Rekorddauer: Tiefseekraken sind die ausdauerndsten Brüter
Es ist ihre letzte große Lebensaufgabe, bevor sie sterben: das Gelege befruchteter Eier zu beschützen und zu versorgen. So lange, bis die Jungen geschlüpft sind. Forschern des Monterey Bay Aquarium Research Institute in Kalifornien gelang es, einen weiblichen Tiefseeoktopus (Graneledone boreopacifica) über die gesamte Brutzeit von fast viereinhalb Jahren hinweg zu beobachten. Die längste bisher bekannte Brutdauer im Tierreich.
Während eines Tauchgangs mit einem ferngesteuerten Roboter entdeckten Bruce Robison und sein Team im April 2007 einen weiblichen Oktopus, der sich langsam auf eine bekannte, aber noch unbesetzte Brutstelle zubewegte. Knapp 1400 Meter tief im Monterey Submarine Canyon wurde schon früher Graneledone boreopacifica beim Brüten gesichtet. Als die Forscher 38 Tage später erneut an der Stelle tauchten, saß der gleiche Krake, eindeutig anhand seiner charakteristischen Narben identifizierbar, auf einem Gelege von etwa 160 Eiern.
Das Team besuchten den Oktopus aus dem Monterey Submarine Canyon noch weitere 18 Mal. Immer saß das weibliche Tier auf seinem Gelege und schien sich nicht von der Brut zu entfernen. Anfangs hatte die Haut des Tieres noch die typische Struktur und zeigte eine blassviolette Färbung. Mit der Zeit wurde sie jedoch bleich, fast weiß. Auch weitere Zeichen wie Größenverlust, schlaffe Haut und trübe Augen deuteten auf eine voranschreitende Vergreisung des Kraken hin.
Die meisten Oktopusarten, wenn nicht sogar alle, bebrüten ihre Eier bis zur vollständigen Entwicklung der Jungen. Die Mutter schützt die Eier vor Räubern und sorgt für eine ausreichende Belüftung. Dabei nimmt sie selber kaum bis keine Nahrung auf und stirbt schließlich, wenn alle Jungtiere geschlüpft sind.
Im September 2011, 53 Monate nach ihrer ersten Sichtung, sahen die Forscher das Tier zum letzten Mal. Im Oktober fanden sie nur noch die leeren Eihüllen auf dem Sockel.
Dass dieses Krakenweibchen so lange brütete, führen sie auf zwei Umstände zurück: Nur sehr weit entwickelte Jungtiere haben eine Chance, ohne Hilfe der Mutter zu überleben, und die Brut fand bei Temperaturen um 3 Grad Celsius statt. Schon bei anderen Arten wurden verlängerte Brutzeiten auf Grund von niedrigen Temperaturen beobachtet. Ob jedoch alle Tiefseeoktopoden so lange brüten, oder dieses Weibchen eher die Ausnahme als die Regel darstellt, bleibt unklar. Es war die erste vollständig in natürlicher Umgebung beobachtete Brut dieser Tiere.
Wie allerdings das Muttertier die lange Brutzeit überlebt hat, fragen sich auch Robison und seine Kollegen. Während ihrer Beobachtungen konnten sie keine Fressaktivitäten erkennen. Auch vorbeischwimmende Krabben und Shrimps ignorierte das Tier. Eventuell könnten ungelegte oder unbefruchtete Eier als Nahrung dienen, denn Fettreserven sind bei diesen Tieren bisher nicht bekannt. Wie auch immer sie es bewerkstelligte, die leeren Eier bezeugen, dass die Brut nicht nur extrem lang, sondern auch erfolgreich war.
Schreiben Sie uns!
1 Beitrag anzeigen