Marktplatz WM: "Tausche Ballack gegen Yakin"
Mit dem WM-Finale Frankreich-Italien dürften auch die entsprechenden "Panini"-Bildchen nochmals ihren Börsenwert steigern. Das Sammel- und Tauschfieber mit den Sportlerpoträts grassiert längst nicht mehr nur unter Kindern. Auch drei ETH-Politologen des Center for Comparative and International Studies sind der Faszination erlegen – und haben ihr Know-how dafür angezapft um herauszufinden, wie der Tauschhandel am profitabelsten gestaltet wird.
Mittwochmorgen, 9.50 Uhr, ein Pausenhof irgendwo in der Schweiz. Gruppen von Schülern bilden sich, Köpfe werden zusammengesteckt, kurz vor dem Klingeln wird das Geschäft abgewickelt. Nicht etwa Drogen werden hier gehandelt. Es geht um Fußball-Bildchen. Seit die Gebrüder Panini ihre Geschäftsidee mit dem Album zur Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko ins Rollen gebracht haben, wiederholt sich das Ritual von Turnier zu Turnier: Fans kaufen und tauschen, bis auch der allerletzte Platz im Album beklebt werden kann. Biete Ballack, suche Yakin. Die Sammelmentalität trägt geradezu weltmeisterliche Züge – allein in der Schweiz gingen in den ersten drei Sammelwochen über 150 Millionen Panini-Bildchen über den Ladentisch. Lange vor WM-Beginn dürfte darum die Rekordmarke von 2002, als Panini in der Schweiz rund 245 Millionen Bildchen umsetzte – im Schnitt also etwa 35 Stück pro Einwohner! – egalisiert worden sein.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Getreu der Weisung der deutschen Trainer-Legende Sepp Herberger ist nun, da das Sammelfieber langsam abklingt, die Zeit zur nüchternen Analyse dieses Treibens gekommen. Denn wer das Phänomen Panini nur belächelt, verkennt, was daraus gelernt werden kann. Bereits die Urväter der modernen Wirtschaftswissenschaften Adam Smith und David Riccardo proklamierten, dass freiwillig zustande gekommener Tausch beiden Tauschpartnern einen Vorteil bringt. Wie groß sind solche Vorteile? Von welchen Faktoren hängen sie ab? Just dazu bietet der Panini-Markt einen willkommenen Untersuchungsgegenstand.
Tausch bringt Einsparungen von rund 80 Prozent
Mit einem agentenbasierten Computermodell lässt sich die Dynamik des Panini-Marktes genau untersuchen. Die Methode der agentenbasierten Modellierung erfreut sich zunehmender Beliebtheit in den Sozialwissenschaften, da sie es erlaubt, Gesellschaften mit vielen Individuen zu Untersuchungszwecken im Computer nachzubilden. In unserem Computermodell des Panini-Marktes gibt es eine bestimmte Anzahl von Sammlern. Jeder dieser künstlichen Agenten hat nur eines im Sinn: Sein Panini-Album zu vervollständigen. Zu diesem Zweck kauft er Panini-Bilder und tauscht diese mit anderen Agenten im System.
Mit dem Modell lassen sich nun die Anzahl der Sammler im Tauschmarkt und deren Vernetzungsgrad variieren. Der Vernetzungsgrad ist der Anteil aller Sammler im System, die ein Agent im Schnitt zu seinen Tauschpartnern zählt. Bei einem Vernetzungsgrad von 0 kennt ein Agent keinen anderen Sammler und kann sein Album nur durch Kauf bestücken. Dagegen bedeutet ein Vernetzungsgrad von 1, dass der Sammler mit allen anderen Sammlern in Kontakt treten und tauschen kann. Wie wirken sich nun die Anzahl der Spieler und der Vernetzungsgrad auf die Effizienz des Tauschmarktes aus? Das Computermodell kann uns helfen, diese Frage zu klären.
Doch es gibt noch einen anderen – weitaus schwächeren – Effekt. In Märkten mit einer größeren Anzahl von Sammlern sind am Schluss weniger Doppelte vorhanden, da mit vielen Sammlern getauscht werden kann. Zusammenfassend zeigt die Simulation also deutlich den starken Einfluss der Vernetzung der Sammler – es muss nicht einmal der "perfekt vernetzte Markt" sein, schon ein paar Tauschpartner genügen.
Der perfekte Markt in Griffnähe
Noch bei der WM 1990 und 1994 waren Tauschgewinne vor allem Schülern vorbehalten. Erwachsene Sammler dagegen hatten es schwer und gaben teilweise wegen fehlender Tauschpartner ein Vermögen aus. Wer stellt sich schon gerne an einen Schuleingang und spricht Minderjährige an? Dies änderte sich allerdings bereits bei den Weltmeisterschaften 1998 und 2002. Panini-Sammeln galt nicht mehr als infantil, sondern als chic. Die Bildchen avancierten zu einem begehrten Kultobjekt. Die älteren Semester profitierten aber vor allem von der technologischen Entwicklung.
Erste Internetbörsen erweiterten die Tauschmöglichkeiten erheblich. Hatten die damaligen Börsen den noch etwas schwerfälligen Charakter von Foren, organisieren die heutigen Tauschbörsen wie etwa 'fussballbild.li' geradezu perfekte Tauschtreffen. Nach Eingabe der anzubietenden und der noch gesuchten Panini-Bildchen wird innerhalb von Sekunden der Partner ermittelt, mit welchem die maximale Anzahl Bilder ausgetauscht werden kann. Das spart Zeit und Mühe. Die technischen Möglichkeiten des Internets haben damit die Vorstellung des perfekten Marktes in Griffnähe gebracht.
Schwimmen Panini die Felle davon?
Wenn elektronische Tauschprozesse die Sammler erheblich begünstigen, geht dies nun auf Kosten von Panini? Grundsätzlich natürlich schon. Allerdings verfügt der Hersteller seinerseits über zahlreiche Eingriffsmöglichkeiten in das Marktgeschehen. So hat Panini zwischen 1994 und 2006 stets die Anzahl der zu füllenden Lücken in den Alben erhöht. Zudem wurde die Anzahl der Bilder pro Päckchen von sechs auf fünf reduziert. Auch über den Preis kann Panini eingreifen: Kostete ein Bildchen 1998 am Kiosk noch zehn Rappen, so sind es heute 18 Rappen.
Schließlich besteht die Möglichkeit, über Werbung die Sammlergemeinde weiter zu vergrößern. So hat Panini 2006 erstmals seine Bildchen mit TV-Spots und Inseraten beworben. Die Verbreitung wurde zudem durch Kooperation mit anderen Produkten erhöht. So wurden einem 'Knusperfrühstück' von Nestlé Bildchen beigelegt, Le Matin, Blick und Sonntagsblick versorgten ihre Leser kostenlos mit dem leeren Album.
Am Ende sind es paradoxerweise die Sammler selbst, die eigentlich kein Interesse an einer weiteren Perfektionierung des Marktes haben sollten. Schließlich besteht der Reiz des Sammelns ja auch in der Bildchenjagd, sprich im sozialen Prozess des Tausches. Wenn ich mein Album mit nur einem Mausklick füllen kann, kaufe ich mir lieber gleich das WM-Sonderheft des Kicker.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Getreu der Weisung der deutschen Trainer-Legende Sepp Herberger ist nun, da das Sammelfieber langsam abklingt, die Zeit zur nüchternen Analyse dieses Treibens gekommen. Denn wer das Phänomen Panini nur belächelt, verkennt, was daraus gelernt werden kann. Bereits die Urväter der modernen Wirtschaftswissenschaften Adam Smith und David Riccardo proklamierten, dass freiwillig zustande gekommener Tausch beiden Tauschpartnern einen Vorteil bringt. Wie groß sind solche Vorteile? Von welchen Faktoren hängen sie ab? Just dazu bietet der Panini-Markt einen willkommenen Untersuchungsgegenstand.
Tausch bringt Einsparungen von rund 80 Prozent
Mit einem agentenbasierten Computermodell lässt sich die Dynamik des Panini-Marktes genau untersuchen. Die Methode der agentenbasierten Modellierung erfreut sich zunehmender Beliebtheit in den Sozialwissenschaften, da sie es erlaubt, Gesellschaften mit vielen Individuen zu Untersuchungszwecken im Computer nachzubilden. In unserem Computermodell des Panini-Marktes gibt es eine bestimmte Anzahl von Sammlern. Jeder dieser künstlichen Agenten hat nur eines im Sinn: Sein Panini-Album zu vervollständigen. Zu diesem Zweck kauft er Panini-Bilder und tauscht diese mit anderen Agenten im System.
Mit dem Modell lassen sich nun die Anzahl der Sammler im Tauschmarkt und deren Vernetzungsgrad variieren. Der Vernetzungsgrad ist der Anteil aller Sammler im System, die ein Agent im Schnitt zu seinen Tauschpartnern zählt. Bei einem Vernetzungsgrad von 0 kennt ein Agent keinen anderen Sammler und kann sein Album nur durch Kauf bestücken. Dagegen bedeutet ein Vernetzungsgrad von 1, dass der Sammler mit allen anderen Sammlern in Kontakt treten und tauschen kann. Wie wirken sich nun die Anzahl der Spieler und der Vernetzungsgrad auf die Effizienz des Tauschmarktes aus? Das Computermodell kann uns helfen, diese Frage zu klären.
Die Forscher ermittelten die durchschnittliche Anzahl doppelter Bilder, die ein Sammler besitzt, bis er sein Album vervollständigt hat. Vollständig heißt hier, dass das Album bis auf die letzten 20 Bilder gefüllt wird, denn diese können nach den Spielregeln bei Panini geordert werden. Sammelt nun jeder für sich und tauscht nicht (Vernetzungsgrad 0), bleiben am Ende mehr als 1400 doppelte Bilder übrig, und jeder hat für sein Album rund 370 Franken ausgegeben. Schon ein geringer Vernetzungsgrad von 0,2 senkt diese Kosten dramatisch: Hier bleiben etwa 140 Bilder übrig, und ein Album kostet nur noch 130 Franken, also ungefähr ein Drittel.
Doch es gibt noch einen anderen – weitaus schwächeren – Effekt. In Märkten mit einer größeren Anzahl von Sammlern sind am Schluss weniger Doppelte vorhanden, da mit vielen Sammlern getauscht werden kann. Zusammenfassend zeigt die Simulation also deutlich den starken Einfluss der Vernetzung der Sammler – es muss nicht einmal der "perfekt vernetzte Markt" sein, schon ein paar Tauschpartner genügen.
Der perfekte Markt in Griffnähe
Noch bei der WM 1990 und 1994 waren Tauschgewinne vor allem Schülern vorbehalten. Erwachsene Sammler dagegen hatten es schwer und gaben teilweise wegen fehlender Tauschpartner ein Vermögen aus. Wer stellt sich schon gerne an einen Schuleingang und spricht Minderjährige an? Dies änderte sich allerdings bereits bei den Weltmeisterschaften 1998 und 2002. Panini-Sammeln galt nicht mehr als infantil, sondern als chic. Die Bildchen avancierten zu einem begehrten Kultobjekt. Die älteren Semester profitierten aber vor allem von der technologischen Entwicklung.
Erste Internetbörsen erweiterten die Tauschmöglichkeiten erheblich. Hatten die damaligen Börsen den noch etwas schwerfälligen Charakter von Foren, organisieren die heutigen Tauschbörsen wie etwa 'fussballbild.li' geradezu perfekte Tauschtreffen. Nach Eingabe der anzubietenden und der noch gesuchten Panini-Bildchen wird innerhalb von Sekunden der Partner ermittelt, mit welchem die maximale Anzahl Bilder ausgetauscht werden kann. Das spart Zeit und Mühe. Die technischen Möglichkeiten des Internets haben damit die Vorstellung des perfekten Marktes in Griffnähe gebracht.
Schwimmen Panini die Felle davon?
Wenn elektronische Tauschprozesse die Sammler erheblich begünstigen, geht dies nun auf Kosten von Panini? Grundsätzlich natürlich schon. Allerdings verfügt der Hersteller seinerseits über zahlreiche Eingriffsmöglichkeiten in das Marktgeschehen. So hat Panini zwischen 1994 und 2006 stets die Anzahl der zu füllenden Lücken in den Alben erhöht. Zudem wurde die Anzahl der Bilder pro Päckchen von sechs auf fünf reduziert. Auch über den Preis kann Panini eingreifen: Kostete ein Bildchen 1998 am Kiosk noch zehn Rappen, so sind es heute 18 Rappen.
Schließlich besteht die Möglichkeit, über Werbung die Sammlergemeinde weiter zu vergrößern. So hat Panini 2006 erstmals seine Bildchen mit TV-Spots und Inseraten beworben. Die Verbreitung wurde zudem durch Kooperation mit anderen Produkten erhöht. So wurden einem 'Knusperfrühstück' von Nestlé Bildchen beigelegt, Le Matin, Blick und Sonntagsblick versorgten ihre Leser kostenlos mit dem leeren Album.
Am Ende sind es paradoxerweise die Sammler selbst, die eigentlich kein Interesse an einer weiteren Perfektionierung des Marktes haben sollten. Schließlich besteht der Reiz des Sammelns ja auch in der Bildchenjagd, sprich im sozialen Prozess des Tausches. Wenn ich mein Album mit nur einem Mausklick füllen kann, kaufe ich mir lieber gleich das WM-Sonderheft des Kicker.
© ETH Life
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