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Bose-Einstein-Kondensat: Theoretische »Quanten-Superchemie« erstmals beobachtet

Fachleute realisieren einen neuen Typ chemischer Reaktion: Große Gruppen von Atomen reagieren im Gleichschritt miteinander. Grund ist ein theoretisch vorhergesagter Quanteneffekt.
Eine Art vages Objekt aus konzentrisch angeordneten Kugeln in Hellblau vor dunklem Hintergrund.
Bei der Super-Quantenchemie befinden sich alle beteiligten Atome in einem gemeinsamen Quantenzustand.

In superkaltem Gas haben Fachleute einen exotischen Quanteneffekt beobachtet, der bisher nur theoretisch vorhergesagt worden war. Moleküle, die sich in einem gemeinsamen Quantenzustand befinden, gehen deutlich schneller chemische Reaktionen ein, als sie anderenfalls sollten. Das berichtet ein Team um Cheng Chin von der University of Chicago. Bei diesem als »Quanten-Superchemie« bezeichneten Effekt reagieren die beteiligten Atome gemeinsam als ein Quantenobjekt und nicht, wie bei normalen chemischen Reaktionen, einzeln für sich genommen, schreibt das Team in seiner Veröffentlichung in »Nature Physics«.

Normalerweise gleichen chemische Reaktionen einem Moshpit: Moleküle hüpfen chaotisch herum und verbinden sich, wenn sie durch Zufall auf geeignete Partner treffen. In der Quanten-Superchemie jedoch stehen sich die Partner quasi wie in einem Gruppentanz in Reih und Glied gegenüber und bewegen sich alle gemeinsam im Takt. Die Reaktion, die die Arbeitsgruppe so im Gleichtakt ablaufen ließ, war eine so genannte Dreikörperrekombination – drei einzelne Atome des Metalls Cäsium treffen sich und zwei davon verbinden sich zu einem zweiatomigen Cäsiummolekül Cs2. Dieser Prozess läuft zwar in ultrakalten Gasen ab, ist aber sonst eine ganz normale chemische Reaktion.

Um bei diesem Vorgang die bisher hypothetische Quanten-Superchemie stattfinden zu lassen, erzeugte die Arbeitsgruppe ein Bose-Einstein-Kondensat aus Atomen des Metalls Cäsium. Das ist ein spezieller Materiezustand, in dem eine ganze Gruppe Teilchen den gleichen Quantenzustand einnimmt; sie sind dann quasi alle das gleiche Teilchen und bilden ein einzelnes gemeinsames Quantenobjekt. Damit die Atome miteinander reagierten, veränderte das Team um Chin außerdem mit einem Magnetfeld den Energiezustand der Atome. Wie in der Theorie vorhergesagt, reagierten die Atome nicht nur miteinander, sondern dank ihres gemeinsamen Quantenzustandes bildeten sie die entstehenden Moleküle außerordentlich schnell.

Die beteiligten Fachleute hoffen, dass diese Entdeckung eine »neue Ära« einleite, heißt es in einer Pressemitteilung der University of Chicago. Als Nächstes soll die Quanten-Superchemie auf komplexere und womöglich auch für Anwendungen relevantere Moleküle erweitert werden. Neben schnelleren und effektiveren chemischen Reaktionen – ein wichtiges Ziel in der technischen Chemie – bietet Quanten-Superchemie einen weiteren potenziellen Vorteil: Die entstehenden Moleküle sind ebenfalls alle im gleichen Quantenzustand. Das eröffnet einerseits die Möglichkeit, nachfolgende chemische Reaktionen präziser zu kontrollieren. Andererseits könnten sie für Qubits in Quantencomputern interessant sein.

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