Thermodynamik: Abkühlen ist nicht das Gegenteil von Erwärmen
Bisher ging man davon aus, dass Kühlen und Erhitzen im Prinzip das Gleiche sind. In beiden Fällen ändert sich die Temperatur, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Doch wie Forscher um Miguel Ibáñez an der Universidad de Granada nun erstaunt festgestellt haben, scheint es zwischen beiden Prozessen einen fundamentalen Unterschied zu geben: Ein Objekt lässt sich demnach stets schneller erhitzen als abkühlen, zudem durchläuft es beim Kühlen völlig andere Zustände. »Das ist sehr überraschend«, sagte der Mathematiker Aljaz Godec vom Max-Planck-Institut für multidisziplinäre Wissenschaften gegenüber »New Scientist«. »Bis jetzt wissen wir, dass das wahr ist, weil wir es gezeigt haben. Aber wir können nicht behaupten, dass wir verstehen, warum das der Fall ist.«
In einer bei »Nature« im Januar 2024 veröffentlichten Studie hat das Team um Ibáñez in Wasser aufgelöste, winzige Kügelchen aus Siliziumdioxid mit einem Durchmesser von einem Mikrometer mit einem Infrarotlaser fixiert und dann mit Hilfe eines elektrischen Felds vibrieren lassen. Durch das Feld konnte die Gruppe eine extrem schnelle Temperaturänderung simulieren und untersuchen, wie sich das Kügelchen verhält. Die Messungen wiederholte sie zehntausende Male.
Wie die Wissenschaftler beobachteten, brauchten die Kügelchen stets weniger Zeit, auf eine höhere Temperatur zu kommen als abzukühlen. Als die Fachleute die verschiedenen Zustände untersuchten, die die Kugeln beim Abkühlen und Aufwärmen einnehmen, entdeckten sie eine unerwartete Diskrepanz: Beim Erhitzen durchliefen die Kügelchen weniger Zustände als beim Abkühlen, was die unterschiedliche Dauer beider Prozesse erklärt. Woher die Asymmetrie in den durchlaufenen Zuständen stammt, ist allerdings noch unklar.
Die Diskrepanz wird erst durch große Temperaturunterschiede von tausenden Grad deutlich sichtbar. Da gewöhnliche Materialien unter solchen Bedingungen meist Phasenübergänge wie Schmelzen und Gefrieren durchlaufen, lässt sich der Unterschied zwischen Erhitzen und Abkühlen in den meisten Experimenten nicht feststellen. Dennoch könne das Phänomen auch praktische Auswirkungen auf die Effizienz mikroskopischer Systeme wie winziger Nanomotoren haben, erklären die Forscher.
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