Tiefsee: Riesiges Kaltwasserriff an unerwarteter Stelle entdeckt
Lange dachten Meeresforscher, dass es sich beim Blake Plateau vor der US-Atlantikküste um eine spärliche, von wenig Leben bevölkerte, schlammige Tiefseeebene handele. Doch zahlreiche Tauchgänge seit 2013 belegten das genaue Gegenteil. Hier erstreckt sich das größte bislang bekannte Kaltwasserkorallenriff der Erde, wie Derek Sowers von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und sein Team in »Geomatics« berichten. Auf einer Fläche von rund 6200 Quadratkilometern wachsen in hoher Dichte Tiefseekorallen; das gesamte Gebiet des Riffs ist sogar mehr als doppelt so groß.
Hauptbestandteil des Ökosystems sind dichte Ansiedlungen der Tiefseekoralle Desmophyllum pertusum. Im Gegensatz zu tropischen Flachwasserkorallen erscheinen sie weiß, doch ist dies keine Folge hitzebedingter Ausbleichung, sondern normal: In der lichtlosen Tiefsee benötigen sie keine Algensymbionten, die ihren Verwandten die bunte Färbung bescheren, aber bei zu hohen Wassertemperaturen abgestoßen werden.
Während mehrerer Expeditionen kartierte das Team das Riff mit Hilfe von 23 Tauchfahrten mit Robotern. Dazu kamen 31 Erfassungen mit Sonar, die letztlich das ausgedehnte Riff detailliert vermaßen. Es liegt in 200 bis 1000 Meter Tiefe und besteht aus fast 84 000 einzelnen Korallenhügeln.
Die dichten Netze aus Korallen filtern Nährstoffe aus dem umströmenden Wasser und bieten zahlreichen anderen Arten ein Versteck und ein Zuhause. Ein Großteil dieser Spezies ist wahrscheinlich noch unbekannt. Die am stärksten besiedelten Bereiche des Riffs befinden sich den Forschern zufolge im Einflussbereich des relativ warmen Florida- beziehungsweise Golfstroms. Das zeige, welch wichtigen Einfluss die beiden Strömungssysteme auch für den Nährstofftransport in der Region habe, schreibt das Team.
Während Kaltwasserriffe im Gegensatz zu ihren tropischen Flachwasserpendants vom Klimawandel und der Versauerung der Ozeane noch nicht betroffen sind, werden sie durch Fischerei gefährdet. Trawler mit Schleppnetzen haben bereits derartige Ökosysteme zerstört. Bedroht werden sie zudem durch Ölgewinnung und zukünftig womöglich auch durch Tiefseebergbau.
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