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Naturschutzarithmetik: Tausche Elche gegen Karibus?

In Kanada dezimieren Wolfsrudel die Karibuherden. Naturschützer wollen gegensteuern, indem sie die Zahl der Elche einschränken. Wie passt denn das zusammen?
Karibuherde in Kanada

In Kanada beobachten Naturschutzbehörden seit Jahrzehnten einen zunehmend verschärften Fall der so genannten "apparenten Konkurrenz": In der nördlichen Wildnis gibt es immer weniger Karibus, während immer mehr Elche zuwandern. Die Elche verdrängen die Karibus allerdings nicht etwa, weil sie die Ressourcen des Ökosystems effizienter nutzen können – sie kommen offenbar nur besser mit den Wolfsrudeln zurecht, die ihnen auf den Fersen gefolgt sind und in den Karibus nun leichtere Beute finden.

Ein logischer Schritt zum nachhaltigen Karibuschutz wäre deshalb nicht, nun Wölfe zu schießen, meinen Robert Serrouya von der University of Alberta und seine Kollegen in ihrer Studie in "PeerJ". Sie hatten ausgewertet, wie sich ein alternatives, zunächst nur als Experiment gedachtes und nun über mehr als ein Jahrzehnt laufendes Programm der kanadischen Naturschutzbehörde in der Realität bewährt. Dieses setzte lokal die Abschussquoten für Elche nach oben, die zusammen mit Weißwedelhirsch und Wolfsrudeln im Norden immer häufiger werden, weil hier in Folge von Baumfällarbeiten und dem Klimawandel die Wälder ausdünnen und ein geeignetes Habitat entsteht.

Reduziert man durch Jagddruck in einem größeren Versuchsareal die Elchzahl auf ein Niveau wie vor den Ökosystemveränderungen, so sinkt gleichzeitig die Zahl der Wölfe, konstatieren die Forscher nun – während im Gegenzug die Karibuherden vielköpfiger werden. Im Vergleich zu unberührt gelassenen, sonst ähnlichen Gebieten wanderten aus den Testarealen 2,5-mal mehr Wölfe ab, während knapp 90 statt wie vorher nur knapp 80 Prozent der Karibus ein Jahr überleben. Die im Testgebiet heimische, vor 2003 stark einbrechende Nord-Columbia-Karibuherde erholte sich zum Beispiel augenscheinlich im Zuge der forcierten Elchjagd und blieb nun über mehr als ein Jahrzehnt hinweg stabil. Damit ist diese Herde eine glückliche Ausnahme, wie ein Blick in andere kanadische Regionen zeigt, in denen die Karibuherden weiter schrumpfen. Der indirekte Ansatz scheint ähnlich erfolgreich zu sein wie drastischere Methoden: In Alberta mussten zum Beispiel innerhalb von sieben Jahren 841 Wölfe getötet werden, um die Zahl der dort umherstreifenden Little-Smoky-Karibuherde stabil zu halten.

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