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Tiefseebergbau: Startschuss für die Ausbeutung der Tiefsee bleibt aus

Die Weltgemeinschaft ist am geplanten Regelwerk für den Tiefseebergbau gescheitert. Nun könnte der ökologisch fragwürdige Abbau mit einem Moratorium langfristig ausgebremst werden.
Das ROV Deep Discoverer im Atlantik
Ein Tauchroboter der US-amerikanischen Meeresbehörde NOAA filmt rohstoffhaltiges Gestein im Atlantik. Bedeutende Abbaufelder für den Tiefseebergbau gibt es rund um den Globus. Eines der wichtigsten liegt im westlichen Pazifik in der Clarion-Clipperton-Zone.

Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) hat am Wochenende die Entscheidung vertagt, ob internationale Gewässer mittels Tiefseebergbau ausgebeutet werden dürfen. Bei dem Treffen in Kingston, Jamaika, hatte sich die Weltgemeinschaft eigentlich ein verbindliches Regelwerk geben wollen, wie mit den Anträgen von Mitgliedsstaaten auf Abbau der Ressourcen umzugehen ist. Zum Abschluss der zweiwöchigen Sitzung des Rats der Behörde vereinbarten die 36 Mitgliedstaaten am Freitagabend (Ortszeit) lediglich das Ziel, im Jahr 2025 ein Regelwerk zu verabschieden.

Die Verhandlungen drehen sich vor allem um die Förderung von Manganknollen, die wirtschaftlich bedeutende Metalle in großer Menge enthalten. Befürwortern zufolge ist die Nutzung dieser Quelle ein wichtiger Baustein für die Energiewende und obendrein mit geringerem ökologischen Schaden verbunden als viele Bergbauunternehmungen an Land. Kritiker bezweifeln diese Argumente. »Wir werden eine zusätzliche Zerstörung erleben statt eines Ersatzes«, sagt etwa Till Seidensticker, der für Greenpeace die Verhandlungen vor Ort verfolgte, im Gespräch mit »Spektrum.de« (»Mineralienabbau in der Tiefsee: Ein Schatz zum Greifen fern«). Zudem droht der Abbau das Ökosystem im Ozean auf großer Fläche in Mitleidenschaft zu ziehen (mehr dazu auf »Spektrum.de«: »Tiefseebergbau: Ein Kahlschlag auf 5000 Meter Tiefe«).

Die Knollen werden mit Hilfe tonnenschwerer Saugroboter gefördert, die in mehreren tausend Meter Tiefe das Sediment befahren. Gemeinsam mit den kartoffelgroßen Konglomeraten werden auch sämtliche anhaftenden Organismen eingesaugt. Studien zufolge könnte dadurch fast jede fünfte Art aus den betroffenen Gebieten verschwinden, viele davon wurden noch nie wissenschaftlich beschrieben. Durch das beim Pumpen und Verarbeiten freigesetzte Sediment könnten zudem Schäden an den globalen Fischbeständen angerichtet werden.

Gremien der ISA arbeiten bereits seit Jahren an einem Regelwerk für den Tiefseebergbau, das den widerstreitenden Interessen der Staaten gerecht wird. Bis jetzt haben sie noch keine konsensfähige Lösung gefunden, wie die ergebnislosen Beratungen in Kingston zeigen. Dass in der jamaikanischen Hauptstadt dennoch der Versuch einer Einigung unternommen wurde, hatte rechtliche Gründe: Zwei Jahre zuvor hatte der Pazifikstaat Nauru angekündigt, einen Antrag auf eine Abbaugenehmigung stellen zu wollen, was die ISA in Zugzwang brachte. Nach internationalem Seerecht hatte die ISA nun zwei Jahre Zeit, eine Regelung zu finden. Diese Frist war einen Tag vor Beginn der Sitzung, am 9. Juli, abgelaufen.

Der pazifische Zwergstaat Nauru tritt als staatlicher Sponsor eines Tochterunternehmens des kanadischen Konzerns The Metals Company auf. Die Firma ist die erste, die das Rohstofflager in der Tiefsee kommerziell ausbeuten möchte, und dabei auch am weitesten technisch fortgeschritten. Ihr geplantes Abbaugebiet liegt in der Clarion-Clipperton-Zone, einem riesigen und besonders reichen Manganknollenfeld zwischen Mexiko und Hawaii.

Wie etwa der »SPIEGEL« berichtet, wurde die Konsensfindung nun vage in Richtung 2025 verschoben. Unklar sei auch, wie man bis dahin mit etwaigen Förderanträgen umgeht. Medienberichten zufolge hofft man bei der Meeresbehörde, dass die ungeklärte Haftungsfrage Staaten wie Nauru davon abschreckt, jetzt schon Anträge zu stellen: Ohne das verbindliche Regelwerk könnten Länder für die ökologischen Folgeschäden ihres Tiefseebergbaus zur Verantwortung gezogen werden.

Länder wie China, Russland oder Großbritannien wollen die Metallförderung vom Meeresgrund genehmigen, die norwegische Regierung plant sogar, ein Gebiet von der Größe Italiens in den eigenen Hoheitsgewässern für die Ausbeutung frei zu geben. Deutschland macht sich in der ISA für eine »vorsorgliche Pause« des Tiefseebergbaus stark. Demnach soll erst dann mit der Verabschiedung eines Regelwerks vorangegangen werden, wenn es belastbare Erkenntnisse über die ökologischen Folgen des Abbaus gibt. Insgesamt treten 22 der 36 ISA-Mitgliedsländer für eine Pause, ein Moratorium oder gar ein Verbot des Tiefseebergbaus ein.

Noch bis zum 28. Juli tritt in Kingston die Vollversammlung der Behörde zusammen. Dort könnte die Entscheidung über ein Moratorium oder eine Pause fallen. »Wir brauchen dieses Moratorium, um zu verhindern, dass ein neuer Industriezweig diesen einzigartigen Lebensraum ohne Sinn und Verstand ausbeutet«, sagte Greenpeace-Experte Seidensticker der Deutschen Presse-Agentur.

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