»Mikro-Fledermäuse«: Tausende winzige Fledermäuse auf Pazifikinsel entdeckt
Geführt von Dorfbewohnern stiegen Fledermausspezialisten durch den Eingang einer Höhle auf der abgelegenen Fidschi-Insel Vanua Balavu hinab. Sie rutschten eine Felswand hinunter, schwammen durch ein unterirdisches Becken, kletterten über Haufen von Guano und kamen in einer kathedralengroßen Höhle heraus. Die war, so Kris Helgen, Säugetierexperte und leitender Wissenschaftler am Australian Museum Research Institute in Sydney, »absolut vollgestopft« mit Pazifik-Freischwanzfledermäusen (Emballonura semicaudata).
Tausende der Tiere füllten die Höhle wie eine Wolke. Helgen konnte das Rauschen ihrer zarten Flügel spüren, als sie in der Dunkelheit um ihn herumflogen. »Es war ein atemberaubender Moment«, sagt er. Die von der gemeinnützigen Organisation Conservation International geleitete Expedition im April hatte nicht nur die größte bekannte Fledermaushöhle auf den pazifischen Inseln entdeckt, mit einer Population, die vorsichtig auf 2000 bis 3000 Tiere geschätzt wird. Die Forscher fanden auch neue Hoffnung für ein Lebewesen, von dem sie befürchtet hatten, dass es sich rasant dem Aussterben nähert.
Pazifik-Freischwanzfledermäuse haben ein weiches, schokoladenbraunes Fell und wiegen nur fünf Gramm – so viel wie ein 20-Cent-Stück oder ein Blatt Papier. Einige Millionen Jahre bevor die Menschen über den Pazifik segelten und sich auf einer Insel nach der anderen niederließen, unternahmen diese winzigen Fledermäuse die gleichen erstaunlichen Reisen – in der Luft. Eine verwandte Art, die etwas größere Brasilianische Bulldoggfledermaus (Tadarida brasiliensis), kann in einer einzigen Nacht 160 Kilometer weit fliegen.
Die Fledermausinseln
Auf den pazifischen Inseln gibt es 191 bekannte Fledermausarten. Sie reichen von Insekten fressenden Kleinstfledermäusen wie den vier Zentimeter langen Freischwanzfledermäusen bis hin zu fruchtfressenden Flughunden, die in Bäumen baumeln und eine Flügelspannweite von einem Meter haben. Die Menschen in der Region sammeln den Guano der Fledermäuse als Dünger, jagen sie als Nahrung und verwenden auf den Salomonen sogar die Zähne als traditionelles Zahlungsmittel.
Die Freischwanzfledermaus gehörte einst zu den am weitesten verbreiteten Säugetieren im Pazifik, ist aber heute eine der am stärksten bedrohten Arten. Noch vor weniger als einem Jahrhundert waren sie in ganz Ozeanien, von Guam bis Amerikanisch-Samoa, anzutreffen. Heute wird angenommen, dass die vier bekannten Unterarten nur noch auf einigen wenigen mikronesischen und fidschianischen Inseln existieren.
Der Inselstaat Fidschi sei die »letzte Hochburg« der Unterart Emballonura semicaudata semicaudata, sagt Expeditionsmitglied Siteri Tikoca, eine fidschianische Naturschutzbiologin und Doktorandin an der University of Adelaide in Australien. Aber auch auf den Fidschi-Inseln sind die Fledermauspopulationen stark geschrumpft. In einigen wichtigen Fledermaushöhlen gibt es gar keine Fledermäuse mehr. Tikoca hat 2018 in einer Höhle auf der Insel Taveuni, etwa 120 Kilometer nordwestlich von Vanua Balavu, rund 1000 Freischwanzfledermäuse gezählt. Im Jahr 2019 waren die Wälder fast bis zum Eingang der Höhle abgeholzt – und nur noch ein paar hundert Fledermäuse übrig.
Es muss dringend gehandelt werden
Tikoca erzählt, dass der Fund eines solchen gesunden Schlafplatzes in der Vanua-Balavu-Höhle ein schöner Moment gewesen sei, der ihre Hoffnung für diese Fledermäuse wieder aufleben ließ. Aber die Situation auf Taveuni unterstreiche die Notwendigkeit, die Tiere jetzt zu schützen, weil innerhalb eines Jahres so viel passieren könne. »Wenn wir auf den Fidschi-Inseln nichts für sie tun, werden wir diese Unterart ganz verlieren.« Conservation International will nun mit den indigenen Gemeinschaften der Region zusammenarbeiten, um die Höhle besser zu schützen. »Es bereichert uns alle, dass sie diese Landschaften, diese Höhlen und letztlich auch diese Fledermäuse bewahrt haben«, sagt Helgen.
Die Insekten fressenden Fledermäuse spielen mutmaßlich eine Schlüsselrolle in den umliegenden Ökosystemen, indem sie Pflanzenschädlinge fressen und krankheitsübertragende Moskitos kontrollieren. Mehr über die Ökologie dieser Tiere zu erfahren, ist laut Tikoca von entscheidender Bedeutung und ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu einer möglichen Wiederansiedlung von Freischwanzfledermäusen in einigen ihrer früheren Reviere.
»Dies ist ein beeindruckender Fund und ein großer Gewinn für die Art«, sagt Jon Flanders von Bat Conservation International, der selbst nicht an der Expedition beteiligt war. Seit 2005 wurden weltweit 270 neue Fledermausarten beschrieben – und diese jüngste Entdeckung deutet laut Flanders darauf hin, dass andere Pazifikinseln noch mehr geflügelte Überraschungen beherbergen könnten: »Das zeigt, wie wenig wir noch über Fledermäuse wissen.«
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