Boden für eine Modellierung der atomaren Struktur und der Dynamiken in Gläsern", schreibt Heyde. Vielleicht ist dann Glas irgendwann nicht mehr mystisch.

  • Quellen
Science 342, S. 224–227, 2013

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