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News: Tierischer Rechenkünstler

Die mathematischen Aspekte eines Hundelebens waren bislang kaum erwähnenswert. Wie geometrisch genau Vierbeiner beim Spielen vorgehen, verblüfft daher - nur die nicht, die es schon immer geahnt haben.
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Wenn ein Säugetier einem anderen wiederholt einen offensichtlich unerwünschten, weil ständig weggeworfenen Stock wiederbringt: Vertiefen die beiden Spezies damit eine wertvolle gegenseitige Freundschaft – oder ist es nur gemeinsamer Spaß an der Sache? Eine Frage, die immer wieder einen freundlichen Gedankenaustausch zwischen Hunde- und Katzenfreunden hervorruft. Hundeliebhaber jedenfalls sind überzeugt: Ohne jede Frage beweise ihr bester Freund nicht nur unmenschliche, sondern zutiefst menschliche Fähigkeiten – Treue etwa, Liebe oder Trigonometrie.

Letzteres will zumindest Tim Pennings, seines Zeichens Mathematiker des Hope College, nun auf die Liste schreiben. Sein Welsh Corgi namens Elvis – Laien und Katzenfreunden sei dieses reinrassige Hundemodell kurz als niedriger, langgestreckter Zwergschäferhund mit fuchsartigem Kopf vorgestellt – entwickle grundlegende mathematische Lösungen jedenfalls offensichtlich spielerisch, und zwar am Strand beim Tennisball-Apportieren.

Dort nämlich zeige sich Elvis, erklärt Pennings, einer grundlegenden Mathematik-Herausforderung durchaus gewachsen: dem Problem, den schnellsten Weg vom Ausgangsstandort "A" von Hund und ballwerfendem Herrchen hin zum Aufschlagspunkt "B" des Tennisballes im strandnahen Wasser zu finden. Eine nicht ganz triviale Aufgabe, die unter anderem von der Schwimm- und Renngeschwindigkeit des apportierenden Vierbeiners abhängt. So ist der geradlinige Weg, also von A direkt auf den Ball zu ins Wasser wegen der resultierenden langwierigen Schwimmarbeit fast immer weniger empfehlenswert, als zunächst ein Stück des Weges am Strand entlang zu galoppieren und so Schwimmstrecke einzusparen.

Wo an einem angenommenen Strand querab von "A" der theoretisch optimale Wasser-Eintauchpunkt auf dem Weg zu "B" liegt, lässt sich, wie Pennings in seiner fünfseitigen Studie vorexerziert, leicht errechnen. Er machte sich nun daran, empirisch zu überprüfen, wie nahe Elvis diesem mathematischen Wegideal in der Realität kommt. Dazu verbrachte er mit Hund, Maßband und Tennisball einen gemeinsamen Arbeitstag am Strand und sammelte die wesentlichen Eckdaten von 35 Ball-Apportier-Ereignissen: Wurfweite, Länge der Lauf- und Schwimmstrecken des Hundes in Annäherung an den Ball sowie die mittlere Hundegeschwindigkeit während beider Fortbewegungsarten.

Wie sich zeigte, ist der gemeine Haushund Canis lupus familiaris offenbar ein Meister der Geometrie: Die Wege von Elvis zum Tennisball folgten zumindest fast immer Fällen der theoretisch vorausberechneten Ideallinie. Vielleicht, so überlegte Pennings, ist er der trockenen mathematischen Wissenschaft dort möglicherweise sogar überlegen, wo raue Winde geradlinig geometrische Grundlagen im unberechenbaren Chaos untergehen lassen. Bei hohem Wellengang beispielsweise, der den anzulandenden Tennisball unberechenbar zwischen den Schaumkronen tänzeln lässt, folgt Elvis nicht dem theoretisch als ideal anvisierten Annährungswinkel – und findet stattdessen häufig einen an die herrschenden Bedingungen angepassten, noch besseren Weg zum Ziel.

Letztlich musste dann aber auch Pennings eingestehen – vermutlich in die Enge getrieben von spitzfindigen Vertretern der reinen wissenschaftlichen Lehre –, dass Elvis wohl nicht wirklich rechnen kann. Nichtsdestotrotz treffe er aber "erstaunlich clevere Richtungsentscheidungen. Sein Verhalten ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Natur oftmals zu optimalen Lösungen findet".

Was wohl gelegentlich in Frage zu stellen ist. Andererseits: Wenn es um Liebe, Freundschaft und Mathematik geht – muss dann immer die Sinnfrage gestellt werden?

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