Direkt zum Inhalt

News: Teuflischer Proteintrick

Knäueln und falten sich harmlose Proteine zu funktionslosen Klumpen, stören sie den regulären Ablauf, so etwa im Gehirn, wo spezielle Proteinklumpen zur Alzheimer-Krankheit führen. Dieses unsachgemäße Falten scheint jedoch unter Proteinen gang und gäbe zu sein: Mindestens 20 unterschiedliche Proteine, isoliert aus Pflanzen, Hefen und dem Menschen, lagern sich unter extremen Laborbedingungen zu den verhängnisvollen Amyloid-Fibrillen zusammen. Könnte es sich hierbei um einen allgemeinen Mechanismus handeln?
Proteine, die langen Schnüre aus aufgefädelten Aminosäuren, falten sich meist in empfindliche, hoch komplizierte Strukturen. Welche Teile der Proteinkette hierbei Schutz im Inneren suchen und welche äußere Positionen vorziehen, liegt in der Natur der beteiligten Aminosäurereste: Wasserliebende Enden sortieren sich am Proteinrand, während wasserabweisende das feuchte Nass meiden wie der Teufel das Weihwasser und sich nach innen zurückziehen. Gerät das sensible Gleichgewicht durch äußere Umstände außer Kraft, klumpt das Protein zu einem nutzlosen Haufen und wird arbeitsunfähig.

Auch bei der Alzheimer-Krankheit sind fehlgefaltete Proteine als klumpige Amyloidfibrillen gehäuft im Gehirn der Betroffenen nachzuweisen. Doch die neurodegenerative Erkrankung scheint kein Alleinrecht auf fehlerhafte Proteinformen zu haben. Mindestens 20 andere Proteine, aus so unterschiedlichen Organismen wie Hefen, Pflanzen und dem Menschen, teilen die Fähigkeit zu klumpen, wie der Strukturbiologe und Chemiker Christopher Dobson nun herausfand. Er und sein Team von der University of Cambridge experimentierten mit recht unterschiedlichen Vertretern der Proteinspezies, wobei sowohl verschiedene Strukturen als auch Funktionen vertreten waren.

Trotz aller Unterschiedlichkeit zeigten die Proteine auch eine übergreifende Gemeinsamkeit: Unter unfreundlichen Außenbedingungen – wie Erhitzen oder Eintauchen in säure- oder alkoholhaltige Lösungsmitteln – bildeten alle so behandelten Moleküle spontan längliche Fasern, so genannte Fibrillen. Sogar das Sauerstofftransportmolekül Myoglobin unterlag einer kompletten strukturellen Überholung und adoptierte die Fibrillenform. Die unter Laborbedingungen hervorgerufenen Veränderungen sind in ihren Auswirkungen genauso tödlich wie ihre missgefalteten Verwandten, die bereits als Krankheitsauslöser bekannt sind. Dies fand das Forscherteam anhand zweier künstlich geschaffener Proteinknäuel in Maus und Ratte heraus und zeigte hierbei, dass die frühen Phasen der Fibrillenbildung sogar noch giftiger sind als die finalen.

Nun muss nach Bedeutung und Sinn der vorliegenden Ergebnisse gesucht werden. Eine kleine, aber wachsende Zahl von Naturwissenschaftlern argwöhnt, dass die fehlerhafte Proteinfaltung auch in normalen biologischen Prozessen eine Rolle spielt, besonders wenn sich der Verdacht auf einen allgemeinen Mechanismus bestätigen sollte. Aufzuklären, wie missgefaltete Proteine Krankheiten auslösen können, ist trotz allem noch ein langer Weg.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.