Regenwald: Tellergroße Spinne erlegt Opossum
Nächtliche Ausflüge in den Regenwald sind nichts für Menschen mit schwachen Nerven. Denn das ist unter anderem auch die Zeit, wenn die größten Achtbeiner der Erde auf Jagd gehen. Und dabei erbeuten sie nicht nur Insekten und andere wirbellose Tiere. Größere Arten fallen ihnen ebenfalls zum Opfer, wie eine Bestandsaufnahme des Biologen Rudolf von May von der University of Michigan und seines Teams im peruanischen Amazonasgebiet zeigt. Bei einem ihrer Streifzüge im Dunklen beobachteten sie sogar, wie eine tellergroße Vogelspinne der Gattung Pamphobeteus ein junges Opossum abschleppte (ab 0:11 im Video), um es zu verspeisen. »Wir hörten Laub rascheln und schauten nach. Dann sahen wir eine riesige Vogelspinne auf einem Opossum«, beschreibt der beteiligte Biologe Michael Grundler die Szene, welche die Wissenschaftler auch filmten. Das Jungtier war sogar größer als der Spinnenleib, und dennoch hatte es keine Chance gegen den kräftigen Biss.
Diese Beobachtung war jedoch eine Ausnahme. Häufiger sahen die Forscher, wie Spinnen, aber auch Tausendfüßer sowie eine große Wasserwanzenart lebende Frösche und Reptilien erlegten. »Das ist eine unterschätzte Todesursache für kleine Wirbeltiere«, sagt der Koautor Daniel Rabosky in einer Mitteilung. »Ein überraschend hoher Anteil an toten kleinen Wirbeltieren in Amazonien dürfte auf Arthropoden wie Spinnen und Hundertfüßer zurückgehen.« Zahlenmäßig richtig erfasst wurden sie in dieser Studie aber ebenso wenig wie in vorherigen Untersuchungen – die Menge an Beobachtungen stützt allerdings die These. Immerhin: Das gefilmte Aufeinandertreffen der Vogelspinne und des Opossums ist die erste belegte Beobachtung einer derartigen Räuber-Beute-Beziehung. Erstaunt waren die Biologen auch von einem Ereignis, bei dem ein Hundertfüßer eine Korallenschlange geköpft hatte und verspeiste. Diese Reptilien besitzen ein für Menschen ebenfalls tödliches Gift, doch konnte dieses nichts gegen den Gliederfüßer ausrichten. In einem zweiten Fall fraß ein Hundertfüßer eine lebende Schneckenfresserschlange.
Spinnen und Frösche können allerdings auch koexistieren, wie von May und Co ebenfalls beobachteten. Eine Vogelspinnenart, ebenfalls aus der Gattung Pamphobeteus, lebt demnach mit einer winzigen Froschart zusammen, ohne dieser gefährlich zu werden. Die Amphibien schützen also womöglich die Eier der Achtbeiner vor Ameisen und befreien die Spinnen selbst von parasitären Fliegen. Auf der anderen Seite sorgt die Spinne für Schutz und Nahrung, weil ihre eigenen Beutereste kleinere Insekten anlocken. Diese Symbiose kennt man bereits von Vogelspinnen der Art Xenesthis immanis aus Kolumbien, die sich ihre unterirdischen Höhlen mit bestimmten Engmaulfröschen teilen.
Anm. d. Red.: Im Artikel stand ursprünglich Tausendfüßer. Es handelte sich jedoch um Hundertfüßer. Wir haben den Fehler korrigiert,
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