Artbestimmung: Tausend Fische in einem Glas Wasser
"Man hört es vielleicht nicht gern, aber der Ozean ist eine Suppe aus Zellen, Gewebefetzen und Exkrementen", erzählt Ryan Kelly, Meeresforscher der Universität Washington. Etwas mehr als ein Glas dieser trüben Suppe hat ihm nun gereicht, um beinahe alle Arten der im Monterey Bay Aquarium lebenden Fische nachzuweisen. Dabei handelt es sich immerhin um eines der größten Aquarien der Welt. In dem etwa 4,5 Millionen Liter fassenden Wassertank leben um die 13 000 Fische.
Jede der im Wasser umhertreibenden Zellen enthält das Erbmaterial des Fischs, von dem sie stammt. Dieses nur in Spuren vorhandene Material vervielfältigten die Forscher und verglichen es dann mit einer Datenbank. Um die DNA anzureichern, werden so genannte Primer benötigt. Das sind kleine DNA-Stückchen, die spezifisch an vorhandene DNA-Proben binden und dadurch die Stelle im DNA-Strang markieren, die vermehrt werden soll. Kelly verwendete eine einzige Sorte Primer – solche, die nur an DNA von Wirbeltieren binden können. Trotzdem haben er und seine Kollegen das Erbmaterial der ebenfalls vorhandenen Schildkröten, Haie und Rochen nicht gefunden. Die Experten bewerten das aber als unvermeidliche Abweichung. Es müsse eben ständig an der Entwicklung neuer Primer gearbeitet werden, betont Kelly.
In der gefundenen DNA befinden sich viele Gene, die typisch für die jeweilige Fischart sind. Auf diese Weise gelang es den Wissenschaftlern nicht nur, die vorhandenen Fische zu erkennen, sondern auch noch abzuschätzen, wie zahlreich sie vorkommen. Anhand der Daten konnten sie ablesen, was das Aquarium natürlich schon längst wusste: Tunfische und Sardinen sind die häufigsten Bewohner im Becken. Für Kelly und seine Kollegen war es wichtig, in einer definierten Umgebung zu testen, wie genau die Methode ist.
In Zukunft soll die Technik auch im offenen Meer angewendet werden. Sie ist günstiger und schneller durchzuführen als klassische Zählmethoden. Im Meer könnte sie mithelfen, invasive Arten, die heimische Vertreter verdrängen können, zu entdecken, bevor sie zum Problem werden. Außerdem bietet sie eine gute Möglichkeit, grundlegende ökologische Funktionen wie zum Beispiel das Nahrungsnetz im Ozean zu untersuchen. Einen Haken hat die Sache allerdings doch: "Natürlich ist das ein effizientes Werkzeug in freier Natur – wenn man weiß, wonach man sucht", räumt Kelly ein. Denn nur Fischarten, von denen die DNA und ihr spezielles Genmuster bereits bekannt sind, können mit dieser Methode bestimmt werden.
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