News: Tiefste Bohrung in den Untergrund der Antarktis
Ziel des Projektes sind neue Erkenntnisse über die Geschichte des antarktischen Inlandeises vor mehr als 30 Millionen Jahren und über die Entstehung der 5000 Kilometer langen Bergkette des Transantarktischen Gebirges.
Standort der Bohrung war das Seegebiet vor Cape Roberts, am Fuß des Transantarktischen Gebirges am Westufer des Rossmeeres in der Antarktis. Die Bohrplattform mit einem Gewicht von 55 Tonnen war 12 Kilometer vor der antarktischen Küste auf dem schwimmenden, zwei Meter dicken Meereis installiert worden. Das Wasser ist dort 300 Meter tief, die Bohrung reichte vom Meeresboden 939 Meter tief in den Untergrund.
Das Cape Roberts Projekt umfaßte drei Bohrungen: Die erste Bohrung fand im Herbst 1997 unter sehr ungünstigen Wetter- und Eisverhältnissen statt, im Oktober 1998 die zweite. An dem Projekt sind mehr als 80 Wissenschaftler aus Australien, Neuseeland, den USA, Italien, Großbritannien und Deutschland beteiligt. Die deutschen Forscher kommen vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven, von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover und den Universitäten Leipzig und Halle. Vom AWI wurden die physikalischen Eigenschaften der gewonnenen Bohrkerne vermessen, während die Wissenschaftler der BGR für die kontinuierliche Vermessung der physikalischen Eigenschaften des Bohrlochprofils zuständig waren. Bei der jetzt anstehenden umfangreichen Auswertung werden die deutschen Wissenschaftler auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.
Die Bohrkerne sind für die Geowissenschaftler wie ein Archiv, das die Umweltbedingungen der Vergangenheit gespeichert hat. Sie geben über den Beginn und die Entwicklung der Vereisung des antarktischen Kontinents sowie über die Entstehung des transantarktischen Hochgebirges Aufschluß. Bisher war nur bekannt, daß der südlichste Kontinent bereits vor 35 Millionen Jahren vereist war, aber nicht wann die Vergletscherung begann. Im Gegensatz dazu vereiste die Arktis vor 10 bis 15 Millionen Jahren, also 20 Millionen Jahre später als der Südpol.
Nach der ersten, groben Auswertung des Kerns sind die Wissenschaftler sehr zufrieden: Die obersten 350 Meter enthalten Sandsteine und Tone, die Veränderungen des Meeresspiegels für die Zeit vor 30 bis 33 Millionen Jahren abbilden und dem internationalen Forscherteam Informationen über Ursache und Verlauf von Meeresspiegelschwankungen liefern. Die Bedingungen bei Cape Roberts sind günstig, da hier geeignete Sedimentschichten zugänglich und nicht von dickem Eis überlagert sind.
Geritzte Steine und gerundete Felsen von bis zu 0,7 Meter Durchmesser bezeugen die Tätigkeit von Gletschern sowie das Kalben und Schmelzen von Eisbergen. In den Tonsteinen vorkommende pflanzliche Mikrofossilien lassen eine kümmerliche Tundren- und strauchartige Buchenvegetation an Land vermuten.
In einer Tiefe von 790 Metern stießen die Wissenschaftler zu ihrer großen Überraschung auf über 200 Millionen Jahre alte Sandsteinschichten, wie sie heute auf den Gipfeln des nur 50 Kilometer entfernten Transantarktischen Gebirges zu finden sind. Der Höhenunterschied von mehr als 3000 Meter zeigt das Ausmaß der vertikalen Bewegungen, die die Bildung des heutigen Transantarktischen Gebirges und der Rossmeer-Bucht begleitet haben. Den genauen Zeitraum, in dem diese Bewegungen stattfanden, hoffen die Wissenschaftler zum ersten Mal aus der Datierung von vulkanischen Gesteinen bestimmen zu können.
"Für die Geologen ist dieses Ergebnis eine Sensation", sagt Frank Niessen vom Alfred-Wegener-Institut, der auch in diesem Jahr am Bohrcamp teilgenommen hat. "Es muß vor 35 Millionen Jahren zu einer raschen Absenkung in diesem Bereich der Antarktis gekommen sein und die entstehenden Senken wurden dann vom Schutt der antarktischen Gletscher aufgefüllt."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 13.12.1999
"Eiskaltes Leben in der Tiefe" - Spektrum Ticker vom 25.10.1999
"Bilder vom gefrorenen Kontinent"
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Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven gehört der Helmholtz-Gemeinschaft an. Es widmet sich der Erforschung der Polarregionen und nimmt dabei auch Themen wie Meeresbiologie oder Klimawandel in den Blick.
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