Reproduktion: Tausche Zielstrich gegen Mauer
Schon sehr, sehr junge Organismen können zu Giftspritzen werden - etwa gerade erst vor Sekunden befruchtete Eizellen. Sie haben dafür allen Grund, und einen erstaunlich weit verbreiteten Schutzmechanismus gegen ungeplante Selbstvergiftung.
Das nennt man wohl ziemlich knallharte Auslese, wenn am Ende nur einer aus rund 300 Millionen übrig bleibt. Ein wahrer Champion, wer sich hier durchsetzt gegen alle sich ebenso abkämpfenden Konkurrenten – alle bis auf ihn werden sich aufopfern, auf der Strecke bleiben und sterben. Eben recht steinig, der Weg für ein Spermium zum Erfolg, einer Befruchtung der Eizelle.
Nur eine einzige männliche Geschlechtzelle aus einer Durchschnittsejakulation, der letztliche Auslese-Sieger, schreitet am Ende bei einem weiblichen Oozyten zur Tat, um ein neues Leben entstehen zu lassen. Dabei bleibt das Rennen in Richtung Eileiter spannend bis zuletzt: Wenn im Schlussspurt des Befruchtungswettkampfes die millionenhaft ersehnte Eizelle zum Greifen nah ist, umgeben immer noch rund 200 Mitbewerber den späteren Spermien-Schnellschwimmsieger – ein Fotofinish mit knappem Ausgang steht an. Dabei steht von Anfang an nur eines sicher fest: Zwei erste Plätze wegen Zeitgleichheit werden niemals vergeben.
Das ist auch dringend geboten: Polyspermie, die Mehrfach-Befruchtung einer Eizelle mit zwei oder gar einigen Spermien, führt zu einem nicht lebensfähigen Produkt. Das Überangebot an genetischem Material (den Gensatz von einer Mutter und mehreren Vätern) würde in einem solchen Fall Zellteilungen, eine geordnete Verteilung des Erbguts und jede sinnvolle genetische Regulation verhindern.
Es kann also nur einen geben – und dafür sorgt die befruchtete Eizelle selbst. Sobald ein erstes, einziges Spermium angedockt und sein genetisches Material durch die äußere Hülle injiziert hat, macht das Ei schleunigst alle Schotten dicht: Die Hülle der befruchteten Eizelle wird innerhalb kürzester Zeit zu einem für weitere Spermien undurchdringlichen Bollwerk umgebaut, an dem die zweiten, dritten und weiteren des Spermien-Wettlaufs sich die Zähne ausbeißen.
Bei Menschen und Mäusen ist schon recht gut untersucht, wie die Eizelle nach der Befruchtung ihre Zugbrücke hochzieht – am allerbesten aber kennt man die Vorgänge der Befruchtung des Seeigels. Er wurde zum Vorzeigeobjekt, weil an ihm die Entwicklung des Lebens vom Anfang an einfach und ungetrübt irgendwelcher störender, umhüllender Nährstoffversorgungspakete nachzuvollziehen ist.
Egal ob Stachelhäuter, Mensch oder Maus: Immer begleitet das Türzuschlagen der Eizelle direkt nach der Befruchtung eine Freisetzung von extrem reaktionsbereiten Sauerstoffprodukten. Unter deutlichem Sauerstoffverbrauch wird von der befruchteten Eizelle Wasserstoffperoxid produziert und in die äußeren Hüllbereiche entlassen.
Nun ist aber Wasserstoffperoxid nichts, mit dem lebende Zellen unachtsam umgehen sollten. Entsteht es als unerwünschtes Nebenprodukt bei Sauerstoff-Reaktionen, dann muss es schnell durch spezialisierte Enzyme abgebaut werden, damit kein größerer Schaden entsteht. Immunzellen dagegen machen sich die Wirkung des Moleküls zu Nutze, produzieren es gezielt in größeren Konzentrationen und töten damit Krankheitserreger oder entartete Körperzellen. Wozu dient es in der Eizelle?
Die Tiere nutzen das Peroxid in der äußeren Hülle, um dort sehr schnell bestimmte Eiweiße querzuvernetzen. Freigesetzt wird es, unmittelbar nachdem ein erstes Spermium eingedrungen ist, aus Kortikal-Granula kurz unterhalb der Hüllschicht – so läuft es auch bei Menschen, wo die äußere, hier "Zona pellucida" benannte Hülle allerdings anders aufgebaut ist. Und wie produziert die Eizelle das gefährliche Molekül? Anders als alle anderen Peroxid produzierenden Enzyme, fanden Julian Wong von der Brown-Universität und seine Kollegen nun bei ihrer Untersuchung von zweier Seeigelspezies im Labor heraus: Biochemische Analysen enthüllten, dass ein gänzlich anderes Enzym beteiligt sein muss als jenes, welches etwa in neutrophilen Immunzellen arbeitet.
Das Eizell-Enzym, eine Oxidase namens Udx1, vereinigt zwei Fähigkeiten: Sie konvertiert Sauerstoff in Wasserstoffperoxid und schützt zugleich sich und ihre Umgebung, indem sie überschüssige radikale Zwischenprodukte abfangen und unschädlich machen kann. Immunzellen verzichten auf ein derartiges Sicherheitsnetz – und werden daher meist nicht alt, weil sie durch ihre eigene Waffe mitsamt einem bekämpften Feind untergehen. Ein Schicksal, welches sich eine Eizelle nicht leisten sollte.
Nicht nur Seeigel, sondern nahezu alle Organismen nutzen nach Ansicht der Forscher ein dem nun entdeckten Wasserstoffperoxid-Enzym eng verwandtes Protein – Mäuse, Menschen und Fische ebenso wie Insekten, die ihre eigentlich gänzlich anders gestalteten Eihüllen offenbar ähnlich zu schützen versuchen. Übrigens, einige Seeigelei-Untersuchungen deuten auch darauf hin, dass die toxische Substanz nicht allein durch Härten des Eipanzers schützen kann, sondern noch viel direkter. Das radikale Molekül tötet schlicht alle Spermien, die nach einer Befruchtung der Hülle zu nahe kommen. Daumen runter für die gescheiterten Spermiengladiatoren am Ende ihres Wettkampfes.
Nur eine einzige männliche Geschlechtzelle aus einer Durchschnittsejakulation, der letztliche Auslese-Sieger, schreitet am Ende bei einem weiblichen Oozyten zur Tat, um ein neues Leben entstehen zu lassen. Dabei bleibt das Rennen in Richtung Eileiter spannend bis zuletzt: Wenn im Schlussspurt des Befruchtungswettkampfes die millionenhaft ersehnte Eizelle zum Greifen nah ist, umgeben immer noch rund 200 Mitbewerber den späteren Spermien-Schnellschwimmsieger – ein Fotofinish mit knappem Ausgang steht an. Dabei steht von Anfang an nur eines sicher fest: Zwei erste Plätze wegen Zeitgleichheit werden niemals vergeben.
Das ist auch dringend geboten: Polyspermie, die Mehrfach-Befruchtung einer Eizelle mit zwei oder gar einigen Spermien, führt zu einem nicht lebensfähigen Produkt. Das Überangebot an genetischem Material (den Gensatz von einer Mutter und mehreren Vätern) würde in einem solchen Fall Zellteilungen, eine geordnete Verteilung des Erbguts und jede sinnvolle genetische Regulation verhindern.
Es kann also nur einen geben – und dafür sorgt die befruchtete Eizelle selbst. Sobald ein erstes, einziges Spermium angedockt und sein genetisches Material durch die äußere Hülle injiziert hat, macht das Ei schleunigst alle Schotten dicht: Die Hülle der befruchteten Eizelle wird innerhalb kürzester Zeit zu einem für weitere Spermien undurchdringlichen Bollwerk umgebaut, an dem die zweiten, dritten und weiteren des Spermien-Wettlaufs sich die Zähne ausbeißen.
Bei Menschen und Mäusen ist schon recht gut untersucht, wie die Eizelle nach der Befruchtung ihre Zugbrücke hochzieht – am allerbesten aber kennt man die Vorgänge der Befruchtung des Seeigels. Er wurde zum Vorzeigeobjekt, weil an ihm die Entwicklung des Lebens vom Anfang an einfach und ungetrübt irgendwelcher störender, umhüllender Nährstoffversorgungspakete nachzuvollziehen ist.
Egal ob Stachelhäuter, Mensch oder Maus: Immer begleitet das Türzuschlagen der Eizelle direkt nach der Befruchtung eine Freisetzung von extrem reaktionsbereiten Sauerstoffprodukten. Unter deutlichem Sauerstoffverbrauch wird von der befruchteten Eizelle Wasserstoffperoxid produziert und in die äußeren Hüllbereiche entlassen.
Nun ist aber Wasserstoffperoxid nichts, mit dem lebende Zellen unachtsam umgehen sollten. Entsteht es als unerwünschtes Nebenprodukt bei Sauerstoff-Reaktionen, dann muss es schnell durch spezialisierte Enzyme abgebaut werden, damit kein größerer Schaden entsteht. Immunzellen dagegen machen sich die Wirkung des Moleküls zu Nutze, produzieren es gezielt in größeren Konzentrationen und töten damit Krankheitserreger oder entartete Körperzellen. Wozu dient es in der Eizelle?
Die Tiere nutzen das Peroxid in der äußeren Hülle, um dort sehr schnell bestimmte Eiweiße querzuvernetzen. Freigesetzt wird es, unmittelbar nachdem ein erstes Spermium eingedrungen ist, aus Kortikal-Granula kurz unterhalb der Hüllschicht – so läuft es auch bei Menschen, wo die äußere, hier "Zona pellucida" benannte Hülle allerdings anders aufgebaut ist. Und wie produziert die Eizelle das gefährliche Molekül? Anders als alle anderen Peroxid produzierenden Enzyme, fanden Julian Wong von der Brown-Universität und seine Kollegen nun bei ihrer Untersuchung von zweier Seeigelspezies im Labor heraus: Biochemische Analysen enthüllten, dass ein gänzlich anderes Enzym beteiligt sein muss als jenes, welches etwa in neutrophilen Immunzellen arbeitet.
Das Eizell-Enzym, eine Oxidase namens Udx1, vereinigt zwei Fähigkeiten: Sie konvertiert Sauerstoff in Wasserstoffperoxid und schützt zugleich sich und ihre Umgebung, indem sie überschüssige radikale Zwischenprodukte abfangen und unschädlich machen kann. Immunzellen verzichten auf ein derartiges Sicherheitsnetz – und werden daher meist nicht alt, weil sie durch ihre eigene Waffe mitsamt einem bekämpften Feind untergehen. Ein Schicksal, welches sich eine Eizelle nicht leisten sollte.
Nicht nur Seeigel, sondern nahezu alle Organismen nutzen nach Ansicht der Forscher ein dem nun entdeckten Wasserstoffperoxid-Enzym eng verwandtes Protein – Mäuse, Menschen und Fische ebenso wie Insekten, die ihre eigentlich gänzlich anders gestalteten Eihüllen offenbar ähnlich zu schützen versuchen. Übrigens, einige Seeigelei-Untersuchungen deuten auch darauf hin, dass die toxische Substanz nicht allein durch Härten des Eipanzers schützen kann, sondern noch viel direkter. Das radikale Molekül tötet schlicht alle Spermien, die nach einer Befruchtung der Hülle zu nahe kommen. Daumen runter für die gescheiterten Spermiengladiatoren am Ende ihres Wettkampfes.
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