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News: Temperaturgefälle für perfektes Wachstum

Photonische Kristalle sollen für künftige optische Bauelemente das sein, was heute Silicium für die Mikroelektronik ist. Doch ist die Herstellung dieses besonderen Materials immer noch alles andere als einfach. Forscher haben nun auf Basis von Selbstorganisation eine vielversprechende Methode gefunden, die Kristalle auf einem Silicium-Substrat wachsen zu lassen.
Zur Zeit führt bei der Informationsverarbeitung kein Weg an der Elektronik vorbei. Das könnte sich in Zukunft jedoch ändern, denn das Photon – das Lichtquant – steht schon in den Startlöchern, um das Elektron zumindest aus manchen angestammten Anwendungsbereichen zu verdrängen. Photonik heißt das Stichwort und mit der Verschmelzung der Begriffe Photon und Elektronik deutet sich schon die Richtung an, in die es gehen soll.

Herzstück dieser Technik sind neuartige Materialien, die es gestatten, mit Licht genauso oder ähnlich zu arbeiten, wie mit Elektronen. Das Pendant zum Halbleiter Silicium, dem die Elektronik ihren Siegeszug zu verdanken hat, ist hier der so genannte photonische Kristall. Dabei handelt es sich um künstliche oder natürliche Kristallstrukturen, deren Brechungsindex auf der Skala der Wellenlänge des Lichts periodisch moduliert ist. Ein Silicium-Kristall, der von einem regelmäßigen Gitter aus Löchern durchbohrt ist, kann ein solcher Kristall sein.

Durch die periodische Modulation entsteht eine so genannte photonische Energielücke, die ähnliches leistet wie die Bandlücke eines Halbleiters: Denn im Silicium kann die Lücke den Elektronenfluss stoppen, oder zumindest für diejenigen Elektronen verbietet, deren Energie nicht ausreicht sie zu überwinden. Und auch die photonische Energielücke lässt nur bestimmte Lichtwellenlängen passieren, andere jedoch nicht. Ähnlich wie man einen Halbleiter mit Fremdatomen dotiert, um gezielt die Beschaffenheit seiner Bandlücke zu manipulieren, lassen sich auch in so einen photonischen Kristall absichtlich Fehlstrukturen einbauen, um ausgewählten Photonen den Weg in das Material zu gestatten.

Doch wie stellt man überhaupt einen photonischen Kristall her? Dazu gibt es im Prinzip zwei Ansätze: zum einen lithographische Methoden, zum anderen die Selbstorganisation. Lithographische Methoden sind vor allem aus der Halbleiterindustrie bekannt; hier entstehen – recht mühselig in vielen Prozessschritten – Strukturen, die vorher am Computer modelliert wurden. Viel schneller und ungleich effizienter ist die Selbstorganisation, bei der die Parameter eines chemischen oder physikalischen Prozesses gerade so eingestellt werden, dass die gewünschte Struktur ganz von selbst entsteht.

Während nun diese Selbstorganisation von photonischen Kristallen in der Natur vergleichsweise gut funktioniert – die Seemaus (Aphrodite aculeata) besitzt beispielsweise opalisierende Borsten aus diesem Material – so gelingt ihre Adaption im Labor nur bedingt. Nichtsdestotrotz konnten nun Yurii Vlasov und seine Kollegen vom NEC Research Institute in Princeton und von der Princeton University in einem unkomplizierten Prozess einen photonischen Kristall wachsen lassen.

Die Forscher schieden dazu zunächst aus einer kolloidalen Suspension kleine Polymer- oder Siliziumdioxid-Kügelchen auf einem senkrecht stehenden Silicium-Substrat ab. Während das Lösungsmittel verdunstete und die Suspension langsam an dem Substrat herunterfloss, hinterließ sie einen dünnen Film dicht gepackter Kügelchen. Eine solche Methode ist an sich nichts Neues, doch war sie bislang auf kleine Teilchen unterhalb von 400 Nanometern im Durchmesser beschränkt. Größere Teilchen, wie sie für einen Kristall von technologischer Bedeutung nötig wären, neigten dazu sich schon früh aus der Lösung abzuscheiden und bildeten ungeordnete Klumpen an der Oberfläche.

Dieses Problem konnten die Wissenschaftler nun jedoch lösen, indem sie die Suspension auf der Substratoberfläche auf unterschiedliche Temperaturen brachten und so darin eine Konvektionsströmung auslösten. Die Strömung unterdrückte, dass sich frühzeitig Kügelchen ablagerten. Und nur am oberen Ende, an der Grenze zwischen Suspension und Unterlage schied sich ein Film aus geordneten Kügelchen ab.

Damit war zwar noch kein photonischer Kristall geschaffen, doch der weitere Prozess war nur noch Routine: Mit herkömmlichen Verfahren füllten die Forscher die Zwischenräume zwischen den Kügelchen mit Silicium und ätzten anschließend das Polymer beziehungsweise das Siliciumdioxid weg. Übrig blieb ein Gitter aus perfekt angeordneten kugelförmigen Hohlräumen.

Vlasov und seinen Kollegen gelang es sogar, absichtlich kleine Defekte in den Kristall einzubauen, indem sie der Suspension ein paar Kügelchen mit unterschiedlichem Durchmesser beigaben. Zwar sind diese absichtlichen Defekte noch zufällig gestreut, doch die Wissenschaftler arbeiten bereits daran, deren Position räumlich zu kontrollieren. So lässt sich Licht bei einem Punktdefekt auf kleinem Raum konzentrieren und mit einem linienförmigen Effekt wie durch einen Lichtwellenleiter lenken. Wenngleich noch so manche Hürde zu nehmen ist, bevor die Photonik der Elektronik den Rang abläuft, so ist mit dieser Arbeit doch wieder ein kleiner Schritt in diese Richtung gelungen.

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