Verhalten: Teilzeithomosexualität bei Libellen
Männchen der Großen Pechlibelle (Ischnura elegans) versuchen des öfteren, sich mit Artgenossen gleichen Geschlechts zu paaren. Hans van Gossum von der Universität Antwerpen und seine Kollegen erklären dies nun als unfreiwillige Nebenwirkung einer höchst flexiblen Einstellung in der Wahl eines Weibchens.
Die Weibchen der Großen Pechlibelle gibt es in unterschiedlichen Farbvarianten, von denen eine für menschliche Augen rein äußerlich nicht von Männchen zu unterscheiden ist. Die Häufigkeit der einzelnen Typen schwanken je nach Umweltbedingungen stark, und die Männchen bevorzugen für die Fortpflanzung jeweils den gerade häufigsten Typ.
Van Gossum und seine Kollegen untersuchten nun, wie sich der Effekt des häufigsten Anblicks auf die Partnerwahl der Männchen auswirkt: Sie überprüften zunächst die Präferenzen der Tiere direkt nach dem Fang, indem sie Männchen mit jeweils einem der beiden weiblichen Farbvarianten sowie einem paarungsunwilligen Männchen konfrontierten. Dann setzten sie die Libellen für zwei Tage in Freiluftgehege, die allein von weiteren Männchen besiedelt waren, und testeten anschließend die Vorlieben erneut. Schließlich kehrten die Tiere noch einmal für zwei Tage in die Gehege zurück, in denen sich nun auch Weibchen fanden, bevor sie den Partnertest ein letztes Mal über sich ergehen lassen mussten.
Direkt nach dem Fang zeigten alle Männchen eine deutliche Vorliebe für Weibchen, egal welche Farbvariante ihnen präsentiert wurde – sie können also bestens zwischen potenziellen Müttern und anderen Männchen unterscheiden, auch wenn sie sich zum Verwechseln ähneln. Einige jedoch versuchten trotzdem, ein weiteres Männchen von einem Paarungsrad zu überzeugen. Nach der zweitägigen Männer-WG sprang der Anteil versuchter homosexueller Paarungen drastisch in die Höhe – obwohl auch Weibchen verfügbar waren. Nach wiederum zweitägiger zusätzlicher Frauengesellschaft hingegen zeigten die Libellenmänner wieder gesteigertes Interesse am weiblichen Geschlecht. Und doch: 17 Prozent der Tiere blieben beim homosexuellen Annäherungsversuch.
Dahinter steckt aus Evolutionssicht der Selektionsdruck, sich bei der Partnerwahl möglichst flexibel entscheiden zu können, folgern die Forscher: Zeigt sich einer zu engstirnig in seinen Vorlieben, hat er dadurch weniger Fortpflanzungserfolg, da sein bevorzugter Typ womöglich gerade eher selten ist. Wenn es nun aber an Weibchen mangelt, fliegen die Libellenmännchen daher auf ihresgleichen – etwas anderes bekommen sie schließlich kaum zu sehen.
Das Verlangen nach einem häufigen Vertreter prägt dabei so intensiv, dass ein kurzfristig auftauchender Frauenflügel nur müdes bis gar kein Interesse weckt, signalisiert seine Seltenheit doch – vermeintlich – schlechteren Fortpflanzungserfolg. Und da die Tiere Weibchen und Männchen trotz gleicher Färbung auseinander halten können, verhilft auch die ähnliche Tracht nicht zu einer fruchtbaren Kurzehe. Warum aber ein knappes Fünftel der tierischen Probanden auch nach längerer weiblicher Gesellschaft immer noch lieber intime Männerkontakte sucht, bleibt offen.
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