Landwirtschaft: Termiten machen es grün
Dorkas Kaiser kniet vor einem Gebilde, das auf den ersten Blick an eine getöpferte, mehrarmige Skulptur erinnert. Mit einer Schaufel bohrt sie ein Loch in den vermeintlichen Sockel. Heraus quellen Unmengen kleiner weißer Tiere: Termiten. "Die Tiere haben hier aus Erde und Speichel eine Art Mantel um einen abgestorbenen Baum herumgebaut. Darin sind sie vor Austrocknung geschützt und können die toten Pflanzenreste im Inneren verarbeiten", erklärt die Biologin von der Universität Würzburg. Tatsächlich brennt die Sonne erbarmungslos vom Himmel, denn Kaiser forscht in der Sahelzone am südlichen Rand der Sahara in Burkina Faso. Ihr Untersuchungsobjekt hat hier offensichtliche Wunder geleistet: Auf völlig verödetem Land wuchs in nur wenigen Jahren ein Trockenwald. Bauern bestellen ihre Hirsefelder, die Menschen haben eine fast gänzlich verlassene Region wieder besiedelt.
Nun will die Forscherin herausfinden, wie dies erreicht werden konnte – und was noch möglich ist, wenn die hier entwickelte Methode zur Bodenregenerierung Schule machte. Denn kaputte Böden gibt es in Afrika wie rund um den Globus auf riesigen Flächen: Weltweit sind durch Übernutzung 20 bis 25 Prozent aller Böden degradiert, jährlich kommt eine Fläche der Größe Österreichs hinzu – obwohl bis 2050 bei gleich bleibend ansteigender Nachfrage nach Nahrungsmitteln Ackerland der 30- bis 80-fachen Größe Österreichs zusätzlich dazukommen müsste.
Wo die Böden zerstört sind, ziehen die Menschen weg, meist in städtische Ballungsgebiete. So auch hier auf dem nördlichen Zentralplateau in Burkina Faso, einer landwirtschaftlich wichtigen Region, in der rund die Hälfte der Landbevölkerung des gesamten Staats lebt. Zwischen 1968 und 1984 herrschte jedoch eine extreme Dürreperiode, in der die Region austrocknete und die meisten Menschen abwanderten. Yacouba Sawadogo jedoch blieb: ein armer Bauernsohn mit einem starken Willen und einer Vision, über dessen Erfolg sogar der Film "Der Mann, der die Wüste stoppte" gedreht wurde.
Tradition half weiter
Sawadogo entdeckte den Schlüssel, mit dem schließlich die ganze Region wiederbelebt wurde – die traditionelle Zaï-Methode, die er weiterentwickelte. Anfang der 1980er Jahre begann er stets vor der Regenzeit, tausende Löcher in den steinharten Untergrund zu hacken, damit dieser die Niederschläge besser halten konnte – immer 30 bis 40 Zentimeter breit, 15 bis 20 Zentimeter tief, Schwerstarbeit in der schattenlosen Hitze. Anders als seine Vorfahren baute er jedoch nicht nur zusätzlich lange Steinreihen, um das Wasser vor dem Abfließen zu bewahren, sondern füllte die Löcher zusätzlich mit einem Spezialdünger aus Laub, Dung und Asche; zuletzt gab er einige Hirsesamen dazu. Mit großem Erfolg: Das Wasser blieb, die Hirse gedieh. Schon im ersten Jahr wuchs sie zwei Meter hoch. Dazu keimten mit Hilfe des Kompostes verschiedene andere Pflanzenarten, und über die Jahre wuchs ein Wald, wo zuvor kein Baum gestanden hatte.
Dahinter müsse also mehr stecken als nur die Gabe von Wasser und Dünger, dachte sich daher Dorkas Kaiser, als sie vor einigen Jahren von diesem Erfolg hörte. Denn Böden sind nicht einfach ein lebloses Substrat, das jedes Jahr aufs Neue Pflanzen wachsen und gedeihen lässt, wenn man es nur mit Nährstoffen anreichert und bewässert. Sie sind vor allem das Produkt von Lebewesen. Unzählige Arten zersetzen totes organisches Material, machen Nährstoffe für Pflanzen wieder zugänglich und lockern das Substrat auf, so dass Wasser und Sauerstoff ihn durchdringen können. In der Sahelzone übernehmen diese Arbeit vor allem die mehr als 40 vorhandenen Termitenarten, allen voran die Pilzzüchter der Gattung Odontotermes, die sich als Erste auf ausgedörrten Böden bei "Futtergabe" einfinden.
"Was diese Termiten innerhalb eines Monats wegschaffen können, ist der helle Wahnsinn", begeistert sich die Forscherin. Sie ist inzwischen davon überzeugt, dass die Insekten die Schlüsselrolle in Sawadogos Zaï-Methode spielen. Vom organischen Material in den Löchern werden sie quasi automatisch angezogen und versetzen dafür im wahrsten Sinne des Wortes Berge: Als Kaiser auf Sawadogos Land die Bodenstruktur des oberen Meters untersuchte, bemerkte sie, dass größere Steine und Geröll mit der Zeit immer weiter nach unten wandern – allein durch die Betriebsamkeit der Termiten. Sie graben sich von ihren unterirdischen Nestern Gänge zu den Löchern, um an deren Füllung zu gelangen. Dadurch bekommt der Boden Poren wie ein Schwamm, die das Regenwasser aufnehmen und speichern. Gleichzeitig befördern sie nach und nach kleinere Partikel an die Oberfläche und graben so den gesamten Boden um. "Zu Beginn hatte das Substrat 70 Prozent Geröllanteil. Nach einigen Jahren halbierte sich der Anteil in den oberen 10 bis 25 Zentimetern fast", erzählt die Biologin.
Pilzzucht führt zum Erfolg
Der eigentliche Erfolg beruht jedoch auf einem weiteren Effekt: Die Termiten nutzen die organische Mischung aus den Löchern nicht sofort als Nahrung, sondern verfrachten sie in kleine Kammern ihres Nestes, wo sie darauf wie kleine Landwirte ihre eigenen Pilzrasen züchten. Diese produzieren wiederum Enzyme, mit denen die Insekten schwer verdauliche Pflanzenreste aus Lignin und Zellulose umsetzen. Dadurch erschließen sie sich extrem viele unterschiedliche Versorgungsquellen – von totem Holz über Heu bis hin zu Laub –, so dass sie sich schnell vermehren können. Sobald diese Pioniere die Lebensbedingungen verbessert haben, gesellen sich weitere Termitenarten dazu, die wiederum mithelfen, den Lebensraum für weitere Tier- und Pflanzenarten attraktiv zu machen.
Die Termiten erfüllen damit in diesem Teil Afrikas eine ähnliche Aufgabe wie die Regenwürmer in gemäßigten Klimazonen: Sie graben um, schaffen Raum für Luft- und Wasserspeicherung und verteilen die Nährstoffe im Boden. Indem sie die Pflanzenreste einspeicheln und mit Erde verkleistern, reichern sie zudem nicht nur den Boden mit Nährstoffen an, sondern sorgen auch dafür, dass sich diese besser aus den Pflanzenteilen lösen.
Diese Symbiose zwischen Mensch und Termite hat in Burkina Faso einen regelrechten Entwicklungsschub ermöglicht. Der Grundwasserspiegel stieg wieder: Wo die Menschen früher für Wasser kilometerweit gehen mussten, holen die Menschen heute Wasser aus Brunnen vor Ort, da die Bäume den Regen halten. Die zuvor verarmte, landwirtschaftlich geprägte Region bietet heute wieder eine Lebensperspektive, viele Menschen bleiben. Und Yacouba Sawadogo ist heute ein gefragter Mann. Er berät Institutionen wie die Welternährungsorganisation FAO und wird zu internationalen Konferenzen eingeladen. Denn ein Team französischer und Schweizer Wissenschaftler hat hochgerechnet, dass seine Methode das Potenzial hat, große Teile Afrikas – nördlich des Äquators von Guinea bis zum Sudan, südlich von Angola bis Mosambik – wieder zu begrünen, wo heute noch regelmäßig Ernteausfälle drohen. Denn eine wesentliche Voraussetzung ist die relativ geringe Menge von 300 bis 700 Millimetern Niederschlag pro Jahr. "In feuchteren Regionen funktioniert die Methode nicht, weil dort die Hirsesamen in den Löchern ersaufen", erklärt Kaiser. "Außerdem müssen die Böden nach einer Trockenzeit völlig ausgedörrt sein, so dass deren Oberfläche hart und verkrustet ist. Nur dann läuft das Regenwasser in die gegrabenen Löcher."
Dorkas Kaiser wollte jedoch nicht nur herausfinden, wie diese Methode funktioniert, sondern auch, wo sie noch nachlegen könnte. Sie experimentierte mit verschiedenen Mischungen in den Erdlöchern, versuchte es mit Holz oder Heu statt des Laub-Dung-Asche-Potpourris. Und tatsächlich: "Auf das Heu springen die Termiten noch viel besser an und verfrachten wesentlich mehr davon in ihre Gänge." Allerdings benötigen die Hirsesamen unbedingt die von Sawadogo entdeckte Mischung als Dünger für ihr Wachstum – in Kombination mit Heu könnte diese Variante damit vermutlich das Rennen machen.
Eines ist zudem klar: Die Termiten können nicht einfach gezielt und bequem als kleine landwirtschaftliche Helfer ausgesetzt werden, die Bauern müssen sie mit den mühsam gehackten und gefüllten Löchern anlocken. "Termiten können nicht als Einzeltiere überleben, sondern nur als langsam gewachsener Staat, in dem eine strenge Arbeitsteilung in Königin und König, Arbeiter und Soldaten herrscht. Nur gemeinsam funktionieren sie wie ein großer Organismus und können für uns ihre wertvollen Dienste leisten", erklärt die Biologin.
Nur für ein Problem hat Kaiser noch keine wirkliche Lösung gefunden: Sawadogo tränkt die Hirsesamen vor der Aussaat in Batteriesäure. Das soll verhindern, dass Termiten auch sie in ihre Kammern verschleppen – was aber wenig natürlich ist. "Bestimmt wird sich aber auch hier bald Abhilfe finden", meint sie lächelnd.
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