Direkt zum Inhalt

News: Tarnbewegung

Die Flugkünste von Libellen sind legendär - wer hätte gedacht, dass sie außerdem perfekt als Tarnkappe dienen?
Bild
Mucksmäuschenstillhalten, am besten noch hinter einem guten Sichtschutz – das scheint die beste Strategie, sich vor neugierigen oder hungrigen Augen zu verbergen. Denn schon die kleinste Bewegung erregt womöglich ungewollte Aufmerksamkeit. Tarnung durch Flugmanöver im offenen Gelände scheint daher ein Widerspruch in sich. Doch ist es das mitnichten, zumindest nicht für Libellen: Diese altertümliche Insektengruppe, bekannt für ihre schnellen und kunstfertigen Flugmanöver, nutzt gerade diese Fähigkeit, um sich vor Artgenossen oder womöglich auf Beutezug zu "verstecken" – obwohl sie in voller Größe zu sehen sind.

Hintergrund für die Tarnkappe ist der so genannte optische Fluss: das Wandern des Abbilds eines Objekts auf der Netzhaut des Beobachters, während es sich bewegt. Und ist der Beobachter selbst unterwegs, streifen auch die Signale stillstehender Objekte über die Retina. Durch jenen optischen Fluss erkennen beispielsweise Räuber ihre Beute und umgekehrt, oder Bienen nutzen ihn als Navigationsinstrument zu Futterquellen.

Die Forscher um Akiko Mizutani von der Australian National University kamen dem bewegten Versteckspiel auf die Spur, indem sie die Flugbahnen von jeweils zwei rivalisierenden Männchen der Großlibelle Hemianax papuensis analysierten, von der sich jeweils eine offenbar tarnte. Indem die Forscher die Bewegungen mit Stereokameras aufzeichneten, konnten sie die Bahnen im Raum rekonstruieren.

Als sie für einzelne Punkte jeweils die Kopfpositionen von aufeinander zu fliegenden Tieren mit einer Linie verbanden, kreuzten sich diese alle in einem kleinen Kreis hinter der unbemerkten Libelle. Da bei einer Entfernung von 1,5 Metern das Auflösungsvermögen bei etwa 10 Millimetern liegt, entspricht das einem Punkt – und das wiederum bedeutet, dass die verfolgte Libelle ihren Artgenossen schlicht als ein Objekt im Hintergrund wahrnimmt, das sich nicht von der Stelle rührt.

Dass es sich dabei nicht um Zufall handelt, konnten die Wissenschaftler anhand der Flugbahnen von Libellen zeigen, die sich voneinander weg bewegten. Denn hier trat derselbe Effekt auf, und zwar in zwei Varianten: Zunächst kreuzten sich die Linien in einem Punkt zwischen den beiden Tieren, als wäre das Männchen mit Tarnkappe ein ruhendes Objekt zwischen ihnen. Dann verlagerte sich der Kreuzungspunkt plötzlich ins Unendliche, der Verfolger imitierte also ein Objekt in weiter Ferne.

Obwohl selbst in rasantem Flug, verriet sich das versteckte Männchen damit nicht durch seine Bewegung. Der Artgenosse hielt es daher die gesamte Zeit für ein ruhendes Objekt, das weder zum Verzehr geeignet ist, noch das Revier streitig machen will – uninteressant also und somit keinen genaueren Blick lohnenswert. Wie allerdings den Tieren dieses raffinierte Flugmanöver gelingt, ist den Forschern noch ein Rätsel.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.