Botanik: Tief verwurzelter Familiensinn
Wer mit vielen Brüdern und Schwestern an einem Tisch sitzt, muss manchmal schwer darum kämpfen, sein Stück vom Kuchen zu bekommen. Auch Pflanzen streiten sich um Stickstoff und Co - doch beweisen sie unerwartet nachsichtigen Familiensinn: Wurzelt nebenan ein Geschwister, halten sie sich zurück.
"Blut ist dicker als Wasser", sagt der Volksmund. Und meint damit die im Tierreich allenthalben zu beobachtende Eigenheit, genetisch Verwandte gegenüber Fremden zu bevorzugen oder sogar – ganz selbstlos – zu ihren Gunsten auf eigene Vorteile zu verzichten. Indem eine Hand die andere wäscht, steige die Fitness aller Beteiligten, so die Theorie. Dieser Nepotismus bildet offenbar das grundlegende Netz jedes sozialen Miteinanders, das durch freundschaftliche oder aus Abhängigkeiten entstehende außerverwandtschaftliche Bindungen noch weiter verstrickt wird.
Hinter dem Familiensinn steckt das dann doch wenig altruistisch anmutende Konzept, so die Theorie weiter, dass die Investition in die Verwandtschaft letztendlich zum eigenen Vorteil gereicht – indem indirekt das auch in einem selbst steckende genetische Material in seinem Bestand gefördert wird. Wenn also Nichte oder Neffe reichlich für Nachwuchs sorgen, haben sie zu einem Gutteil die Erbanlagen von babysittenden Tanten und Onkels ebenfalls weitergegeben. Und das sei ja, theoretisch zumindest, Sinn jeglichen Daseins.
Dabei muss "dem anderen helfen" gar nicht bedeuten, selbst aktiv zu werden. Es reicht schon, ihm im Kampf ums tägliche Brot weniger zu schaden als Mitkonkurrenten – und dabei selbst zu profitieren, weil Ressourcen im Wettstreit gespart werden. Ein Ansatz, der insbesondere für solche Organismen interessant sein müsste, die eng aufeinander sitzen, vom selben Tisch essen und wenig Möglichkeit haben, die Nachbarschaft gezielt zu wechseln. Mit anderen Worten: Pflanzen.
Doch sollte sich der Allgemeinvorteil auch in Grün bestätigen, müssten Gänseblümchen und Co sinnvollerweise die dazu hilfreiche Verwandtenerkennung beherrschen. Diese Fähigkeit wäre für sie sogar noch weitaus wichtiger, schließlich steht durch Selbstbefruchtung und vegetative Vermehrung so manches Kraut seinem nächsten Nachbarn näher, als in tierisch-menschlichen Gemeinschaften üblich. Dass sie ihr eigen Blatt und Stiel erkennen, beweisen Arten, die Schutzmechanismen gegen Selbstbefruchtung entwickelt haben. Aber gelingt ihnen das auch mit Geschwistern?
Pflanzen demonstrieren ihren Wettstreit mit anderen im Feinwurzelwerk: Fischt ein Konkurrent im nahen Umfeld gleichfalls Nährstoffe heraus, wird diese Versorgungseinrichtung weiter ausgebaut, um den Eigenbedarf zu sichern. Und gerade in den ersten Lebenswochen geschieht hier besonders viel – die Wurzeldichte sollte also verlässlich verraten, wie stark die eingetopfte Wohngemeinschaft intern konkurrierte. Als Kontrolle dienten die Solitärpflanzen, die in Einraumwohnungen gleich ihren Kühlschrank mit niemandem teilen mussten. Dementsprechend zeigte sich hier im Wurzelwerk auch tatsächlich ein recht einheitliches Bild.
Über der Erde fanden die Forscherinnen übrigens keine Unterschiede oder Zusammenhänge von Biomasse-Kenndaten und Verwandtschaftsverhältnissen – ob sich Nachbarn besser grün sein sollten, weil sie aus derselben Familie stammen, wird also unterirdisch ausgefochten. Dafür sprang noch ein kleiner Tipp für Heimgärtner heraus: Auch Pflanzen – oder zumindest Meersenf – sind offenbar ungern einsam, denn die isolierten Keimlinge produzierten weniger Biomasse als ihre Artgenossen in Mehrlingstöpfen. Der übliche Haken an der Sache: Sie zeigten dafür weniger Fortpflanzungserfolg.
Wer sich daher lieber über reichlich Jungwuchs freuen möchte, sollte wohl über Einzeltopfstrategien nachdenken, wer üppiges Grün bevorzugt, eher Wohngemeinschaften fördern – und zwar, wie die Forscherinnen betonen würden, aus Verwandten. Auch wenn in den Gefäßen von Pflanzen kein Blut, sondern Wasser fließt.
Hinter dem Familiensinn steckt das dann doch wenig altruistisch anmutende Konzept, so die Theorie weiter, dass die Investition in die Verwandtschaft letztendlich zum eigenen Vorteil gereicht – indem indirekt das auch in einem selbst steckende genetische Material in seinem Bestand gefördert wird. Wenn also Nichte oder Neffe reichlich für Nachwuchs sorgen, haben sie zu einem Gutteil die Erbanlagen von babysittenden Tanten und Onkels ebenfalls weitergegeben. Und das sei ja, theoretisch zumindest, Sinn jeglichen Daseins.
Dabei muss "dem anderen helfen" gar nicht bedeuten, selbst aktiv zu werden. Es reicht schon, ihm im Kampf ums tägliche Brot weniger zu schaden als Mitkonkurrenten – und dabei selbst zu profitieren, weil Ressourcen im Wettstreit gespart werden. Ein Ansatz, der insbesondere für solche Organismen interessant sein müsste, die eng aufeinander sitzen, vom selben Tisch essen und wenig Möglichkeit haben, die Nachbarschaft gezielt zu wechseln. Mit anderen Worten: Pflanzen.
Doch sollte sich der Allgemeinvorteil auch in Grün bestätigen, müssten Gänseblümchen und Co sinnvollerweise die dazu hilfreiche Verwandtenerkennung beherrschen. Diese Fähigkeit wäre für sie sogar noch weitaus wichtiger, schließlich steht durch Selbstbefruchtung und vegetative Vermehrung so manches Kraut seinem nächsten Nachbarn näher, als in tierisch-menschlichen Gemeinschaften üblich. Dass sie ihr eigen Blatt und Stiel erkennen, beweisen Arten, die Schutzmechanismen gegen Selbstbefruchtung entwickelt haben. Aber gelingt ihnen das auch mit Geschwistern?
Solche Fragen machen Forscher zu Gärtnern – mit Meersenf (Cakile edentula var. lacustris) beispielsweise. Susan Dudley und Amanda File von der McMaster-Universität im kanadischen Hamilton sammelten an den Ufern der Großen Seen bereits befruchtete Pflanzen, aus denen sie die Samen gewinnen konnten – so wussten sie genau, wer zur selben "Familie" gehörte. Einige setzten sie in Einzeltöpfe, andere gruppierten sie jeweils zu viert: nur Geschwister, nur Fremde oder bunt durcheinander. Dann hegten und pflegten sie ihre Keimlinge wenige Wochen, bevor sie ihnen mit Skalpell und Waage zu Leibe rückten.
Pflanzen demonstrieren ihren Wettstreit mit anderen im Feinwurzelwerk: Fischt ein Konkurrent im nahen Umfeld gleichfalls Nährstoffe heraus, wird diese Versorgungseinrichtung weiter ausgebaut, um den Eigenbedarf zu sichern. Und gerade in den ersten Lebenswochen geschieht hier besonders viel – die Wurzeldichte sollte also verlässlich verraten, wie stark die eingetopfte Wohngemeinschaft intern konkurrierte. Als Kontrolle dienten die Solitärpflanzen, die in Einraumwohnungen gleich ihren Kühlschrank mit niemandem teilen mussten. Dementsprechend zeigte sich hier im Wurzelwerk auch tatsächlich ein recht einheitliches Bild.
In den Vierergemeinschaften allerdings beobachteten die Forscher durchaus unterschiedliche Wurzeldichten. Und auffällig war: Teilten sich Verwandte den Topf, fiel die unterirdische Aufrüstung gemäßigter aus als bei Wohngemeinschaften von Fremden. Für Dudley und File der klare Hinweis, dass die Kräuter ihre Geschwister erkannt hatten und sich im Kampf um den Nährstoffkuchen zu aller Nutzen etwas zurückhaltender gebärdeten.
Über der Erde fanden die Forscherinnen übrigens keine Unterschiede oder Zusammenhänge von Biomasse-Kenndaten und Verwandtschaftsverhältnissen – ob sich Nachbarn besser grün sein sollten, weil sie aus derselben Familie stammen, wird also unterirdisch ausgefochten. Dafür sprang noch ein kleiner Tipp für Heimgärtner heraus: Auch Pflanzen – oder zumindest Meersenf – sind offenbar ungern einsam, denn die isolierten Keimlinge produzierten weniger Biomasse als ihre Artgenossen in Mehrlingstöpfen. Der übliche Haken an der Sache: Sie zeigten dafür weniger Fortpflanzungserfolg.
Wer sich daher lieber über reichlich Jungwuchs freuen möchte, sollte wohl über Einzeltopfstrategien nachdenken, wer üppiges Grün bevorzugt, eher Wohngemeinschaften fördern – und zwar, wie die Forscherinnen betonen würden, aus Verwandten. Auch wenn in den Gefäßen von Pflanzen kein Blut, sondern Wasser fließt.
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