Tierseuchen: Quecksilber erleichtert Infektion mit Vogelgrippe
Eine hochansteckende Form der Vogelgrippe frisst sich weiter durch Seevogelkolonien an der Nordsee und im nordöstlichen Atlantik. Mittlerweile hat sie auch Brutplätze an der irischen Südwestküste erreicht, wo Beobachter hunderte tote oder sterbende Basstölpel und Vertreter anderer Arten finden. Seit dem Frühsommer 2022 sorgen sich Wissenschaftler und Vogelschützer wegen Seeschwalben, Tölpeln und weiterer Seevögel, die bereits zu Zehntausenden verendet sind – auch an der deutschen Küste. Claire Teitelbaum vom US Geological Survey und ihr Team haben nun mit Quecksilber einen Faktor ausgemacht, der potenziell das Immunsystem der Tiere schwächen kann und sie anfälliger für das verantwortliche Virus macht, wie sie in den »Proceedings of the Royal Society B« berichten.
Ziehende Wildenten stehen im Verdacht, die Erreger der Vogelgrippe zu verbreiten: Sie sind zum einen ein natürliches Reservoir für die Viren, zum anderen können sie sich bei Zuchtgeflügel anstecken. Anschließend tragen sie auf dem Zug die Keime weiter und stecken artübergreifend andere Vögel an. Das Team um Teitelbaum testete deshalb 750 Enten aus elf Arten, die in der Bucht von San Francisco geschossen wurden, darauf, ob sie mit der Vogelgrippe in Kontakt gekommen waren und wie stark sie mit Quecksilber belastet waren.
Tatsächlich war die Wahrscheinlichkeit, dass eines der Tiere Antikörper gegen die Vogelgrippe aufwies, fünfmal so hoch, wenn es mit dem Flüssigmetall kontaminiert war. Zudem war die Verbreitung von Vogelgrippe bei den Arten höher, die auch durchschnittlich stärker mit Quecksilber belastet waren. Immerhin trug keines der Tiere den hochpathogenen Virenstamm H5N1, der 2022 in Europa wütet. Die Ergebnisse sind daher nicht direkt übertragbar auf die Situation an der Nordsee und am Nordatlantik.
Quecksilber schwächt allerdings bekanntermaßen das Immunsystem und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, dass sich Tiere mit Krankheitserregern anstecken. Vögel und andere Organismen nehmen das Flüssigmetall meist in Form von Methylquecksilber auf, das sich in der Natur durch Biomethylierung bildet und in der Nahrungskette anreichert. Eingetragen wird das Quecksilber etwa durch Bergbau oder die Verbrennung von Kohle.
Der hochpathogene H5N1-Stamm tauchte zirka 1996 in Asien bei kommerziell genutzten Gänsen auf und verbreitete sich in den frühen 2000er Jahren in Europa und Afrika unter Geflügel. Wahrscheinlich ebenfalls in Ostasien sprang er auf Wildvögel über, die das Virus ebenso weitertrugen. Seitdem kommt es immer wieder zu einem Massensterben wie 2022. Es bereitet Wissenschaftler besondere Sorgen, weil es erstmals auch im Sommer auftrat, wo die Vogelgrippeaktivität sonst zurückgeht.
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