Tiefsee: Forscher vermessen gigantischen Erdrutsch im Ozean
Mehr als 1100 Kilometer weit und bis in 4500 Meter Tiefe rutschten Sedimentmassen am 14. Januar 2020 vor der afrikanischen Küste: einer der längsten Erdrutsche, die bislang von Menschen vermessen werden konnten. Dass dies überhaupt gelang, verdanken Peter Talling von der Durham University und sein Team auch einem glücklichen Zufall. Denn der Rutsch riss zahlreiche Messgeräte aus ihrer Verankerung, die vor Ort genau wegen derartiger Ereignisse installiert worden waren. Ihre Beobachtungen beschreibt die Arbeitsgruppe in »Nature Communications«.
Die Instrumente waren mit Akkus ausgestattet und befanden sich innerhalb von Bojen, mit denen sie über den Ozean driften sollten, falls die Befestigung nicht hält. Allerdings schätzten Talling und Co es als relativ unwahrscheinlich ein, die fußballgroßen Bojen wiederzufinden. Wind und Strömungen verlagerten sie in unterschiedliche Richtungen. Dank internationaler Zusammenarbeit und vor allem mit viel Glück gelang es dennoch, die Sender einzusammeln: Ein zufällig passierendes Schiff fischte manche der Sonden aus dem Meer. Andere wurden durch weitere Schiffe geborgen.
Nur fünf Monate vor dem Abgang der Sedimente hatte das Team die Messgeräte entlang des Kongo-Canyons im Atlantik installiert: Er bildet die Fortsetzung des Kongo-Flusses im Ozean. Die Erdmassen setzten sich mit rund 18 Kilometer pro Stunde in Bewegung und beschleunigten im weiteren Verlauf auf bis zu knapp 30 Kilometer pro Stunde. Teilweise wurde Schichten von 20 bis 30 Meter Dicke abgetragen. Das Gesamtvolumen an Material, das dabei in die Tiefe transportiert wurde, schätzen Talling und Co auf rund 2,7 Kubikkilometer bei einem Gesamtgewicht von bis zu 2675 Megatonnen: Der Kongo schleppt pro Jahr im Vergleich dazu nur bis zu 43 Megatonnen Sediment ins Meer.
Die in die Tiefsee verlagerten Mengen deuten an, dass derartige Erdrutsche eine bislang unterschätzte Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf spielen könnten: Eingelagert in den Sedimenten finden sich auch große Mengen an organischem Material, etwa abgestorbenes Plankton, Organismen, die in der Erde leben, oder Pflanzen, die der Kongo aus dem Inneren Afrikas herantransportiert.
Tallings Team vermutet, dass heftige Regenfälle im Kongobecken für den Erdrutsch mitverantwortlich sind. Der Kongo führte deshalb deutlich mehr Wasser als im Mittel; gleichzeitig trafen diese Wassermassen auf besonders starke Gezeiten. Beides zusammen löste Turbulenzen aus, die letztlich das Sediment in Bewegung versetzten. Sie lösten nicht nur die Verankerungen der Bojen, sondern zerstörten auch zwei wichtige Unterwasserkabel. In der Folge waren in großen Teilen Afrikas die Internetverbindungen schwieriger und langsamer.
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